Darts-Weltmeister mit 17 Luke Littler schreibt Geschichte - und spricht vom ewigen Rekord
04.01.2025, 01:07 Uhr
"Alle 17 Jahre wird ein Star geboren", sagt Michael van Gerwen über den neuen Darts-Weltmeister Luke Littler.
(Foto: PDC/Kieran Cleeves)
Exakt 18 Tage vor seinem 18. Geburtstag gewinnt der "Prinz" gegen den "König": Luke Littler krönt sich im Alter von 17 Jahren zum jüngsten Darts-Weltmeister aller Zeiten. Das Finale gegen Michael van Gerwen wird mit einem 7:3-Sieg zur Machtdemonstration und zum Riesen-Medienereignis im Alexandra Palace.
Das Endspiel der Darts-WM 2007 wird gemeinhin als das größte Finale aller Zeiten beschrieben. Raymond van Barneveld besiegte Rekordchampion Phil Taylor dramatisch mit 7:6. Sportlich bleibt das Endspiel zwischen "Barney" und "The Power" auch nach dem WM-Finale 2025 weiter unerreicht. Das diesjährige Finale im Londoner Alexandra Palace hat keinerlei Dramatik und keinerlei Spannung zu bieten. Und dennoch schreibt der historische Triumph von Luke Littler die größte Geschichte, die der Dartsport je erlebt hat.
Der junge Engländer wird im Alter von 17 Jahren Weltmeister. "The Nuke" (Die Atomwaffe) setzt sich exakt 18 Tage vor seinem 18. Geburtstag auf den Darts-Olymp.
Wie groß das Interesse am "Prinz des Alexandra Palace" ist, wird an diesem kalten Januar-Abend im Londoner Norden schon bei Betreten der Darts-Kultstätte "Ally Pally" deutlich. Das Medieninteresse am WM-Finale zwischen Littler und Michael van Gerwen, den der TV-Sender "Sky Sports" als "König des Alexandra Palace" anpreist, sprengt alle denkbaren Darts-Dimensionen. Der Medienraum platzt aus allen Nähten. Um in die eigentliche Halle, die West Hall im Alexandra Palace, zu gelangen, werden gesonderte Armbänder an die anwesenden Journalisten verteilt. Nur wenige bekommen eines, weil der kleine Pressebereich neben der Darts-Bühne ansonsten schnell überfüllt wäre.
Das größte Spiel aller Zeiten - oder doch nicht?
Der Dartsport hat sein größtes Spiel. Und gleichzeitig auch wieder nicht. Mit dem Drumherum und dem medialen Interesse erreicht die Darts-WM zwar neue Sphären. Und die Partie ist sportlich durchaus hochklassig, wie so gut wie jedes Spiel mit Beteiligung von Luke Littler. Aber die Partie ist einseitig, wie so gut wie jedes Spiel mit Beteiligung von Luke Littler.
Und so kann ausgerechnet das WM-Finale die hohen Erwartungen in keiner Phase erfüllen. Für Michael van Gerwen ist schon der Start in die Partie ein Desaster. Zwar gewinnt der Niederländer im Backstage-Bereich das sogenannte Ausbullen, was darüber entscheidet, wer anfangen darf. Doch "MvG" kann den Vorteil im ersten Satz nicht ausnutzen. Vier Darts auf Doppel lässt der Weltmeister von 2014, 2017 und 2019 direkt im ersten Leg liegen, Littler holt sich unverhofft das Break. Es ist bereits die Vorentscheidung im ersten Durchgang und es sollte ein Vorbote für den weiteren Spielverlauf sein.
Littler ist bei eigenem Anwurf an diesem Abend kaum zu bändigen. So geht der erste Satz mit 3:1 an "The Nuke". Im zweiten Durchgang rast Littler in weniger als vier Minuten Spielzeit zum zweiten Satzgewinn. Auch die zweite Pause hilft van Gerwen nicht, Littler gewinnt die Sätze drei und vier jeweils mit 3:1 und schickt "MvG" mit einer Menge negativer Gedanken in die nächste Unterbrechung.
Finale wird für "MvG" zum Albtraum
Als der niederländische Superstar die Treppe zum Backstage-Bereich heruntergeht, wirkt er nachdenklich und für seine Verhältnisse bereits nah an der Resignation. Littler fliegt dagegen durch das Finale, ohne zu glänzen. 4:0 in den Sätzen, 12:3 in den Legs. Littler spielt das Traumfinale bis zu diesem Zeitpunkt mit traumwandlerischer Sicherheit. Für van Gerwen ist sein siebtes WM-Finale bis dato ein Albtraum.
