Zittern vorm McLaren-Report Russischen Sportlern droht Kollektivstrafe
06.12.2016, 16:56 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Der erste Teil des McLaren-Reports erschüttert die Sport-Welt. Am Freitag nun wird der zweite Teil vorgestellt. Und beim IOC rechnen sie mit weiteren, schweren Anschuldigungen gegen Russland. Im Falle klarer Beweise droht die härteste mögliche Sanktion.
Russland droht in der Doping-Krise wieder eisiger Gegenwind: Ski-Weltverbands-Präsident und IOC-Exekutivmitglied Gian Franco Kasper rechnet am Freitag bei der Vorstellung des Abschlussberichts von Sonderermittler Richard McLaren zur Doping-Krise in Russland mit brisanten Neuigkeiten und schließt am Ende den Ausschluss eines gesamten Verbandes nicht aus. Sollten nicht nur Einzeltäter, sondern ein gesamter Verband in die Doping-Manipulationen verstrickt gewesen sein, müsse man umfassende Sanktionen ins Auge fassen. "Dann stellt sich die Frage nach einer Kollektivstrafe. Doch dafür müssten klar Beweise vorliegen", sagte der Multi-Funktionär im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst.
Mit den Ergebnissen des ersten McLaren-Reports allein habe man juristisch noch keine klare Handhabe, glaubt Kasper. "Bislang gibt es ja nur - so wie ich gehört habe - die Aussagen des früheren Moskauer Laborleiters und Kronzeugen Grigori Rodtschenkow. Ich weiß nicht, ob die Aussage einer einzelnen Person ausreicht, solche Strafen auszusprechen."
Sollten am Ende aller Untersuchungen einzelnen Athleten Vergehen nachgewiesen werden, drohen diesen Sportlern individuelle Strafen. "Angeblich sollen am Freitag ja auch Namen genannt werden. Diese Athleten müssten dann gesperrt werden", sagt Kasper. Der 72 Jahre Schweizer ist davon überzeugt, dass der finale Report auf jeden Fall weitere Belege für das russische Staatsdoping liefern wird. "Man hat ja im ersten Teil des Berichts gesehen, wohin die Reise geht", sagte Kasper.
Kein Vorab-Einblick fürs IOC
Bei der Präsentation des ersten Teils des Reports am 18. Juli in Toronto hatte McLaren Russland in der Zeit von 2011 bis 2015 ein von höchsten staatlichen Stellen gelenktes und weit verbreitetes Doping-System bescheinigt.Ungewöhnlicherweise werden Kasper und seine Kollegen aus der IOC-"Regierung" - inklusive Präsident Thomas Bach - vorab keinen Einblick in den finalen Bericht erhalten, der von der Welt-Anti-Doping-Agentur in Auftrag gegeben wurde. "Das ärgert mich auch", sagte Kasper. Man habe schon über die Wada Druck ausgeübt, "sich zu den Inhalten zu äußern", sagt Kasper - allerdings ohne Erfolg.
Das wenig kooperative Verhalten der Wada ist für Kasper keine Überraschung. Schon mehrfach hatte sich die Agentur aus Montreal/Kanada durch den Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung den Zorn von IOC-Mitgliedern zugezogen, so auch bei der Präsentation des ersten McLaren-Berichts kurz vor den Olympischen Spielen in Rio. "Wahrscheinlich wollen sie die Spannung hochhalten oder ein großes Spektakel für die Medien liefern. Das können sie ja gut", sagt Kasper spitz. Auch der Termin für die Vorstellung des Abschlussberichts am Freitag, einen Tag nach Ende der Sitzung der IOC-Exekutive, sei unglücklich. "Bezüglich der Russland-Krise können wir unsere Sitzung vergessen. Alles blickt auf Freitag, wenn dieser verdammte Bericht veröffentlicht wird."
Keinen Widerspruch sieht Kasper darin, dass das russische Erdöl-Zentrum Tjumen den Zuschlag für die Austragung der Biathlon-WM 2021 erhalten hat, obwohl das IOC als Reaktion auf den ersten McLaren-Report dazu aufgerufen hatte, keine Groß-Events mehr nach Russland zu vergeben. Die Internationale Biathlon Union habe gesagt, dass man die Entscheidungen nach der Veröffentlichung des gesamten McLaren-Reports berücksichtigen würde, meinte Kasper: "Deshalb ist da das letzte Wort noch nicht gesprochen."
Quelle: ntv.de, Nikolaj Stobbe, sid