"Servus Mehmet" Scholls leiser Abschied
11.04.2007, 14:41 UhrSo heimlich, still und leise hatte sich Mehmet Scholl den Abschied von der großen Fußball-Bühne nicht vorgestellt. Statt im Champions-League-Viertelfinale gegen den AC Mailand in der Münchner Allianz Arena wenigstens als ultimativer "Joker" auf der Ersatzbank des FC Bayern Platz zu nehmen, muss der 36-Jährige sich wieder einmal mit der bitteren Zuschauerrolle begnügen. Denn auch auf der Zielgeraden seiner Karriere hat den Ex-Nationalspieler noch einmal das Verletzungspech eingeholt.
Es passierte zwei Tage vor dem Milan-Spiel - und der Leid gewohnte Scholl ahnte sofort, was passiert war: "Die Wade", entgegnete er nur kurz und knapp, als Co-Trainer Michael Henke ihn fragte, warum er das Training vorzeitig abbreche. Später wurde ein Muskelfaserriss im linken Unterschenkel diagnostiziert. Das bedeutet mehrere Wochen Pause. Nun läuft Scholl die ohnehin nur noch knapp bemessene Zeit bis zum Saisonende davon, wenn der dienstälteste Bayern-Profi seine aktive Laufbahn nach 15 Jahren in München endgültig beenden wird.
Rekordmeister
Scholl bleibt eventuell nur noch der letzte Spieltag am 19. Mai, um sich im Heimspiel gegen Mainz 05 von den eigenen Fans aktiv auf dem Rasen verabschieden zu können. Allerdings hat der FC Bayern vorgesorgt: Im August soll das Spiel um den Franz-Beckenbauer-Pokal in der Allianz Arena zum großen "Servus-Mehmet"-Abend werden. "Wir werden ihm ein riesiges Abschiedsspiel widmen - gegen Barcelona", hatte Manager Uli Hoeneß schon vor längerer Zeit angekündigt.
Abgetreten ist Mehmet Scholl, der Rekordmeister des deutschen Fußballs, vielleicht doch ein Jahr zu spät. 2006 wurde der gebürtige Karlsruher zum achten Mal Meister - und damit zum Rekordhalter. Und bei seinem fünften DFB-Pokalsieg gönnte ihm Trainer Felix Magath im Berliner Finale gegen Eintracht Frankfurt (1:0) wenigstens noch einen Kurzeinsatz.
Damals war er noch Magaths "Geheimwaffe" gewesen, wenn es galt, ein Spiel wenden zu müssen. "Wenn Mehmet reinkommt, macht er sofort Dinge, die zu Torchancen führen", pries Magath die Fähigkeit des 36-maligen Nationalspielers, mit seinen Haken, Dribblings und immerhin noch drei Saisontoren für erfolgreiche Momente zu sorgen.
389 Spiele, 97 Tore
Erst zwölf Monate ist es auch her, dass Scholl-Fans kurz vor der Weltmeisterschaft im Internet die Aktion "Mehmet für Deutschland" starteten. Doch für Jürgen Klinsmann kam eine Nominierung seines Europameister-Teamkollegen von 1996 nie ernsthaft in Frage. Der WM-Überraschungs-Joker des Bundestrainers hieß David Odonkor.
Die Hoffnung, in seiner letzten Bundesliga-Saison noch die 400 Spiele und 100 Tore voll zu machen, hat sich zerschlagen. 389 Partien sind es sechs Spieltage vor Schluss - und immer noch 97 Tore wie zu Saisonbeginn. Trainer Ottmar Hitzfeld setzte zuletzt kaum noch auf den Champions-League-Sieger von 2001, dessen Flanke vor dem wichtigen Tor von Mark van Bommel zum 2:3-Endstand im Achtelfinal-Hinspiel gegen Real Madrid die vielleicht letzte bedeutende Aktion war.
Publikumsliebling
Bei den Bayern-Fans ist Scholl immer noch ein Publikumsliebling. Ansonsten aber ist er praktisch seit Jahren nur noch ein Halbprofi. Öffentlichkeitsarbeit betreibt er schon lange nicht mehr. "Ich sag' heut' nichts", lautet mit einem Lächeln sein Standardsatz an die Reporter. Vor Jahren war er immer für einen lockeren Spruch gut.
Hoeneß hat dem Straßenfußballer, der keine WM spielte, einen Anschlussjob im Verein zugesagt, vermutlich im Jugendbereich. Der Manager erinnert sich noch genau, was ihm durch den Kopf ging, als der schmächtige "Scholli" 1992 als 21-Jähriger vom Karlsruher SC zum großen FC Bayern kam: "Da habe ich gedacht, dieser Spargeltarzan, wie soll der dem FC Bayern jemals weiterhelfen?"
Klaus Bergmann, dpa
Quelle: ntv.de