Erst totgesagt, dann unsterblich Mahomes' eiskalte Warnung versetzt NFL in Schockstarre
12.02.2024, 12:06 Uhr
Totgesagte leben länger: Riecht nach Klischee, doch nachdem Patrick Mahomes und seine Chiefs in der NFL-Saison abgeschrieben werden, feuern sie nach dem Super-Bowl-Triumph zurück. Der Quarterback nimmt es mit Tom Brady auf - und spricht eine Warnung aus, die es in sich hat.
"Wir sind noch nicht fertig", sagt Patrick Mahomes nach diesem Thriller. Ohne überhaupt Luft geholt zu haben. "Wir haben ein junges Team und werden die Sache weiter vorantreiben. Das ist alles sagenhaft." Der frisch gebackene Super-Bowl-Champion spricht nach dem 25:22-Triumph nach Verlängerung über die San Francisco 49ers in seinem ersten Interview, am Mikrofon des TV-Senders CBS noch auf dem Rasen, eine eiskalte Warnung an den Rest der Liga aus. Zwar haben die Kansas City Chiefs gerade zum ersten Mal seit den New England Patriots im Jahr 2005 eine NFL-Meisterschaft verteidigt, aber der 28-Jährige will mehr. Die Liga tut gut daran, den fast schon Unsterblichen beim Wort zu nehmen und sich zu fürchten.
Bei der Verleihung der Lombardi Trophy nach dem Spiel schlägt Travis Kelce ähnliche Töne an. Nachdem der Tight End gemeinsam mit der Menge den Elvis-Song "Viva Las Vegas" anstimmt, blickt er auf das, was als Nächstes ansteht: der dritte Titel in Folge. "Wissen Sie, das Ziel war immer, den dritten [Titel] zu gewinnen, aber wir konnten das nicht tun, ohne den zweiten zu holen." Seine Freundin Taylor Swift jubelt unten auf dem Feld zusammen mit den Chiefs-Fans auf den Tribünen.
Mahomes fügt auf der Tribüne zu, dass der Super Bowl die gesamte Saison von Kansas City widerspiegelt. "Es war die Defense, die uns im Spiel gehalten hat, und dann die Offense, die ihre Spielzüge gemacht hat, als es darauf ankam", sagte er. "Und dann natürlich Harrison Butker, der aus einer Entfernung von etwa 70 Metern getroffen hat. Es war also ein Mikrokosmos für unsere gesamte Saison."
Wer soll diese Chiefs noch stoppen?
Aber einen setzt der Quarterback noch drauf: "Die Kansas City Chiefs sind niemals Außenseiter. Merkt euch das jetzt." Damit zielt er auf die Kritiker und Buchmacher ab, die die San Francisco 49ers in der Favoritenrolle gesehen haben. Schließlich spielt Mahomes die schlechteste reguläre Spielzeit seiner Karriere, erstmals muss er sich einiges an Kritik anhören. Von manchen wird er für dieses Jahr, in dem die Chiefs-Dynastie eigentlich ein paar Risse zu bekommen schien und Kelce erste Spuren seines Alterungsprozesses zeigt, schon totgesagt.
Aber Mahomes hat seine Kritiker gelehrt: Wette niemals gegen den Quarterback von Kansas City. Er räumte sie alle aus dem Weg, die Quarterbacks, die nach seiner Krone greifen: Tua Tagovailoa und die Miami Dolphins, Josh Allen und die Buffalo Bills, MVP Lamar Jackson und die Baltimore Ravens - und Brock Purdy und seine 49ers. Eigentlich darf Mahomes diesen Super Bowl niemals gewinnen. In den ersten drei Vierteln gelingt ihm gegen die bärenstarke Defensive der Kalifornier überhaupt nichts. Aber dann zaubert er einen letzten Drive der Extraklasse hin. Wenn selbst die an diesem Abend in Vegas wirklich nicht guten Chiefs triumphieren, wer soll sie dann in den kommenden Jahren stoppen?
Es sind aber nicht nur Mahomes' Siege, die ihn langsam, aber sicher in die Unsterblichkeit heben, er hat auch einen Fußabdruck hinterlassen wie wenige vor ihm. Auf der NFL, auf seinem Team, auf seiner Stadt. Als die Chiefs im vergangenen November nach Frankfurt kamen, stürzten sich die Massen auf die Tickets. 2017 hätte das noch ganz anders ausgesehen. Nun ist die Nummer 15 der Grund, warum alle die Mannschaft aus Kansas City sehen wollen, eine Stadt, die nicht zu einem der großen Märkte an der Ost- oder Westküste gehört und auch keine ruhmreiche Vergangenheit wie die Dallas Cowboys oder die Pittsburgh Steelers hat.
