Depressionen und Todesangst Olympiasieger Harting bricht in sich zusammen
06.07.2023, 14:24 Uhr
Leichtathletik: Diskuswurf, Männer. Christoph Harting ist unzufrieden mit seiner Technik.
(Foto: Soeren Stache/dpa/Archivbild)
Diskus-Olympiasieger Christoph Harting spricht erstmals über seine Depression, zudem litt der Berliner unter heftigen Panikattacken, die ihm das Gefühl gaben, zu sterben. Ausgerechnet nach der Versöhnung mit Bruder Robert gerät sein Leben aus den Fugen. Mittlerweile geht es Harting wieder besser.
Nichts ging mehr bei Christoph Harting. Depressionen. "Stell dir vor, du wachst auf und liegst unter einer riesigen, großen, schweren, schwarzen Decke. Und du kriegst die nicht runter. Du kriegst noch nicht mal den Wecker ausgemacht", sagt der Diskus-Olympiasieger von Rio im Interview mit der "Berliner Zeitung".
Harting, der 2,07-Meter-Hüne, spricht offen und eindrucksvoll über seine Probleme. "Es ist eine Krankheit, die immer mehr gesellschaftliche Akzeptanz findet. Das Stigma fällt. Keiner ist davor gefeit. Egal, wie erfolgreich oder unerfolgreich er war. Und ja, es hat auch mich getroffen", sagt er vor den Deutschen Meisterschaften der Leichtathleten in Kassel am kommenden Wochenende.
Ausgerechnet nach der Versöhnung mit seinem Bruder Robert, Olympiasieger von 2012, geriet sein Leben aus den Fugen. "Es war psychisch ein absoluter Breakdown. Ich war in der Klinik, wurde psychotherapeutisch und psychologisch betreut, dazu kam die Einstellung mit Medikamenten", sagt Harting, der auch unter Panikattacken litt: "Oh, war das furchtbar. Du hast das Gefühl, zu sterben. Du musst dich rausziehen. Das ist ein unglaublicher Kampf, der einen unfassbar müde macht."
"Der Sturm ist weitergezogen"
Hinzu kam die Trennung von seiner Frau, danach "bin ich aus unserem Haus ausgezogen. Von April 2021 bis August 2022 habe ich keine Wohnung gefunden. Ich schlief zwei Monate bei meinem Trainer, dann bei einem Kumpel im Büro, bei Freunden, im Wurfhaus, im Auto oder war im Trainingslager", sagt Harting, den die Wohnungsnot in Berlin voll getroffen hat: "Ich habe eineinhalb Jahre lang eine Wohnung gesucht, war überall und nirgends."
Mittlerweile geht es Harting wieder besser. "Man lernt in der psychologischen Betreuung Übungen: Wie kannst du dich rausziehen, was kannst du machen? Woran kannst du denken?", sagte er: "Der Sturm ist weitergezogen. Das Wasser ist zwar noch ein bisschen unruhig, aber die Richtung ist endlich wieder klar." Am Sonntag will Harting bei den Deutschen Meisterschaften im Ring stehen, er gehört nicht zu den Favoriten, die anstehende WM in Budapest ist "unrealistisch", sagt er. Aber aufgeben gilt nicht. Hartings Ziel: Olympia in "Paris 2024".
Quelle: ntv.de, tno/sid