Sport

Garmisch-Partenkirchen hat die Wahl NOlympia gegen OlympiJA

Ein Wallpaper der Münchner Bewerbergesellschaft, erhältlich unter www.muenchen2018.org.

Ein Wallpaper der Münchner Bewerbergesellschaft, erhältlich unter www.muenchen2018.org.

(Foto: www.muenchen2018.org)

Vergeben werden die Olympischen Winterspiele 2018 erst am 6. Juli. Für München könnte sich aber schon am Sonntag entscheiden, ob die millionenteure Bewerbung vorzeitig scheitert. Dann stimmen die Bürger von Garmisch-Partenkirchen darüber ab, ob sie die Olympischen Spiele wollen oder nicht. Die Frage spaltet die Gemeinde.

Theoretisch ist es ganz einfach: Drei Kreuze, schon ist die Sache entschieden. Für Olympia 2018 in Garmisch-Partenkirchen, oder dagegen. Denn darum geht es, wenn am Sonntag 21.000 Stimmberechtigte in der rund 26.000 Einwohner zählenden Marktgemeinde zum Bürgerentscheid aufgerufen sind. Gegen 19.30 Uhr soll feststehen, ob die Münchner Bewerber um die Winterspiele 2018 ein Problem weniger haben - oder ob sie im Dreikampf mit dem südkoreanischen Pyeongchang und dem französischen Annecy schon vor der IOC-Entscheidung am 6. Juli die Segel streichen müssen. Spielt Garmisch-Partenkirchen nicht mit, wird es auch in München keine Winterspiele geben.

Praktisch ist das Verfahren der Entscheidungsfindung durchaus kompliziert. Gleich drei Fragen sind auf dem Wahlzettel mit "Ja" oder "Nein" zu beantworten. Bürgerentscheid 1 ("Ja zu Olympia 2018") ist von den Befürwortern beantragt worden - aber nur, weil die Olympia-Gegner zuvor Bürgerentscheid 2 ("Gegen den Ausverkauf der Heimat") durchgesetzt hatten. Hinzu kommt ein Bürgerentscheid 3 ("Stichfrage") für den Fall, dass die Bürgerentscheide 1 und 2 jeweils die erforderliche Anzahl von Stimmen erhalten. Erfolgreich ist ein Bürgerentscheid, wenn mindestens 20 Prozent, also 4200 der 21.000 Wahlberechtigten mit "Ja" stimmen und er darüber hinaus mehr Ja- als Nein-Stimmen erhält.

Stimmzettel für den Bürgerentscheid in Garmisch-Partenkirchen.

Stimmzettel für den Bürgerentscheid in Garmisch-Partenkirchen.

So verwirrend der Wahlzettel ist, so groß ist das Interesse am Bürgerentscheid. Gleich 5880 Wahlberechtigte haben vorab die Briefwahlunterlagen beantragt. Sie wollen sich aktiv an der Beantwortung einer Streitfrage entscheiden, die Garmisch-Partenkirchen in den vergangenen Monaten tief gespalten und Gräben aufgeworfen hat, die sich auch nach dem Bürgerentscheid nicht ohne Weiteres zuschütten lassen werden. Beide Lager reklamieren für sich, nur das Wohl der Gemeinde im Blick zu haben und im Recht zu sein. Entsprechend scharf ist der Ton der Überzeugungstäter.

"Ich bin angespannt"

im Endspurt des Wahlkampfs haben beide Seiten noch einmal versucht, ihre Anhänger zu mobilisieren. Wie es ausgehen wird, ist völlig ungewiss, über die Stimmung vor Ort mag niemand etwas sagen. Offensichtlich aber ist, dass die lange Zeit so siegessicher auftretenden Olympia-Befürworter inzwischen deutlich leisere Töne anschlagen. "Ich bin angespannt", sagt Christian Neureuther, früherer Ski-Rennläufer und gemeinsam mit Gattin Rosi Mittermaier Vorkämpfer des Vereins "OlympiJA". Siegessicher ist auch Heinz Mohr nicht mehr: Der Leiter des Olympiastützpunkts befürchtet vielmehr, dass die Befürworter am Ort nicht zur Wahl gehen, "weil's glaub'n, des wird scho' werd'n". Die Olympia-Gegner hält Mohr nur für eine kleine, aber lautstarke Gruppe.

Es ist eine bekannte Taktik der Olympiafreunde, für sich öffentlich immer wieder die Stimmenmehrheit zu reklamieren. Besonders vorbildlich agiert hier Präsident Thomas Bach vom Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB), gleichzeitig IOC-Vizepräsident mit Ambitionen auf mehr. Er wiederholte kurz vor der Entscheidung am Sonntag, was er immer sagt: "Ich gehe davon aus, dass die schweigende Mehrheit eine sprechende Mehrheit wird."

