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Schwache Zweikampfschulung Löw kritisiert Vereinstrainer

Nach der beispiellosen Verletztenmisere hat Joachim Löw die Bundesliga-Vereine zu einem gemeinsamen Umdenken bei der Zweikampfschulung aufgefordert - vor dem Klassiker gegen England steht der Bundestrainer bei seinem komplizierten Personalpuzzle aber ganz allein da. Fieberhaft versucht Löw innerhalb von nur zwei Tagen aus seinem Restkader ein konkurrenzfähiges Team zu basteln, das beim Länderspiel im neuen Londoner Wembley-Stadion trotz der Rekordzahl von elf Ausfällen das erhoffte Signal für eine erfolgreiche EM-Saison der Nationalmannschaft setzen kann.

Wembley ein gutes Plaster

"So viele Ausfälle hatten wir noch nie. Natürlich hat das Spiel jetzt einen anderen Charakter. Uns fehlt Erfahrung, Routine und Führung", sagte der Bundestrainer in Frankfurt/Main, schloss aber sofort kämpferisch an: "Wir werden jetzt nicht beginnen zu jammern, obwohl wir nahe dran sind. Wir gehen mit viel Zuversicht und Optimismus nach England." Zumal Wembley ein gutes Plaster ist: Seit 32 Jahren hat die DFB-Auswahl dort nicht mehr verloren, und Löw glaubt an die Fortsetzung der Serie von zuletzt vier Siegen in England. "Gerade für die jungen Spieler ist es eine Erfahrung, die sie weiter bringt. Das gibt jedem einen Kick", sagte der 47-Jährige.

"Philosophie bleibt"

Eine Abkehr von der in seiner einjährigen Amtszeit erfolgreich verfeinerten offensiven Ausrichtung kommt für Löw nicht in Frage. "Wir werden jede Gelegenheit nutzen, um nach vorne zu gehen. Die Philosophie bleibt", kündigte der Bundestrainer eine mutige Spielweise an. Zur Vorbereitung werde er viele Gespräche führen und intensive Videostudien vornehmen. "Wir wollen bei den jungen Spielern das Selbstbewusstsein wecken, ihnen vermitteln, dass es eine Freude ist, in diesem neuen Stadion zu spielen", betonte Löw.

Erfahrung von mehr als 350 Länderspielen fehlt

Doch trotz des ungebrochenen Optimismus' schwingt beim Bundestrainer vor dem Saisonauftakt auch ein bisschen Skepsis mit. "Wir werden versuchen, möglichst Vieles in Fluss zu bekommen. Wir wollen möglichst gut organisiert sein. Einige Automatismen werden verloren gehen. Aber wir haben auch unsere Chance", sagte Löw. In einer ruhigen Minute habe er ausgerechnet, dass dem Team durch die elf Absagen die Erfahrung von mehr als 350 Länderspielen fehle.

Nach einer bislang ungekannten Absage-Welle - 1994 in Ungarn hatte der damalige Bundestrainer Berti Vogts zehn Spieler nicht dabei - muss das DFB-Team in London ohne die verletzten Ballack, Frings, Klose, Gomez, Schweinsteiger, Podolski, Jansen, Fritz, Borowski, Khedira und Schlaudraff auskommen. Für die dramatische Häufung von Blessuren macht Löw auch ein unkoordiniertes und ungestümes Zweikampfverhalten verantwortlich. "Vielen Spielern geht es nur darum, den Gegner zu stoppen, und sei es mit einem Foul", kritisierte Löw. "Da muss es ein Umdenken geben."

Angriffsproblem

Innerhalb von wenigen Stunden muss Löw die beste Formation für das Kräftemessen mit dem alten Rivalen finden. "Es gibt Gedankenspiele. Aber wir wollen noch die Trainingseindrücke abwarten." Besonders im Angriff hat Löw ein großes Problem. Kevin Kuranyi bekam schon zwei Tage vor dem Spiel zwangsläufig eine Einsatz-Garantie. Der Kölner Patrick Helmes musste noch gegen Alemannia Aachen ran und schon wieder für den FC in der 2. Liga spielen. Neben Kuranyi dürfte so Leverkusens Stefan Kießling zu seinem zweiten Länderspiel-Einsatz kommen. "Wir haben bislang nur im Training miteinander gespielt, aber wir werden bestimmt unsere Arbeit gut machen", sagte Kuranyi. Der Schalker sieht in der Personalmisere auch eine Chancen: "Die Spieler, die da sind, sind heiß auf dieses Spiel. Die Jungen wollen sich beweisen."

Pander mit guten Chancen

Gute Chancen auf ein ersten Einsatz vor großer Kulisse - auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britische Premierminister Gordon Brown haben sich angekündigt - hat der Schalker Verteidiger Christian Pander auf der linken Außenbahn. "Er könnte uns helfen mit seiner Spielsicherheit und seiner Stärke bei den Standards", meinte Löw über den möglichen Debütanten. Auch für Ersatzkapitän Bernd Schneider, mit bisher 78 Länderspielen der einzige verbliebene Akteur mit mehr als 50 DFB-Einsätzen, ist es der erste Auftritt in England. 1996 beim Elfmeter-Sieg im EM-Halbfinale gegen die Gastgeber stand der Leverkusener noch als Fan in der Kurve: "Ich freue mich einfach auf dieses Spiel. Das ist für jeden etwas ganz Besonderes."

Die voraussichtliche Aufstellung:

Lehmann -Lahm, Mertesacker, Metzelder, Pander -Hilbert, Rolfes, Hitzlsperger -Schneider -Kießling, Kuranyi

Von Arne Richter und Jens Mende, dpa

Quelle: ntv.de

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