Ausgerechnet in Istanbul Rehhagel griechischer Euro-Held
18.10.2007, 12:46 UhrDie Hellenen loben "Euro-Otto" in den Himmel, das Fußball-Mutterland dagegen wünscht Steve McClaren zum Teufel: Während Otto Rehhagel mit seinen griechischen Titelverteidigern ausgerechnet im Land des Erzrivalen Türkei die Europameisterschafts-Teilnahme 2008 ebenso perfekt machte wie Deutschland-Bezwinger Tschechien und Rumänien, steht die einstige Großmacht England vor dem Aus. "Werft schon mal den Motor des abgedunkelten Leichenwagens an. Englands EM-Hoffnungen liegen im Todestrakt", urteilte nach der 1:2-Pleite in Russland "The Daily Telegraph" - und fand wie andere Medien im umstrittenen Coach den Hauptschuldigen für das sportliche Versagen auf dem Weg nach Österreich und in die Schweiz. "Gute Nacht Wien - ade Genf - auf Wiedersehen McClaren", titelte "The Daily Mail".
Der vom Frankfurter Bundesliga-Profi Ioannis Amanatidis perfekt gemachte 1:0-Erfolg der griechischen "Imperatoren" ("Sportime") beim ungeliebten Nachbarn Türkei löste im Land des EM-Champions Euphorie aus. Zwar wurde (noch) nicht gefeiert wie beim EM-Triumph 2004, doch das Vertrauen in Rehhagels Männer ist wieder da. "Wir erleben wieder Tage wie in Portugal und werden unseren Titel verteidigen!", jubelte "Sportday". Die Zeitung "To Fos" bescheinigte vor lauter Begeisterung allen Spielern "ausnahmslos eine Superleistung", als Erfolgsgarant gilt aber ihr deutscher Coach. "Prost Rehhagel!" schrieb "Ta Nea". "Der Mann treibt uns alle noch in den Wahnsinn. Er schafft einen Erfolg nach dem anderen." Rehhagel blieb auch im Erfolg gelassen: "Wir sind nächstes Jahr dabei, weil wir mit Herz und Kopf spielen."
Auch in Rumänien und Tschechen werden die Fußball-Lehrer gefeiert. "Die Qualifikation ist vor allem Victor Piturcas Verdienst. Er hat die Nationalelf zu einem Ganzen zusammengeschmiedet", lobte Rumäniens Generaldirektor Ioan Lupescu seinen Coach. Der führte sein Land nach 2000 schon zum zweiten Mal zur kontinentalen Endrunde und spendierte wie versprochen 50 Flaschen Champagner. Nach dem "böhmischen Märchen" (3:0), dem ersten Sieg in Deutschland seit 1964, heimste sogar der nicht unumstrittene Karel Brückner, als dessen Nachfolger schon mal Lothar Matthäus gehandelt wurde, Lob als Top-Taktiker ein. Als erster Coach führte er Tschechien drei Mal in Serie zu großen Turnieren. Nun sind die Erwartungen an die Routiniers groß: "Brückners alte Herren haben noch nicht ihr letztes Wort gesagt", glaubt "Lidove noviny".
Dagegen ist der Katzenjammer auf der Insel groß. Während Russlands Staatschef Wladimir Putin ("Ein fantastischer Sieg") schwärmte und Trainer Guus Hiddink sein "besonderes Lob" ausdrückte, gelten in England ab sofort andere Prioritäten. "Nun müssen die Rugby-Helden die Nation aufrichten", befand "The Sun", bildete McClarens Kopf auf einem Rugby-Ball ab und forderte: "Schießt Mac in den Himmel." Denn hinter dem praktisch qualifizierten Spitzenreiter Kroatien (26) ist England (23) zwar noch Zweiter, doch Russland (21) hat ein Spiel weniger absolviert und kann mit Siegen in Israel und Andorra das EM-Ticket aus eigener Kraft lösen. "Diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen", forderte Hiddink, der mit Roman Pawljutschenko (2 Tore) den Sieg einwechselte. Dass auch ein unberechtigter Elfmeter dabei war, ließen selbst englische Medien als Ausrede nicht gelten.
Beste Karten im Kampf ums EM-Ticket hat wieder Frankreich nach dem 2:0 über Litauen. Matchwinner war Thierry Henry, der mit seinen Länderspiel-Treffern 42 und 43 Idol Michel Platini als Rekord-Torschützen ablöste. "Das ist eine große Ehre", sagte er.
Ihre EM-Chance wahrten der Gruppe-F-Erste Schweden trotz des 1:1 gegen Nordirland und die Niederlande (2:0 gegen Slowenien) als Zweite der Gruppe G. In Gruppe A können sogar noch vier Teams hoffen: Polen (24) führt vor Portugal (23), Serbien und Finnland (beide 20).
Von Thomas Prüfer, dpa
Quelle: ntv.de