Volleyball-Macher Niroomand "Özil hat sich instrumentalisieren lassen"
09.10.2018, 09:40 Uhr
"Ich bin der Auffassung, dass Sport politisch ist": Kaweh Niroomand.
(Foto: imago/Sebastian Wells)
Sie schlagen wieder auf, am Wochenende startet die Volleyball-Bundesliga in die Saison. Kaweh Niroomand ist der Manager der Berliner BR Volleys, des amtierenden deutschen Meisters. Die Titeljagd soll weiter gehen, und das möglichst erfolgreich. Die Mannschaft hat er in großen Teilen ausgetauscht. Der gebürtige Iraner ist die treibende Kraft hinter dem Erfolg der Hauptstädter. Mit n-tv.de spricht er über "El Clásico" des deutschen Volleyballs, über die schwierige Suche nach Sponsoren und die erdrückende Überlegenheit des Fußballs. Er spricht über Ausländer, die Deutsch sprechen sollten und über die über die gesellschaftlich Kraft des Sports. Natürlich sein der Sport politisch. Er dürfe sich nur nicht instrumentalisieren lassen.
n-tv.de: Sie sind als kleines Kind aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Nach dem Abitur haben Sie hier studiert und erfolgreich Ihre eigene Firma aufgebaut. Was empfinden Sie, wenn Politiker und Bürger in der Migration immer nur eine Gefahr, aber selten eine Chance für Deutschland sehen?
Kaweh Niroomand: Natürlich macht mich der Rechtsruck in Europa und Deutschland betroffen. Da wird mir Angst und Bange, wenn man manchen Leuten zuhört. Aber Deutschland ist eine vorbildliche Demokratie, mehr als 80 Prozent der Bürger hier wählen keine rechten Parteien. Das beruhigt mich. Leider gewinnt rechter Populismus mit seinen zu einfachen Antworten viele Menschen, die Angst haben, etwas zu verlieren oder etwas nicht zu bekommen. Da kann der Sport mit dem Thema Respekt helfen. Die Zivilgesellschaft muss sich mehr engagieren. Das Thema Einwanderung ist in Deutschland seit Jahren verschlafen worden. Wir brauchen dringend Fachkräfte. Es ist doch klar, dass wir nicht alle aufnehmen können. Das muss man nicht immer erwähnen. Aber es kann nicht sein, dass jemand 30 Jahre hier lebt und kein Deutsch spricht. Die Sprache ist eine Grundlage der Integration. Daher darf man keine Angst haben, das auch bei Menschen zu fordern, die zu uns kommen. Genauso kann man entspannt seine Deutschland-Fahne an die Autoscheibe hängen, wenn Weltmeisterschaft ist. Wir müssen Bedingungen für die Migration stellen und diese dann auch immer wieder abfragen.
Ganz Deutschland diskutierte darüber, wie man mit den Vorfällen in Chemnitz richtig umgeht. Einige forderten sogar, dass Sängerin Helene Fischer bei einem Konzert gegen Rechts hätte mit auftreten müssen. Wieso hält sich der Sport meist zurück? Dürfen Sportler keine Meinung haben?
Ich bin der Auffassung, dass Sport politisch ist, weil er soziale und politische Werte vermittelt wie Respekt, Miteinander, Anerkennung und Gleichbehandlung. Aber der Sport darf sich nicht parteipolitisch instrumentalisieren lassen. Das ist auch meine Kritik am Fall Mesut Özil. Er hat sich instrumentalisieren lassen von der Politik. Ich finde, dass die Leistung und der Wert des Sports bei der Bewältigung der gesellschaftlichen Aufgaben gar nicht genug beachtet wird. Wenn Politiker, Unternehmer und Sozialverbände den Sport mehr in ihre Pläne mit einbeziehen würden, dann würde man dem Sport tatsächlich die Rolle geben, die er in der Gesellschaft hat. Dann würden wir viel mehr Bürgerinnen und Bürger zum Sport kriegen und wir hätten viel weniger Probleme. Diese Schwierigkeiten entstehen doch, weil die Menschen nicht zusammenkommen und reden. Wir werden unser soziales Engagement bei den BR Volleys weiter ausbauen und mit der Berliner Stadtmission für Obdachlose kooperieren. Die Ausgrenzung von Obdachlosen in unserer Gesellschaft wollen wir mehr in die Öffentlichkeit bringen.
Zurück zur Bundesliga: Für die Männer der BR Volleys haben Sie viele neue Spieler verpflichtet, mit dem Franzosen Cedric Enard ist ein neuer Trainer da. Gefährdet so viel Wandel nicht den Erfolg?
