"Hammerhart durchgreifen" Naldo als Treter nicht belangbar
17.09.2007, 15:33 UhrDie Schiedsrichter-Gilde in der Fußball-Bundesliga schlägt Alarm: "Es muss Schluss sein mit lustig. Die Spieler, die hinter dem Rücken des Schiedsrichters zuschlagen oder sich regelwidrig verhalten, müssen rigoroser bestraft werden", sagte Bundesliga- und FIFA-Referee Herbert Fandel und forderte: "Wir müssen hammerhart durchgreifen. Bei einigen helfen wohl nur Platzverweise und Sperren."
Unterstützung erhielt Fandel auch von Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß. "Dass da etwas im Argen liegt, zeigt die jüngste Entwicklung. Der Vorwurf geht klar an die Spieler", erklärte Hoeneß und nahm die Vereine in die Pflicht: "Wir tun gut daran, auf die Spieler einzuwirken, damit das Ganze nicht aus dem Ruder läuft."
Am fünften Spieltag war es zu diversen Unsportlichkeiten und Unbeherrschtheiten gekommen, es herrschte Bundesliga brutal. Die geplante Offensive hat Fandel, der Berufspianist aus Kyllburg, eng mit Volker Roth, dem Vorsitzender des Schiedsrichterausschusses des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), abgestimmt. Auch Roth hat die beunruhigende Entwicklung wahrgenommen. "Die Gesundheit der Spieler ist das oberste Gut, was wir schützen müssen", sagte der Unternehmer aus Salzgitter dem "kicker".
Roth wird am 9. Oktober die Erst- und Zweitliga-Schiedsrichter bei einem Lehrgang mit einigen Aktionen der noch jungen Saison konfrontieren und sie weiter sensibilisieren. Der Termin steht schon seit längerem fest, allerdings erwartet Fandel, dass die jüngste Negativ-Entwicklung im Mittelpunkt des Treffens stehen wird.
Anlass für die harsche Kritik Fandels am rücksichtslosen Verhalten einiger Bundesligaprofis sind nicht zuletzt die brutalen Aktionen des vergangenen Spieltages. Der Bremer Naldo hatte bei der Niederlage seiner Elf in Dortmund (0:3) den am Boden liegenden Borussen Jakub Blaszczykowski nach einem Zweikampf auf den Rücken getreten. Der Frankfurter Albert Streit hatte seinem Hamburger Gegenspieler Thimothee Atouba beim Sieg der Hessen gegen den HSV (2: 1) bei einem Zweikampf in die Genitalien gegriffen, Atouba revanchierte sich mit einem Ellenbogenschlag.
Die Sünder waren während der Partien ungeschoren davon gekommen. Danach stellte der Kontrollausschuss das Verfahren gegen Naldo nach der Befragung von Referee Peter Sippel (München) ein. Grund dafür war eine "negative Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters", die eine sportgerichtliche Ahndung als "krass sportwidriges Verhalten" gegen Naldo nicht zugelassen habe.
Für Fandel sind die brutalen Szenen vom vergangenen Wochenende zweierlei: Ein Zeichen einer besorgniserregenden Entwicklung und eine Charakterfrage. "Es gibt zur Zeit einige Spieler, die vom Charakter her so sind, dass sie die Möglichkeit nutzen und hinter dem Rücken des Referees zuschlagen oder zutreten", erklärte der 43-Jährige, relativierte aber: "99 Prozent der Bundesligaprofis sind nicht so. Der Rest macht uns allerdings schwer zu schaffen." Da müsse man Nägel mit Köpfen machen.
Auch Roth hat eine auffällige Verrohung der Sitten in dieser Spielzeit registriert. "Die Fouls im Verborgenen, im Rücken der Schiedsrichter, haben zugenommen", kritisierte der Schiri-Boss. Bereits beim Saison-Vorbereitungslehrgang in Altensteig-Wart im Juli hatte der 65-Jährige die Unparteiischen in Sachen Ellbogen-Checks zur Aufmerksamkeit aufgerufen. Roth: "Da müssen wir verstärkt hinsehen. Da erwarte ich aber auch mehr Unterstützung durch die Assistenten."
Fandel betonte aber auch, dass der Vorstoß seiner Zunft "rein gar nichts" mit der Forderung von Hoeneß zu tun habe. Der Bayern-Manager hatte vor einigen Wochen verlangt, dass die Referees Ausnahme-Fußballer wie Franck Ribery besser gegen Fouls schützen müssten. Hoeneß relativierte inzwischen. "Ich wollte keine Lex Bayern. Ich wollte, dass alle guten Spieler geschützt werden."
Fandel erwartet nach seiner verbalen Drohung allerdings keine "Rot-Welle". "Wir werden alles weiterhin sehr bedächtig machen." Es müsse aber allen klar sein, dass man den unfairen Spielern verstärkt "auf die Pelle" rücken werde, so der Musikschulleiter.
Von Ulrike Weinrich, sid
Quelle: ntv.de