Sport

Olympische Spiele Regierung gegen Boykott

Das olympische Feuer soll angesichts der blutigen Unruhen in Tibet einen anderen Weg nach Peking nehmen. Das internationale Netzwerk zur Unterstützung Tibets hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) in einem Schreiben aufgefordert, den geplanten Fackellauf umzuleiten. "Wenn das IOC nicht will, dass das olympische Feuer ein Symbol für Blutvergießen und Unterdrückung wird, muss es sofort alle tibetischen Provinzen aus der Route herausnehmen", heißt es in dem Brief.

Parallel dazu versammelten sich an die 1.000 Demonstranten, angeführt von tibetischen Mönchen in ihren traditionellen Roben, vor dem IOC-Hauptquartier in Lausanne zu einer Protestkundgebung. Sie trugen tibetische Flaggen und Banner mit den Aufschriften "Mr. Rogge, ihr Schweigen tötet Tibet" und "Stoppt das Morden in Tibet".

Keine Kritik von Jacques Rogge

Mit der Demonstration, die deutlich größer ausfiel als von der Polizei erwartet, sollten das IOC und sein Präsident Jacques Rogge zum Handeln aufgefordert werden. Bislang hat Rogge weder die blutigen Unruhen in Tibets Haupststadt Lhasa offiziell kritisiert noch die chinesische Regierung zur Mäßigung aufgefordert.

Jörg Schild, Präsident des Schweizer NOK Swiss Olympic, schloss sich der Forderung der Demonstranten an. "Die Glaubwürdigkeit der olympischen Bewegung steht auf dem Spiel, so lange es keine offizielle Reaktion gibt", sagte Schild: "Wer angesichts der jüngsten Ereignisse schweigt, vermittelt den Eindruck, dass ihm das Schicksal der Menschen im Land des Olympia-Gastgebers egal ist."

Feuer auf den Mount Everest

Das Feuer, das am 24. März traditionell im Heiligen Hain von Olympia entzündet wird, soll auf seiner 137.000 Kilometer langen Route über fünf Kontinente unter anderem quer durch den Himalaya bis hinauf zum höchsten Punkt der Erde, dem Mount Everest, getragen werden. An diesen Plänen hält das IOC nach wie vor fest.

In seinem nordindischen Exil Dharamshala wandte sich der Dalai Lama erneut gegen einen Boykott. "Olympia findet nicht in Lhasa, sondern in Peking statt", sagte das geistliche Oberhaupt der Tibeter: "Es ist unlogisch, Millionen von Chinesen zur Verantwortung zu ziehen." Obwohl die chinesische Regierung "eine Herrschaft des Terrors" über sein Heimatland gebracht habe, dürfe das chinesische Volk weiterhin stolz auf seine Spiele sein.

Wen spricht von "Sabotage"

In Peking beschuldigte dagegen der chinesische Regierungschef Wen Jiabao den Dalai Lama, Drahtzieher der Unruhen in Lhasa zu sein. "Die Aufständischen dort wollen die Olympischen Spiele sabotieren", sagte Wen und unterstrich erneut die Forderung, den Sport nicht zu politisieren.

Rogge erklärte derweil in Port of Spain/Trinidad, dass es bislang von keiner Regierung eine offizielle Boykott-Forderung gegeben habe. Australien und Japan bekundeten ganz im Gegenteil ihre unbedingte Bereitschaft zur Olympia-Teilnahme. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich bereits am Wochenende gegen einen Boykott ausgesprochen.

Auch das Nationale Olympische Komitee der USA (USOC) ist ganz klar für eine Teilnahme seiner Athleten an den Spielen. "Es gibt absolut keine Überlegungen, Olympia zu boykottieren", sagte USOC-Sprecher Darryl Seibel: "Es ist in Zeiten wie diesen wichtig, die Werte der olympischen Bewegung zu vertreten. Dafür sind Olympischen Spiele eine einzigartige Gelegenheit, die wir nutzen müssen."

Das letzte Wort hätte im Ernstfall natürlich die US-Regierung, doch bislang habe man aus dem Weißen Haus noch nichts dazu gehört. "Der Präsident hat die Einladung zur Eröffnungsfeier der Spiele angenommen und bisher auch nicht wieder abgesagt", erklärte Seibel.

Zusage zurückziehen

Genau das sollten George W. Bush und die Staats- und Regierungschefs aller Länder nach Ansicht von Europaparlamentspräsident Hans-Gert Pöttering aber tun. "Man muss den Chinesen signalisieren, dass Politiker, die wie ich ihren Olympia-Besuch bereits zugesagt haben, diese Entscheidung möglicherweise noch einmal überdenken könnten. Man fragt sich schließlich, ob man damit seiner Verantwortung gerecht würde", sagte Pöttering in einem Rundfunkinterview.

Dieser Meinung schloss sich die Menschenrechts-Organisation Human Rights Watch mit Sitz in New York an. "So gerne Politiker aus allen Ländern ihren Athleten applaudieren, sie sollten nicht durch ihre Anwesenheit in Peking die chinesischen Aggressionen tolerieren", sagte ihr Sprecher Kenneth Roth.

Taiwan erwägt Boykott

Im Vorfeld der Wahlen in Taiwan, auf das die chinesische Regierung auch fast 60 Jahre nach der Absplitterung im Jahr 1949 noch Ansprüche erhebt, zog Oppositionsführer Ma Ying-jeou öffentlich einen Boykott der Spiele in Erwägung. Im Falle seiner Wahl werde er die Athleten seines Landes nicht nach Peking schicken, falls China sich nicht zu Gesprächen mit dem Dalai Lama bereiterkläre, sagte Ma.

Bei den Aufständen in der vergangenen Woche in der zu China gehörenden autonomen Region Tibet soll es nach Angaben der tibetischen Exil-Regierung in Dharamshala/Indien rund 80 Tote gegeben haben, während die Chinesen davon sprachen, dass Aufständische 13 "unschuldige Zivilisten" ermordet hätten.

Von Angela Bern, sid

Quelle: ntv.de

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