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Abgestürzter Ex-Weltmeister Urplötzlich fliegt Eisenbichler seiner Horrorsaison davon

Markus Eisenbichler hat seine Form zum Ende der Saison wiedergefunden.

Markus Eisenbichler hat seine Form zum Ende der Saison wiedergefunden.

(Foto: IMAGO/Newspix)

Diese Saison wird Markus Eisenbichler ganz schnell vergessen wollen. Lange will gar nichts zusammenlaufen, nicht mal im Continental Cup, der zweiten Liga der Skispringer. Doch kurz vor dem Saisonende findet "Eisei" seine Form und bekommt vielleicht zumindest ein Happy End.

Markus Eisenbichler war zufrieden. Ein Gefühl, das sich in dieser Saison nur selten, sehr selten einstellen wollte. Im finnischen Lathi feierte der abgestürzte deutsche Skisprung-Star an diesem Wochenende eine kleine große Auferstehung, die ihm womöglich doch noch ein schönes Ende eines fürchterlichen Winters beschert. Auf der traditionsreichen Schanze ganz hoch im Norden sammelte "Eisei" reichlich Argumente, um zum Abschluss doch noch einmal ins Weltcup-Team aufzurücken. Der 32-Jährige wurde zum Auftakt des Wochenendes Zweiter, den zweiten Wettkampf gewann er.

Wie gut ihm diese Erfolge tun, das offenbarte er via Instagram nur in einer winzig kleinen Dosis: "Ich bin sehr glücklich mit dem Wochenende in Lathi", schrieb er. Für einen sonst so emotionalen Typen wie Eisenbichler, der euphorisch im Triumph und gnadenlos in der Selbstkritik ist, war das doch überraschend nüchtern und kühl. Aber vielleicht tut der einstige Superadler auch gut daran, die sich nun fügenden Dinge mit Demut zu begleiten. Denn noch vor wenigen Wochen war er viel näher an der endgültigen Versenkung als an einem Aufstieg zurück in die erste Liga des Skispringens.

Den könnte es für den sechsmaligen Weltmeister in Planica geben, wenn sich die Besten der Welt in knapp zwei Wochen zum alljährlichen Ausklang noch einmal auf dem Monsterbakken beim Skifliegen duellieren. Eisenbichler selbst hat auf der riesigen Flugschanze in den Julischen Alpen große Momente erlebt und sich dort zuletzt (auf der kleineren Schanze) neues Selbstvertrauen geholt. Zwei Wochen nach seinem Sieg in Iron Mountain, dem Wendepunkt zum Guten, belegte er in Planica die Ränge fünf und acht. Seine Highlights an diesem magischen Ort hatte er aber 2017 und 2019, als er mit 248 Metern den weiter gültigen deutschen Rekord aufgestellt.

"Während der Raw Air dürfen wir nicht auswechseln"

Während sein A-Kader um Olympiasieger Andreas Wellinger nach starkem Saisonstart derzeit ausnahmslos auf Formsuche ist, kommt "Eisei" stark in Schwung. "Skifliegen taugt ihm. Die Technik funktioniert offensichtlich. Im Continental Cup gewinnst du nicht einfach so Wettkämpfe. Es sieht alles gut aus. Deswegen hoffe ich natürlich, dass er nochmal die Möglichkeit bekommt, die schwierige Saison positiv abzuschließen", sagt Sven Hannawald, Deutschlands Skisprung-Legende, der Deutschen Presse-Agentur.

"Definitiv" sei Eisenbichlers Einsatz in Planica eine Option, bekannte auch Bundestrainer Stefan Horngacher am Sonntag in der ARD, "während der Raw Air dürfen wir ja leider nicht auswechseln." Für Eisenbichler freue er sich sehr: "Gott sei Dank zeigt er wieder gute Sprünge." Das gilt seit Wochen nicht mehr für die rätselhaft schwachen Routiniers Karl Geiger und Stephan Leyhe, die mögliche Streichkandidaten sind.

Nicht immer war der Bundestrainer in dieser Saison gut auf seinen hart abgerauschten einstigen Top-Mann zu sprechen gewesen. In Engelberg, dem letzten Springen vor der Vierschanzentournee, knöpfte sich der Österreicher den 32-Jährigen Mitte Dezember überraschend deutlich vor. "Dass er so überhaupt nichts zusammenbringt, ist für mich unverständlich", sagte Horngacher. "Er überspielt oft viele Dinge. Wir müssen mal reden, wo die Reise hingeht. Leistung zählt, das ist einfach so. Es ist egal, wie viele Medaillen du zu Hause hängen hast." Horngacher stellte dem Routinier damals keine Rückkehr in Aussicht, auch öffentliche Aufmunterung suchte man vergeblich.

"Er kackt im Wettkampf ab"

Und auch von Hannawald gab es keine Milde im Urteil: "Ich verstehe von außen wirklich nicht, wo das Problem ist und warum er sich so selbst demontiert. Er kackt im Wettkampf ab. Das sind persönliche Dinge, bei denen man von außen viele Fragezeichen hat", hatte er der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Ein paar Tage später legte Hannawald gegenüber sportschau.de wortreich nach: Es sei schwierig, Eisenbichler "vom richtigen Weg zu überzeugen. Weil er immer denkt, nur er selbst ist auf dem richtigen Weg. Für Markus gilt, entweder aufzuwachen oder beim eigenen Weg zu bleiben. Dann wird aber das Karriereende relativ nah sein."

Für Hannawald kam die massive Formschwäche trotz Schwankungen im vergangenen Winter eher überraschend: "Ich habe ihn bei einem der letzten Herbst-Lehrgänge gesehen. Was ich da gesehen habe, war super. Ich habe auch viele Fragezeichen. Er dreht sich im Kreis und steht sich auf den Füßen. Die Trainer haben für ihn alles getan." Für Horngacher war der Absturz die Folge diverser Schwierigkeiten. "Er hat im Sommer ein bisschen zu viele Probleme gehabt: Mit seinem Knie, er war immer wieder verletzt, auch mit seiner Ausbildung. Davon haben wir ihm auch abgeraten, das muss auch nicht unbedingt sein. Das wollte er unbedingt durchziehen." Der Ur-Bayer habe sich ein paar Freiheiten herausgenommen. "Wahrscheinlich hat er auch ein paar Fehler gemacht", stellte Horngacher kritisch fest.

Der Sportler zog im Sommer parallel zur Vorbereitung seine Aufstiegsausbildung in den gehobenen Dienst der Bundespolizei durch. Direkt im Anschluss an die Wintersaison sei Eisenbichler mit seinen Mitschülern "in einen intensiven und anspruchsvollen viermonatigen Theorieblock" eingestiegen, schreibt die Bundespolizeisportschule Bad Endorf in einer Mitteilung. "Danach absolvierten sie ihre Praktika in verschiedenen Bundespolizeidienststellen." Erst Ende September endete die Ausbildung mit theoretischen Prüfungen.

Absoluter Tiefpunkt in Garmisch-Partenkirchen

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Den absoluten Tiefpunkt der Saison hatte Eisenbichler Anfang Januar erreicht, am Drei-Königs-Tag, als seine Teamkollegen bei der Vierschanzentournee sprangen. In Garmisch-Partenkirchen war er 47. geworden. Von 52 Teilnehmern. Auf der großen Olympiaschanze, auf der fünf Tage zuvor das Neujahrsspringen stattgefunden hatte, war der Wettbewerb für Eisenbichler nach einem Sprung auf 113 Meter schon nach einem Durchgang beendet. Vor zwei Jahren war der Bayer beim Tourneespringen an gleicher Stelle noch Zweiter geworden. Im zweiten Springen lief es danach nur wenig besser, diesmal verpasste Eisenbichler als 32. den zweiten Durchgang lediglich deutlich knapper. Manche sprachen schon offen von einem nahenden Karriereende des frustrierten Athleten. "Ich persönlich hatte keine Angst, dass er aufhört. Markus ist ein Vollblutsportler, solche Leute geben nicht so schnell auf. Natürlich war er enttäuscht, es war einer seiner schwierigsten Winter überhaupt", sagte Sportdirektor Horst Hüttel.

Die dunklen Tage scheinen nun vergessen. Planica lockt. Und dann? Mit 32 ist Eisenbichler einer der älteren Generationen im deutschen Team. Doch weil nur wenig Nachwuchs nach oben drängt, hoffen sie beim Deutschen Skiverband auf weitere Jahre mit ihm. "Wir haben zwei tolle Höhepunkte mit Trondheim und Olympia vor uns. Ich habe das Gefühl, dass er nach wie vor Lust und Spaß an der Sache hat", sagte Hüttel mit Blick auf die WM 2025 und die Winterspiele ein Jahr später.

Quelle: ntv.de, tno/dpa

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