Interview mit Cem Özdemir "Knallharte Bälle auf die Schnauze"
05.01.2017, 10:17 Uhr
"Wie jeder Sport prägt auch Handball das Selbstbewusstsein": Cem Özdemir.
(Foto: picture alliance / dpa)
Wenn am 11. Januar die Handball-Weltmeisterschaft in Frankreich beginnt, wird auch Cem Özdemir die deutsche Mannschaft beobachten. Der Parteichef von Bündnis 90/Die Grünen stand selber jahrelang als Handball-Torwart zwischen den Pfosten und ist Fan der Bundesliga-Mannschaft von Frisch auf Göppingen. Mit n-tv.de spricht er über harte Würfe auf den Kopf und wie Handball einen auch fit für die Politik macht.
n-tv.de: Sie haben früher in der schwäbischen Heimat beim TSV Bad Urach Handball gespielt. Wo lagen ihre Stärken?
Cem Özdemir: Wenn ich heute daran zurück denke, tut mir fast wieder der Kiefer weh. Denn als Handballtorwart habe ich viele knallharte Bälle auf die Schnauze bekommen. Das gehört zum Handball. Viele sagen ja, wer beim Handball ins Tor geht, muss etwas verrückt sein. Gut, das war ich dann wohl. Irgendwann hatte ich keine Angst mehr zwischen den Pfosten. Und ein ums andere Mal bin ich mit weit auseinander gestreckten Armen und Beinen den gegnerischen Bällen entgegen gesprungen. Beim TSV Bad Urach war ich bis zur B-Jugend im Tor. Danach musste ich leider wegen meiner Berufsausbildung aufhören.
Beim Handball geht es etwas handfester zu, am Ende geben sich die Gegner immer fair die Hand. Welche Parallelen sehen Sie zwischen Handball und Politik?
Wie jeder Sport prägt auch Handball das Selbstbewusstsein. Man lernt, sich durchzusetzen. Das ist in der Politik auch wichtig. Und Sie erfahren schnell, dass man im Team nur gemeinsam gewinnen kann. Und es gibt Spieler wie den Torwart, die ein Spiel entscheiden können. Mit einem klugen Pass kann schnell ein Angriff eingeleitet werden. Vor dem Tor müssen sich die Spieler immer wieder aufs Neue durchsetzen. Da gibt es Parallelen zum täglichen Geschäft in der Politik. Und auch im Handball - wie in der Politik - zeigt sich, dass es Spezialisten geben muss. Selbst bei Torhütern haben Sie Experten für Strafwürfe vom Sieben-Meter.
Was macht für Sie den Reiz am Handball aus?
Ich bin über Schulfreunde zum Handball gekommen. Und bis heute fasziniert mich die Sportart wegen ihrer Schnelligkeit und Körperlichkeit. Ein Spiel beim Handball bleibt bis zum Schluss spannend. Das liebe ich daran. Selbst wenn eine Mannschaft mal mit mehreren Toren Vorsprung führt, heißt das ja beim Handball noch lange nicht, dass sie auch gewinnt. Und der Teamgeist begeistert mich. Beim Handball haben sie ja weniger Spielerinnen und Spieler in einer Mannschaft als beim Fußball. Da muss der Zusammenhalt stimmen. Am meisten begeistern mich immer noch die Torhüter. Heute stehen die Torwarte noch viel mehr im Mittelpunkt des Spiels als damals in den Achtzigern, als ich anfing. Ich versuche, meine Kinder immer mal für Handball zu begeistern und schaue Spiele mit ihnen. Aber noch ist der Funke nicht übergesprungen. Leider. Sie sind Fußball-Fans. Hoffentlich nehme ich sie bald mal mit in die Halle zu einem großen Handballspiel. Noch gebe ich die Hoffnung nicht auf.
Bei der WM in Frankreich trauen Kenner der deutschen Handball-Nationalmannschaft eine Medaille zu. Werden Sie einige Spiele verfolgen?
Ich werde mir sicher einige Partien anschauen - leider nicht vor Ort. Ich bin aber guter Dinge. Deutschland hat eine junge Mannschaft mit vielen Talenten. Da wird was möglich sein. Hinzu kommt, dass wir mit Dagur Sigurdsson einen Toptrainer haben, der das Team immer wieder sehr gut einstellt. Ich drücke unserer Nationalmannschaft ganz fest die Daumen, dass sie ein gutes Turnier spielt.
Mit Cem Özdemir sprach Hero Warrings
Quelle: ntv.de