Mahomes und "Magie im rechten Arm"
Mahomes ist der X-Faktor, Mahomes ist der Publikumsmagnet - weil seine locker-coole Art die Menschen begeistert und weil er herausragende Bälle wirft, die Fans mitreißen. Wie im letzten Drive, der Kansas City den Titel in Vegas sicherte. Der Quarterback spielt einen freien Football-Stil, den man noch vor zehn Jahren beinahe nie sah: Bei dem er oft außerhalb der Pocket spielt, aus geplanten Spielzügen ausbricht, auf seinen Beinen Yards holt und alle möglichen Würfe in (oft nach hinten fallender) Bewegung macht, die aussehen, als wären sie direkt aus einem Videospiel. Auch wenn er natürlich die vielen fundamentalen Sachen genauso beherrscht, er macht Dinge, die ein Quarterback vor ihm noch nie gemacht hat. Selbst, wenn er quasi ein ganzes Spiel lang überhaupt nichts reißt.
In Las Vegas ist es beeindruckend zu beobachten, wie der Quarterback wie vor vier Jahren im Super Bowl (ebenfalls gegen die 49ers) Comeback-Qualitäten beweist. Wie er hungrig bleibt. Wie er immer noch nicht genug hat. Wie er niemals kleinzukriegen ist, wenngleich er eigentlich schon am Boden liegt. "Ich schätze, dass ich es zu diesem Zeitpunkt als selbstverständlich ansehe", sagt Kelce nach dem Overtime-Thriller in den Katakomben, "aber ich weiß, dass in jedem einzelnen Spiel, egal, wie der Spielstand ist, egal, wie viel Zeit noch übrig ist, dieser Kerl diese Magie in seinem rechten Arm hat".
Jene Mahomes-Magie sorgt dafür, dass "dieser Kerl" nun nicht nur der erste Quarterback ist, der vor seinem 29. Lebensjahr in seinem vierten Super Bowl startet, sondern auch seinen dritten gewinnt. In seinen ersten sechs Spielzeiten als NFL-Starter hat Mahomes mehr Playoff-Siege und AFC-Titel errungen als ein gewisser Tom Brady. Mit dem Sieg gegen die 49ers zieht er mit der Patriots-Legende bei den Super-Bowl-Titeln in dieser Phase der Karriere gleich, und hat zusätzlich bereits zwei MVP-Auszeichnungen auf dem Konto (Brady hat in seiner unglaublichen 23-jährigen Karriere nur drei gewonnen).
Messi und Ronaldo, Mahomes und Brady
Wofür Brady lange stand, schwingt nun auch bei Mahomes mit: Es ist ein Gefühl der Unbesiegbarkeit, der Unvermeidbarkeit, wenn man ihn spielen sieht. Die Chiefs liegen gegen die 49ers lange hinten, doch jeder im Stadion ahnt: Da kommt noch was. Die Nummer 15 hat noch einen Pfeil im Köcher. Solange das Spiel nicht abgepfiffen war, wusste in den vergangenen zwei Dekaden jeder, dass Brady noch ein Comeback auf den Rasen zaubern könnte. Das macht den Besten der Besten aus. Das Gleiche gilt nun für Patrick Mahomes.
Zwar kann Brady insgesamt sieben Ringe vorweisen, doch Mahomes öffnet mit dem erneuten Triumph die Tür zur Unsterblichkeit. Er hat nicht nur die meisten Passing-Yards pro Spiel in der NFL-Geschichte. Auch die Bestmarke für die meisten Touchdown-Pässe (11) in einer einzigen Postseason gehört dem Chiefs-Spielmacher. Glaubt man seiner Warnung, werden noch einige Rekorde folgen.
Messi oder Ronaldo? Genauso wie diese ewige Fußball-Debatte, sind die Diskussion um den "GOAT", den "Greatest of all Time", also den Größten aller Zeiten, im Football so verbreitet wie ausgelutscht. Nach dem Sieg der Chiefs im Super Bowl in Las Vegas und den Warnungen von Mahomes und Kelce, darf sich die NFL fürchten - und Tom Brady freuen, dass er in seiner Suite der Unsterblichen bald nicht mehr so einsam ist.
Quelle: ntv.de