"Nur ein flüchtiger Kuss" Skandal im Eislauf-Verband
16.07.2009, 14:18 UhrEistänzer Sascha Rabe erhebt gegen die Deutsche Eislauf-Union (DEU) schwere Vorwürfe und fordert Sportdirektor Udo Dönsdorf zum Rücktritt auf. "Herr Dönsdorf ist in seiner Position nicht mehr tragbar", sagte Rabe in einem Interview der Tageszeitung "Die Welt". Der Eistänzer beschuldigt Dönsdorf, ihn im Sommer 2007 sexuell belästigt zu haben. Dönsdorf selbst hat laut DEU-Präsidium nur "einen flüchtigen Kuss" eingeräumt, den der Sportler nicht wollte. Vor vier Wochen hatte Rabe versucht, sich mit einem Mix aus Tabletten und Alkohol das Leben zu nehmen. Seither lässt er sich von einem Therapeuten betreuen.

Rabe, hier zusammen mit seiner Partnerin Tanja Kolbe bei den Eiskunstlauf-Meisterschaften in Oberstdorf 2008, beklagt die mangelnde Unterstützung durch den Verband.
(Foto: dpa)
Er habe den Eindruck, der Verband will die Angelegenheit "unter den Teppich kehren", sagte der 23 Jahre alte Sportler, der mit seiner Partnerin Tanja Kolbe bei den letztjährigen deutschen Meisterschaften Dritter im Eistanz war. "Wie sie mit mir umgehen, das geht nicht. Für sie sind Funktionäre mehr wert als Sportler, dabei machen doch die Sportler den Sport aus. Diese Ignoranz finde ich unbegreiflich."
Verband stärkt Dönsdorf den Rücken
DEU-Vizepräsident Uwe Harnos kann die neuerliche Attacke Rabes nicht verstehen. "Wir haben die Entscheidung getroffen, dass Herr Dönsdorf im Amt bleibt. Daran halten wir uns", sagte er. Der Rechtsanwalt bewertet den Vorgang von vor zwei Jahren anders. "Herr Dönsdorf hat sich uns anvertraut. Außerdem liegt der komplette E-Mail-Verkehr von Herrn Dönsdorf mit Herrn Rabe vor. Darin erhebt Herr Rabe niemals den Vorwurf, dass ihm Gewalt angetan, dass er genötigt oder belästigt wurde oder Ähnliches. Es geht ausschließlich um einen flüchtigen Kuss", sagte Harnos.
Rabe selbst soll den Mail-Verkehr an rund 30 Adressaten verschickt haben. Während der Berliner Eistänzer behauptet, der Verband habe Terminvorschläge zur gemeinsamen Klärung des Problems ignoriert, sagte Harnos, Rabe habe Gesprächstermine platzen lassen.
Innenministerium in Kenntnis gesetzt
Die Forderung von Peter Danckert, dem Vorsitzenden des Sportausschusses im Bundestag, in der "Welt", das Innenministerium müsse sich mit dem Vorfall befassen, "und zwar nicht auf eine lockere Art, wie die Deutsche Eislauf-Union das gemacht hat", ist laut DEU-Vize Harnos bereits in die Tat umgesetzt worden. "Wir haben den Sachverhalt dem BMI und dem DOSB vor mehreren Wochen geschildert", sagte Harnos und betonte, "weder einen Funktionär schützen zu wollen, noch den Vorfall zu verniedlichen oder gar sexuelle Gewalt in der Gesellschaft zu negieren." Als Anwalt für Familienrecht kenne er auch dieses Thema und habe auf diesem Gebiet seine Kompetenz unter Beweis gestellt.
Den Selbstmordversuch zwei Jahre nach dem "flüchtigen Kuss" begründet Rabe damit, dass er Dönsdorfs Unterschrift plötzlich auf einem Verbands-Rundschreiben gesehen habe. "Das Schreiben war wie ein Stich", sagte Rabe, der sieben Monate zuvor Dönsdorf zu sich nach Hause eingeladen und für ihn gekocht hatte. "Das ist alles höchst widersprüchlich", sagte Harnos.
Quelle: ntv.de, dpa