Das ändert sich in der Folge nur kurzzeitig. Die Partie verläuft ab dem fünften Satz ausgeglichen. Blöd ist nur, dass das Finale schon längst entschieden ist. Van Gerwen schnappt sich seinen ersten Satz per spektakulärem Bull-Finish. Ein Hoffnungsschimmer. Aber nicht mehr als das. Im sechsten Satz ist es schon wieder Littler, der Michael van Gerwen einen mitgibt. Der Niederländer versucht alles, kämpft wie üblich, aber gegen den 17-jährigen "Wunderjungen", wie ihn "MvG" selbst getauft hat, kann selbst der zweiterfolgreichste Dartspieler nach Phil Taylor nichts ausrichten. Im Entscheidungsleg trifft Littler erneut sein Lieblingsdoppel 10 im ersten Versuch. Damit kommt "The Nuke" seinem ersten WM-Titel näher als je zuvor.
Auf den Tag genau vor einem Jahr hatte Littler in seinem ersten WM-Endspiel gegen Luke Humphries mit 4:2 geführt und einen Dart zur 5:2-Führung vergeben. Der Rest ist Geschichte. Littler gewann keinen einzigen Satz mehr, verlor das Finale mit 4:7.
Littler schafft es auf den Darts-Olymp
Doch so weit kommt es an diesem Freitagabend im "Ally Pally" nicht mehr. Van Gerwen verkürzt zwar noch auf 2:5, doch Littler hat auf jedes Lebenszeichen seines Gegners eine Antwort. Und was für eine. Der achte Satz geht zu null an den 17-jährigen Engländer. Littler deutet mit seinem Zeigefinger an: nur noch ein Satz. Nur noch ein Satz bis zum Darts-Olymp.
Zunächst verkürzt Michael van Gerwen noch auf 3:6. Aber am Ausgang der Partie ändert das nichts mehr. Jeder im Alexandra Palace weiß, dass es schon ein historisches Comeback des Niederländers bräuchte, um das Spiel noch zu drehen. Doch dazu kommt es nicht mehr. Littler lässt das nicht zu. Der zehnte Satz ist eine Machtdemonstration. Der dritte Matchdart auf Doppel 16 sitzt zum 7:3-Sieg, nachdem Littler ein episches 132er-Finish Sekunden zuvor noch verpasst hatte.
Als der entscheidende Dart zum Titel im Doppelfeld landet, hätte man sich fast mehr Emotionen vom 17-jährigen Darts-Wunderkind erhofft. Dafür hatte sich der Sieg am Ende aber wohl zu sehr abgezeichnet. Und Littler ist auch nicht der Typ dafür. In Interviews spricht der Engländer stets bedächtig und leise. Emotionen versucht er stets zu verbergen.
16 WM-Titel? "Kann ich möglicherweise erreichen"
Feuchte Augen hat Littler dann doch, als er zu seinen Eltern und seinen Freunden im Publikum guckt. Als er die Trophäe wenige Minuten später überreicht bekommt, auch. "Ich kann es nicht glauben", sagt Littler unter dem ohrenbetäubenden Lärm der 3200 Zuschauer im Alexandra Palace. "Nach dem 2:0 bin ich nervös geworden. Aber ich habe mir gesagt: einfach locker bleiben." Das hat wunderbar funktioniert.
Littler offenbart, dass er rund um die Mittagszeit am Finaltag sein verlorenes Endspiel aus dem Vorjahr bei Youtube geguckt hat. Das habe ihm dabei geholfen, diesmal den Titel ins Visier zu nehmen.
Mit seiner Darts-Krönung im minderjährigen Alter löst Littler ausgerechnet Michael van Gerwen als jüngsten Weltmeister der Geschichte ab. Der Niederländer hatte 2014 im Alter von 24 Jahren seinen ersten WM-Pokal in die Höhe gestemmt. Littler hat den Altersrekord jetzt pulverisiert. "Alle 17 Jahre wird ein Star geboren. Er ist einer davon", sagte Michael van Gerwen nach dem verlorenen Finale voller Hochachtung über seinen Bezwinger, der exakt 17 Jahre und 8 Monate jünger ist als er selbst.
Auf den ewigen Rekordhalter Phil Taylor mit seinen 16 WM-Titeln wurde Littler wenig überraschend auch noch angesprochen. "Vielleicht gewinne ich noch ein paar Weltmeisterschaften mehr", sagte der frischgebackene Champion auf der Pressekonferenz. "Wenn ich die 16 will, bin ich sicher, dass ich diese Marke möglicherweise erreichen kann."
Quelle: ntv.de