Sieben Spieler sind nun nicht mehr im Kader der BR Volleys, das stimmt. Der Umbruch ergab sich zwangsläufig. In den vergangenen sieben Jahren haben wir sechs Mal die deutsche Meisterschaft gewonnen, mit einer Generation von Spielern, die für den Erfolg stand. Einige Stützen haben aufgehört, andere sind ins Ausland gegangen. Dabei geht es natürlich auch ums Geld. Es gibt in der Bundesliga kaum einen Spieler, der netto sechsstellig verdient. Deshalb habe ich Verständnis, wenn Spieler ins Ausland gehen, wo sie mehr Geld bekommen. Aber wir haben uns mit den BR Volleys in den letzten Jahren weltweit einen Namen gemacht und sind nun attraktiver für Top-Spieler geworden. Viele talentierte Volleyballer wollen nun zu uns nach Berlin, um sich weiter zu entwickeln. Das Projekt BR Volleys muss mit Highspeed weiter gehen.
Volleyball ist in Deutschland in der Beliebtheit der Zuschauer nach Fußball und Handball wahrscheinlich auf Platz 5. Wo sehen sie noch Wachstumspotenzial?

Meisterfeier im Mai: Robert Kromm und Kaweh Niroomand in Friedrichshafen. Kromm hat mittlerweile seine Karriere beendet.
(Foto: imago/Eibner)
Volleyball hat in den vergangenen sechs Jahren einen enormen Sprung gemacht. Durch das Nationalteam und auch durch die BR Volleys. Wir wollten zeigen, dass man unsere Sportart auch auf einer größeren Bühne präsentieren kann. Das ist gelungen. Wir haben in Deutschland eine Monokultur des Fußballs, darunter leiden alle anderen Sportarten. Das ist auch okay. Bei den Männern und Frauen in der Volleyball-Bundesliga sind die Hallen oft voll und es gibt eine Handvoll guter Teams, die einander schlagen können. Das ist wichtig. Im TV werden in der nächsten Saison 51 Spiele live bei Sport1 übertragen. Das hat uns gefehlt. Die Quoten waren vielversprechend. Jedes Team der Volleyball-Bundesliga muss unterhaltsame Veranstaltungen bieten, wo der Sport im Zentrum steht.
Mit Hertha BSC, Union Berlin, den Basketballern von Alba Berlin, den Eisbären Berlin oder den Handballern der Füchse haben Sie große Konkurrenz. Wie schwierig ist es, in so einem umkämpften Umfeld Sponsoren zu finden?
Im Gegensatz zum Fußball oder Handball haben wir keine Einnahmen aus den TV-Übertragungen. Der Etatposten taucht bei uns nicht auf. Wir finanzieren uns durch einen Pool von gut 100 Sponsoren und natürlich durch den Verkauf von Eintrittskarten. Unser Etat hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt. Die Berliner Wirtschaft ist leider nicht so schlagkräftig, wir haben kein Dax-Unternehmen in der Hauptstadt. Und leider engagieren sich kaum Startups im Sport. Doch die Begeisterung in der Berliner Wirtschaft für Sport ist groß.
Wie wichtig ist es Stars und Talente aus Deutschland zu verpflichten?
Vergangene Saison hat mit Robert Kromm einer der deutschen Stars unsere Mannschaft verlassen. Mit Moritz Reichert und Jan Zimmermann konnten die BR Volleys zwei junge, talentierte und sympathische Nationalspieler verpflichten. Wir brauchen Identifikationsfiguren. Es wäre toll, wenn es uns gelingt mehr deutsche Top-Spieler in der Bundesliga zu halten. Dafür müssen wir unsere wirtschaftliche Stärke steigern.
In den vergangenen 20 Jahren haben entweder Berlin oder der VfL Friedrichshafen die deutsche Meisterschaft gewonnen. Wird das nicht langweilig?
Nein, ganz sicher nicht. Wir haben auch in der vergangenen Saison immer wieder Spiele verloren. Und die Finalrunde ging über fünf Entscheidungsspiele. Das war hoch spannend bis zum Schluss. Und es ist fast schon fast eine eigene Marke, wenn der VfB Friedrichshafen auf die Berliner BR Volleys trifft. Das ist dann wie El Clásico - nur im Volleyball.
Was sind die Ziele für diese Saison?
Das Allerwichtigste ist für uns die Deutsche Meisterschaft. Wenn wir das packen, ist die Welt in Ordnung. Auch im Pokal und international wollen wir angreifen. Doch der Champions League Modus wurde enorm verschärft. Da können eigentlich nur die sehr starken Mannschaften aus den Ligen in Polen, Italien und Russland die Hauptrunde erreichen. Das wird sehr, sehr schwierig für uns werden. Bei den BR Volleys blicken wir aber immer nach vorne: Wir haben eine sehr erfolgreiche Jugendarbeit, viele Nationalspieler von heute kommen aus der Berliner Jugend. Mein Wunsch ist es, alle zwei, drei Jahre mindestens einen Spieler aus der eigenen Jugend ins Bundesliga-Team hoch zu holen.
Mit Kaweh Niroomand sprach Hero Warrings
Quelle: ntv.de