Axel Doering ficht das nicht an. Der 64-jährige Förster ist Mitinitiator des Bürgerbegehrens und das Gesicht des Netzwerks "Nolympia", das die Winterspiele 2018 in Garmisch-Partenkirchen verhindern will und dazu online eine Fülle von Materialien und Argumenten zusammengetragen und auch die Bürgerbefragung durchgesetzt hat - gegen den Willen der Politik- und Sportfunktionäre, obwohl die doch die Mehrheit hinter sich sehen.

Gegen den "Ausverkauf der Heimat"

Hartnäckig: Die Olympia-Gegner artikulieren ihren Protest lautstark und fundiert.

Hartnäckig: Die Olympia-Gegner artikulieren ihren Protest lautstark und fundiert.

(Foto: dpa)

In den Entscheid am Sonntag geht Doering optimistisch. "Ich mache ein Bürgerbegehren nicht, um zu verlieren", sagt er und tippt auf einen Sieg mit "52 Prozent", die für seine Seite ein grandioser Erfolg wären. Für die Olympia-Macher wäre ein knapper Erfolg dagegen kein Anlass zum Jubeln, schon eine Zustimmung von 35 Prozent für die Gegner würde das IOC als klares Misstrauensvotum werten, schreibt die "Badische Zeitung". Doering sieht das auch so: "Das IOC mag nichts weniger, als dass es irgendwo nicht wohlgelitten ist." Er und seine Mitstreiter wollen mit ihrem Bürgerentscheid den "Ausverkauf der Heimat" verhindern, ihr Motto lautet: "Nein zu Olympia 2018 ist ein Ja für Garmisch-Partenkirchen".

Die Gegner sind überzeugt, dass die Olympischen Winterspiele für Garmisch-Partenkirchen zu groß sind und zu teuer. Kein Geschenk, das der Gemeinde den Weg in eine strahlende Zukunft weisen wird. Sondern eher eine Büchse der Pandora, die Garmisch-Partenkirchen ruinieren könnte. Um überhaupt eine Chance auf den Zuschlag zu haben, müssen die Bewerber zahlreichen Garantien und Bürgschaften für das IOC zustimmen, im Fall von München nicht weniger als 100 Garantien. Zentral ist das Versprechen, eventuelle Defizite nicht dem IOC aufzubürden, sondern dem deutschen Steuerzahler.

Umstrittener Host-City-Vertrag

Im so genannten Host-City-Vertrag, den die Gegner prüfen lassen wollen, sichert sich das IOC alle Rechte und überlässt den Austragungsorten und Nationalen Durchführungsgesellschaft die Pflichten. Zustimmen müssen die Bewerber dem umstrittenen Vertragswerk schon, bevor sie es überhaupt kennen. Salzburg ließ den Vertrag anlässlich der gescheiterten Bewerbung für die Winterspiele 2014 von Juristen begutachten. Sie kamen zu dem Schluss: der Vertrag ist sittenwidrig. Salzburg bewarb sich trotzdem - und verlor.

Selbst Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) nannte die vom IOC diktierte Verteilung von Kosten und Erträgen, Rechten und Pflichten, Chancen und Risiken im Herbst 2009 "eine Zumutung". Für Olympia ist er trotzdem. Er träumt gemeinsam mit Chef-Olympionike Bach, Olympia-Gesicht Katarina Witt und Kanzlerin Angela Merkel den ganz großen Traum. Er will zum zweiten Mal nach den Sommerspielen 1972 Olympia nach München holen. Es wäre ein Novum in der olympischen Geschichte, und bei den internationalen Werbeterminen hat München zuletzt punkten können.

Die Bewerber um Münchens Oberbürgermeister Christian Ude.

Die Bewerber um Münchens Oberbürgermeister Christian Ude.

(Foto: dapd)

Nur national haben sich Aufregung und Widerstand der lange belächelten Olympiagegner einfach nicht gelegt. Der Bürgerentscheid in Garmisch-Partenkirchen - zwei Tage vor Veröffentlichung der offiziellen IOC-Evaluierungsberichte am Dienstag - ist der Gipfel des Protests, und er könnte die 33 Millionen Euro teure Bewerbung kippen, auch wenn Bewerbungschef Bernhard Schwank beschwichtigt: "Es wäre nicht das Aus, aber es wäre nicht gut für die Bewerbung."

Doch auch Schwank weiß, was Ude sogar offen ausspricht: "Es wäre ein richtig schlimmer Rückschlag, fast ein Verlust des sicheren Bodens unter den Füßen."

Quelle: ntv.de, mit dpa und sid

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen