Sport

Dynastie oder Super-Bowl-Rache? Mahomes bricht die Regeln der NFL gegen perfiden Schmerz

Patrick Mahomes will mit seinen Kansas City Chiefs den Super Bowl gewinnen.

Patrick Mahomes will mit seinen Kansas City Chiefs den Super Bowl gewinnen.

(Foto: IMAGO/USA TODAY Network)

Leid, Vermächtnis, Rache: Die Kansas City Chiefs wollen im Super Bowl eine Dynastie begründen und pfeifen auf die Regeln der NFL. Dabei wird ihr Superstar Patrick Mahomes angetrieben von dunklen Gedanken. Helfen sie gegen die Offensiv-Maschine der San Francisco 49ers?

Ein sehr gutes viertes Viertel benötigte Patrick Mahomes, um die San Francisco abzufertigen. Damals, im Super Bowl. Vor vier Jahren. Im letzten Abschnitt drehte der Quarterback der Kansas City Chiefs auf, führte sein Team nach Rückstand zum 31:20-Comeback-Sieg - und machte nicht nur seinen ersten Meistertitel klar (den ersten seiner Franchise nach 50-jähriger Durststrecke), sondern auch den Traum von der ersten Trophäe der großen 49ers seit 1994 zunichte.

Während die 49ers am Sonntag wieder diesem Ziel nachjagen und sich nach Rache sehnen, ist Mahomes mittlerweile dabei, die Regeln der NFL zu brechen. Die ungeschriebenen, versteht sich. Seine Chiefs streben ihren dritten Super-Bowl-Sieg in fünf Jahren an und versuchen, eine Dynastie aufzubauen. Manche würden gar sagen: zu festigen. Weil sie schon besteht. Es ist die vierte Super-Bowl-Teilnahme der Chiefs in den vergangenen fünf Jahren.

So etwas soll eigentlich unmöglich sein in der US-amerikanischen Footballliga, die per System gegen die Dominanz und Langeweile etwa eines FC Bayern München in der Fußball-Bundesliga vorgeht. Die NFL setzt auf relative Gleichheit. Die schlechteste Mannschaft der Vorsaison bekommt den ersten Zugriff auf die Toptalente aus dem College im Draft. Seriensieger gibt es deshalb im American Football so gut wie nie. Selbst eine seltene Dynastie wie die der New England Patriots mit Quarterback-Superstar Tom Brady schaffte es nur ein einziges Mal, den Super Bowl zweimal nacheinander zu gewinnen. In den elf Jahren der Bayern-Meisterschaften in Folge seit 2013 gab es in der NFL sieben verschiedene Super-Bowl-Gewinner. Trotz Vermarktungsmaschinerie bis zum Abwinken in der durchkommerzialisiertesten Sportliga der Welt: So sieht Chancengleichheit aus. Eigentlich.

Chiefs brechen das Dynastie-Gesetz

Kansas City ist nun dabei, dieses Gesetz zu brechen und das Unmögliche möglich zu machen. So stark ist die Dominanz der vergangenen halben Dekade. Das Team plant, zum ersten Mal seit den Patriots in den Jahren 2003 und 2004 den Titel in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zu gewinnen. Eine weitere Meisterschaft und niemand mehr könnte den Chiefs die Dynastie absprechen.

Coach Andy Reid sagte auf einer Pressekonferenz am Dienstagvormittag (Ortszeit), dass lieber andere sich den Mund über das Thema Dynastie zerreißen sollen. Patrick Mahomes definierte eine solche bei einer Medienrunde im Anschluss auf Nachfrage von ntv.de wie folgt: "Du musst über Jahre konsequent erfolgreich spielen und immer gewinnen." Der Quarterback erklärte aber, er wolle seine Chiefs nicht als Dynastie bezeichnen, solange er noch aktiv ist. "Wenn ich irgendwann in Rente gehe, dann blicke ich auf das zurück, was wir geschafft haben und dann ist es vielleicht eine Dynastie."

Diese ist natürlich nur möglich, weil die Chiefs Patrick Mahomes in ihren eigenen Reihen wissen. Der Quarterback spielte die schlechteste reguläre Saison seiner Karriere, aber trumpfte in den Playoffs in bewährter Manier auf (elf Touchdowns und keine Interception, 70 Prozent der Pässe angebracht). Er zeigte allen, die es wagten, ihn in der Saison zu kritisieren, dass er - wie man in den USA sagt - "The Dude" ist.

Er ist der Typ, der es immer hinbiegt, besonders, wenn es drauf ankommt. Auch bei den Patriots um Brady war es oft so, dass sich das Team durch die Spielzeit mühte, um dann in der K.-o.-Phase aufzudrehen und am Ende oft als Sieger dazustehen.

Womöglich ist der Super Bowl in Las Vegas ein weiteres Spiel, in dem Mahomes seine Magie versprühen muss, denn sein Team hat nicht die Playmaker, die die 49ers haben (dazu unten mehr). Er ist es, der fast jeden Angriff kreieren - wenn nicht gerade Runningback Isiah Pacheco einen seiner patentierten, wütenden Laufen in den Rasen stampft - und verlängern muss.

Es hilft natürlich, dass Mahomes den vielleicht besten Tight End in der Ligageschichte in Travis Kelce an seiner Seite hat. Kelce riss genau wie sein Quarterback nach einer Stotter-Saison in den Playoffs das Ruder herum. Und auch wenn sich die 49ers ganz auf ihn konzentrieren könnten, damit die Chiefs höchstens auf einem anderen Weg gewinnen, ist der Partner von Pop-Ikone Taylor Swift nie komplett zu verteidigen ist, aufgrund der absurden Laufwege, die er immer wieder einschlägt.

Zusätzlich ist Chefcoach Andy Reid ein Zauberer an der Außenlinie und neben Lauf-Monster Pacheco, von dem erwartet wird, dass er gegen die schwache Laufverteidigung der 49ers zu einem der Entscheider am Sonntag wird, können die Chiefs in diesem Jahr auf eine herausragende Defensive bauen: Nur ein einziges Mal hat die Abwehr mehr als 24 Punkte zugelassen.

49ers und die offensiven Waffen

Dennoch sind die 49ers laut den Buchmachern in Las Vegas der Favorit. Dass sie zum insgesamt achten Mal im Super Bowl stehen, ist nach einer insgesamt starken regulären Saison keine Überraschung. Der diesjährige Erfolg stammt vor allem daher, dass die Kalifornier ein Team mit solch einem Waffenarsenal im Angriff besitzen, dass Mahomes allein beim Lesen der Aufstellung das Wasser im Mund zusammenlaufen dürfte.

Neben Brock Purdy, einem bereits in seinem zweiten Jahr hocheffizienten Quarterback, besitzt San Francisco mehrere talentierte Playmaker, wie sie die Chiefs eben nicht haben: Brandon Aiyuk, Deebo Samuel (der Wide Receiver sollte von seiner Schulterverletzung wieder erholt sein), George Kittle und Christian McCaffrey. Alle vier 49ers-Stars können aus dem Nichts für 15 oder 20 Yards auf dem Feld sorgen, eine Unachtsamkeit des Gegners und schon schlagen sie zu. Auch der hochgelobten Abwehr der Chiefs können sie ernsthafte Probleme bereiten.

Besonders Star-Runningback McCaffrey wird im Endspiel eine wichtige Rolle einnehmen. Er ist die vielleicht weltweit gefährlichste Football-Waffe abseits der Quarterbacks und gehörte zum engeren Kreis der Kandidaten für den MVP-Award in diesem Jahr, dem sonst fast immer nur Quarterbacks angehören.

Super Bowl live bei RTL

Am 11. Februar ist es so weit, das Mega-Spektakel des Jahres findet statt: der Super Bowl. RTL und RTL+ übertragen das Spiel zwischen den Kansas City Chiefs und den San Francisco 49ers sowie die Halbzeitshow mit Megastar Usher.

Der Kick-off erfolgt nach mitteleuropäischer Zeit in der Nacht von Sonntag auf Montag um 0:30 Uhr. Bereits ab 23.15 Uhr startet die Übertragung.

Mit dieser starken Offensive und einer mehr als fähigen Defensive werden die 49ers versuchen, sich für die Super Bowl-Niederlage von 2020 zu revanchieren, mit dem sechsten Titel der Franchise den Rekord der Patriots und der Pittsburgh Steelers einzustellen - und natürlich die alten Regeln und Gesetze der NFL wiederherzustellen. Die 49ers wollen für Gerechtigkeit sorgen und dem Rest der Liga eine echte Dynastie der Chiefs zumindest vorerst vom Leib halten.

Schmerz treibt Mahomes an

Blöde nur, dass auf der anderen Seite dieser Patrick Mahomes wartet. Der Dude. Die schier unbesiegbare Maschine. Der ewig Titelhungrige. Ähnlich wie bei Tom Brady ist es in quasi jedem Spiel nicht unwahrscheinlich, dass er den Quarterback auf der gegnerischen Seite übertrumpft - und, so sieht es im American Football nun mal aus, das ist in einer einzelnen Partie mehr als die halbe Miete.

Mahomes ist auf einer Mission, angetrieben durchaus von düsteren Gedanken. Er hasst das Verlieren noch mehr, als er einen Sieg liebt. "Ich habe einen Super Bowl verloren und weiß, wie sehr das schmerzt", sagt er in einer Medienrunde am Montag bei der Eröffnungsfeier im Allegiant Stadium in Las Vegas. Dieses Leid, dieses Elend will er nie wieder fühlen müssen: "Wenn man verliert und in der Umkleidekabine sitzt und das Gefühl hat, dass man so nah dran war und es nicht geschafft hat", das sei das schlimmste. "Ich bin fast noch süchtiger danach, dieses Gefühl zu vermeiden, als die Trophäe zu heben."

Nun giert der Spielmacher darauf, diesem Schmerz eine schallende Ohrfeige zu verpassen, die 49ers erneut zu besiegen - und sein Erbe langsam, aber sicher auf Brady-Größe anwachsen zu lassen. Auf die Gesetze der NFL pfeift er dabei nur zu gerne.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen