"Größte Vertuschung der Sportgeschichte?" Murray empört über Fuentes-Prozess
01.05.2013, 17:54 Uhr
Die meisten der mehr als 200 sichergestellten Blutbeutel aus dem Fuentes-Labor konnten noch nicht zugeordnet werden. Nun wurde ihre Vernichtung angeordnet.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Die Sportwelt begrüßt das Urteil gegen Dopingarzt Eufemiano Fuentes, attackiert aber Spaniens Justiz für die geplante Vernichtung von Beweismitteln. Tennisprofi Andy Murray fürchtet eine bewusste Vertuschung. Die Welt-Anti-Doping-Agentur prüft einen Einspruch.
Nach dem Urteil gegen Dopingarzt Eufemiano Fuentes hat der schottische Tennisprofi Andy Murray den spanischen Behörden eine bewusste Blindheit bei der Aufklärung der "Operacion Puerto" vorgeworfen. Es stelle sich die Frage, ob Spanien für die "größte Vertuschung der Sportgeschichte" gesorgt habe, sagte die Nr. 3 der Tenniswelt. Den Prozess in Madrid bezeichnete er via Twitter als "Witz".
Die zuständige Richterin Julia Patricia Santamaría hatte in ihrem Urteil am Dienstag unter anderem verfügt, dass der Großteil der mehr als 200 bei Fuentes sichergestellten Blutbeutel vernichtet werden muss und nicht den Sportinstanzen für weitere Ermittlungen übergeben werden darf. Sie begründete ihre Entscheidung damit, die in der Verfassung garantierten Grundrechte der Sportler müssten geachtet werden. "Warum sollte das Gericht die Zerstörung der Blutbeutel anordnen? Vertuschung", twitterte Murray. Erst unlängst hatte er für den Tennissport bessere Dopingkontrollen angemahnt.
Der deutsche Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke nannte das Urteil zwar ein "Novum" und zeigte sich "beeindruckt". Er begründete dies aber damit, dass es angesichts der Haftstrafe "vergleichbare deutsche Rechtssprüche" übertreffe. Die Hoffnung, dass mit dem Dopingprozess gegen Fuentes auch seine Kundenliste öffentlich werden würde, hat sich mit Schuldspruch in Madrid vorerst zerschlagen.
Haftstrafe und Beweisvernichtung
Der Mediziner wurde zwar zu einer Haftstrafe, einem vierjährigen Berufsverbot und einer Geldbuße verurteilt. Wer sich von Fuentes neben den bereits bekannten Sportlern wie Jan Ullrich noch beim Doping mit Eigenblut helfen ließ, bleibt unaufgeklärt.
Bei seiner Vernehmung sagte Fuentes zwar aus, dass er neben Radsportlern auch Fußballer, Tennisspieler und Boxer behandelt habe. Er bot sogar die Herausgabe der Liste seiner Kunden an, um einen Schuldspruch abzuwenden. Die Richterin wollte davon im laufenden Verfahren aber nichts wissen. Vielmehr verzichtete sie darauf, den Mediziner zur Herausgabe von Namen aufzufordern. Schon vor dem Urteil hatte Santamaria entschieden, dass die Justiz die Daten aus dem persönlichen Computer des Mediziners nicht preisgeben wird.
Wada erwägt Einspruch
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) erwägt nach den Urteilen im Fuentes-Prozess und der angekündigten Vernichtung der meisten Fuentes-Blutbeutel einen Einspruch. Eine sportrechtliche Verfolgung möglicher Dopingsünder vor allem aus dem Radsport wäre ohne die Blutbeutel nicht mehr möglich.
Wada-Generaldirektor David Howman nannte die geplante Zerstörung der Blutbeutel in einer Stellungnahme "besonders enttäuschend und unbefriedigend für die gesamte Anti-Doping-Gemeinschaft". Der mögliche Zugang zu den Beuteln sei der Grund für die Wada gewesen, in dem Verfahren als Nebenkläger aufzutreten. Howman erklärte ferner, die Agentur und ihre spanischen Rechtsberater prüften mögliche Schritte. Die Einspruchsfrist endet am 17. Mai, bis dahin wolle sich die Wada nicht mehr zu ihrem weiteren Vorgehen äußern.
Auch Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), hatte die Fuentes-Verurteilung begrüßt, den Umgang der Justiz mit den Beweisen aber scharf kritisiert. Es sei "nicht hinnehmbar", dass wertvolle Beweise vernichtet werden sollen.
Quelle: ntv.de, cwo/dpa