"Messer zwischen den Zähnen" Politt lässt heißen Rad-Flirt in Flandern aufleben
01.04.2022, 12:57 Uhr
Politt war schon bei der Generalprobe stark.
(Foto: IMAGO/frontalvision.com)
Die Frühjahrsklassiker sind eine wichtige Standortbestimmung für die besten Radprofis der Welt. Zu denen gehört Nils Politt, das stellt er in dieser Woche unter Beweis. Beim Spektakel der Flandern-Rundfahrt kann er erneut ganz vorn mitmischen. Der 28-Jährige verspricht jedenfalls, "hohes Tempo zu bolzen".
Die Romanze mit "Flanderns Schönster" war zuletzt ein wenig abgekühlt, doch jetzt will Nils Politt den einstmals heißen Flirt wieder aufleben lassen. "Die Flandern-Rundfahrt wird ein Stück zu lang sein, aber ich werde es probieren", sagt Deutschlands vielleicht härtester Radprofi vor der 106. Ausgabe des ziemlich sicher härtesten Frühjahrs-Klassikers am Sonntag: "Vielleicht ist der Knoten ja geplatzt."
Nach einem bisher reichlich verkorksten Frühjahr mit dreimaliger Bronchitis seien "Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen" zurück, sagte der 28 Jahre alte Kölner vom Team Bora-hansgrohe bei "radsport-news.com" nach seinem starken fünften Platz am Mittwoch bei "Dwars door Vlaanderen", der Generalprobe für "Vlaanderens mooiste": "Das war ziemlich wichtig für den Kopf."
Bei der "kleinen" Flandern-Rundfahrt über 183 Kilometer zeigte der Tour-Etappensieger des Vorjahres genau die Stärken, die er auch bei der großen "Ronde" über 272,5 Kilometer mit 18 knackigen Anstiegen und sieben Kopfsteinpflasterpassagen brauchen wird: Angriffslust, gnadenlose Tempohärte, Lust auf die ultimative Quälerei. Stärken, die ihm in seinem Spitzen-Frühjahr 2019 Platz fünf in Flandern und Platz zwei beim folgenden Monument Paris-Roubaix einbrachten.
Hohes Tempo "bolzen"
"Ich mag es, ein hohes Tempo zu bolzen, zwei Stunden lang Anschlag zu fahren und an meine Leistungsgrenzen zu gehen", sagte Politt. Das größte Radsport-Volksfest Belgiens, bei dem erstmals seit 2019 an den neuralgischen Steigungen Oude Kwaremont, Koppenberg und Paterberg wieder uneingeschränkt Zuschauer zugelassen sind, gebe ihm den "Kick", sagte er: "Die Stimmung ist einzigartig. Das sind echte Ausscheidungsrennen, es wird mit dem Messer zwischen den Zähnen gefahren."
Auch wenn Belgiens angeschlagener Topstar Wout Van Aert wohl fehlen wird, gehört Politt nicht zu den allergrößten Favoriten. Tour-Champions Tadej Pogacar, dessen slowenischer Landsmann Matej Mohoric oder auch der niederländische Tausendsassa Mathieu van der Poel, der am Mittwoch "DDV" gewonnen hatte - das ist noch einmal eine andere Liga. Dass Bora aber nach dem Abgang von Superstar Peter Sagan bei den Klassikern eher unter dem Radar fliegt, könnte Politts Chance sein - wie am Mittwoch lockt der Weg in eine Fluchtgruppe.
Der frühere Radstar Jens Voigt traut ihm jedenfalls eine gewichtige Rolle zu: "Mit Nils ist definitiv zu rechnen. Er war auch schon bei Paris-Roubaix sehr weit vorne mit dabei. Dieses Rennen steht ja bereits vor der Tür, und wenn du da gut abschneiden willst, musst du bei der Flandern-Rundfahrt eine Top-Ten-Platzierung holen", sagte der 50 Jahre alte Eurosport-Experte. Was das konkret bedeutet? "Er sollte schon ein Ergebnis zwischen Platz sechs und acht anvisieren, und das hat er auch drauf."
Wird Politt der dritte deutsche Sieger?
Der jüngste Aufschwung - am vergangenen Wochenende hatte bereits Sergio Higuita die Katalonien-Rundfahrt gewonnen - lässt das gesamte Bora-Team, das zu Saisonbeginn von zahlreichen Krankheitsfällen durchgeschüttelt wurde, aufatmen. "Wir sind super durch den Winter gekommen, dann knallt es zwei Wochen lang, und über die Hälfte des Kaders liegt flach", sagte Politt.
Flandern, wo in Rudi Altig (1964) und Steffen Wesemann (2004) erst zwei Deutsche siegten, ist für Politt indes nur eine Zwischenstation zu seinem eigentlichen Nahziel. "Mit Paris-Roubaix habe ich noch eine Rechnung offen", sagt er mit Blick auf den Kopfstein-Klassiker am 17. April, bei dem er im Vorjahr ausstieg. Die "Ronde" mag eine Romanze sein - Roubaix ist echte Liebe.
Quelle: ntv.de, ara/sid