Pause für den Calcio gefordert Polizist räumt Schuss ein
12.11.2007, 09:16 UhrNach dem Tod eines Fußball-Fans in Italien hat sich der mutmaßliche Todesschütze zu Wort gemeldet. "Ich habe erst einen Warnschuss in die Luft abgegeben, der zweite Schuss hat sich beim Laufen gelöst", sagte der Polizist der Zeitung "Corriere della Sera". Er habe auf "niemanden gezielt", betonte der 31-jährige Beamte.
Der Polizist hatte bei einer Auseinandersetzung zwischen Anhängern von Lazio Rom und Juventus Turin am Sonntag auf einer Autobahnraststätte den 26 Jahre alten Lazio-Anhänger Gabriele Sandri tödlich verletzt.
Tödliches Versehen
Im Gespräch mit der Zeitung rekonstruierten die Kollegen des Schützen den Hergang auf dem Autobahnrastplatz Badia al Pino. Demnach waren sie auf der Westseite des Rastplatzes auf Streifenfahrt, als sie auf der gegenüberliegenden Ostseite eine Prügelei zwischen den Insassen zweier Fahrzeuge beobachteten. Nachdem sie über Funk Verstärkung gerufen hätten, habe einer der Polizisten aus einer Entfernung von fast 200 Meter einen Warnschuss abgegeben. Daraufhin seien die Personen in ihren Autos losgefahren.
Um zumindest einen Wagentyp oder das Nummernschild zu erkennen, sei der Kollege mit der Waffe in der Hand hinter den Autos hergelaufen. Dabei habe sich der Schuss gelöst, der unter Umständen noch abgeprallt sei und den 26-jährigen Lazio-Fan dann im Auto getroffen habe.
Straßenschlachten in Italien
Als sich die Nachricht von dem tödlichen Zwischenfall am Sonntag unter den italienischen Fußballfans verbreitet hatte, war es bei Spielen im ganzen Land zu schweren Ausschreitungen und Angriffen auf Ordnungskräfte gekommen. Mehrere Polizisten wurden verletzt. "Mörder, Mörder", skandierten die Fans.
Der italienische Fußballverband sagte das Spitzenspiel von Meister Inter gegen Lazio ab. Die Partie zwischen Atalanta Bergamo und dem AC Mailand musste nach nur sieben Minuten wegen Fan-Randale genauso abgebrochen werden wie die Drittligapartie in Taranto. Die übrigen Nachmittagsspiele wurden mit zehnminütiger Verspätung angepfiffen, Spieler und Schiedsrichter liefen mit Trauerflor auf.
Bei Krawallen in Rom gab es nach neuesten Polizeiangaben 40 Verletzte. Drei Personen wurden festgenommen. Randalieren griffen Polizeidienststellen an, setzten mehrere Autos in Brand und zerstörten am Sitz des Nationalen Olympischen Komitees Italiens (CONI) Marmorskulpturen, die Countdown-Uhr für die Spiele in Peking 2008 sowie Büroeinrichtungen.
"Denkpause" am Wochenende
Sportministerin Giovanna Melandri forderte eine "Denkpause" für den italienischen Fußball. "Am kommenden Wochenende sollte der Ball ruhen", sagte die Ministerin der "La Gazzetta dello Sport". Die Serie A hat wegen Italiens EM-Qualifikationsspiels am Samstag in Schottland allerdings ohnehin spielfrei. Betroffen wären also nur die unteren Ligen.
Die Sport-Aufsichtskommission im römischen Innenministerium berät über Sofort-Maßnahmen zur Eindämmung der Gewalt im italienischen Fußball. Experten gehen davon aus, dass auf jeden Fall ein Mitreiseverbot für Fans zu den Auswärtsspielen ihrer Clubs beschlossen werden wird.
Tödlicher Calcio
Der 26-jährige Römer ist bereits der dritte Tote, den der italienische Fußball in diesem Jahr zu beklagen hat. Ende Januar wurde bei einer Schlägerei am Rande eines Amateurspiels ein Vorstandsmitglied des Kreisligisten Sammartinese tödlich verletzt. Wenige Tage später, am 2. Februar, wurde bei Randalen in Catania ein Polizist von Hooligans erschlagen.
Daraufhin hatte die Regierung die Gesetze gegen Gewalt rund um den Fußball drastisch verschärft, das Problem jedoch nicht in den Griff bekommen. Justizminister Clemente Mastella forderte deshalb am Sonntag "noch härtere Maßnahmen" gegen gewaltbereite Fußballfans.
Quelle: ntv.de