"Dementsprechend: Wiedersehen"Spektakuläre Disqualifikation: Hannawald freut sich über Anzug-Ärger

Der Skisprung-Abend von Oberstdorf endet mit einem Knall: Beim Auftaktspringen der Vierschanzentournee wird der Zweitplatzierte Timi Zajc nachträglich disqualifiziert. Das deutsche Skisprung-Idol Sven Hannawald freut sich darüber.
Timi Zajc stand im Hexenkessel von Oberstdorf schon für die Siegerehrung bereit, dann drehte sich der Wind und schlug dem Slowenen voll ins Gesicht: Beim Sieg seines Landsmanns Domen Prevc zum Auftakt der Vierschanzentournee war Zajc etwas überraschend auf den geteilten zweiten Rang geflogen, die Kleinigkeit von 1,9 Punkten vor dem Lokalmatador Felix Hoffmann. Doch auf den letzten Metern vor dem Pokal wurde der Weltmeister von 2023 noch abgefangen: Sein Anzug entsprach nicht den Regularien. Zajc wurde disqualifiziert, Hoffmann durfte unter dem Jubel der Verbliebenen der einst 25.000 Zuschauer zum ersten Mal überhaupt auf ein Podest bei der Vierschanzentournee klettern.
Zum ersten Mal überhaupt hatte es einen Topspringer bei dem Vorzeigeevent der Skispringer auf diese Art erwischt. Nein, sowas habe es noch nicht gegeben, sagte Sven Hannawald in der ARD - und schob nach: "Aber bisher sind auch alle immer davon ausgegangen sind: Die machen das bei einem Großevent wie der Vierschanzentournee sowieso nichts. Dementsprechend sind viele Nationen All in gegangen und sind mit Dingen gesprungen, von denen sie wussten: Die gehen eigentlich gar nicht."
"Regel ist Regel"
Der Weltverband FIS war nach dem Desaster bei der vergangenen Weltmeisterschaft unter Druck geraten, als das norwegische Team ertappt wurde, wie Anzüge gleich mehrerer Topspringer präpariert wurden. Die Materialkontrollen wurden in der Folge verschärft. Zajc ist nun das erste prominente Opfer der neuen Gangart. Der Anzug Zajcs war im Schritt drei Millimeter zu groß, wie der neue Weltverbands-Chefkontrolleur Mathias Hafele mitteilte. "Das ist nicht viel, aber zu viel", sagte Hafele: "Regel ist Regel." Bei einer ersten Kontrolle habe noch alles gepasst, sagte der Österreicher. "Aber was die danach mit den Anzügen machen. Ob sie die ziehen oder irgendwas, können wir nicht kontrollieren. Das ist absolut unmöglich". Durch die Disqualifikation rückte auch der zweite deutsche Topspringer Philipp Raimund einen Rang nach vorne, Platz 5 bedeutet das beste Einzelergebnis bei einem Tourneespringen für den Allgäuer.
"Das ist jetzt das Zeichen, das ich von Hafele sehen möchte", freute sich Hannawald. "Ich möchte keine Sieger sehen, die bescheissen. Und dementsprechend: Auf Wiedersehen!" Die dramatische Disqualifikation tue ihm zwar leid für Timi Zajc, "aber am Ende des Tages ist er für seinen Anzug verantwortlich." Zajc selbst reagierte mit Humor auf seine Gefühlsachterbahnfahrt: "Lasst uns den Anzug ein bisschen stretchen, vielleicht ist dann in Ga-Pa alles okay"», schrieb der 25 Jährige auf Instagram mit Blick auf das Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen. Am Anzug des überlegenen Siegers Domen Prevc gab es nichts zu beanstanden.
"Schwachsinn vor dem Herrn"
Bei der WM im Februar waren die beiden überführten Norweger Marius Lindvik und Daniel Andre Forfang nachträglich für den Wettkampf auf der Großschanze disqualifiziert worden, Lindvik verlor seine Silbermedaille, seine Goldmedaille auf der Normalschanze hat noch Bestand.
Die Springer haben durch den norwegischen Verband ausrichten lassen, von dem vorsätzlichen Betrug nichts gewusst zu haben - eine "Dreistigkeit", die Hannawald auf die Palme bringt. "Also ein Springer in einer der sensibelsten Sportarten merkt nicht, dass sich ein Anzug steifer anfühlt. Also dann weiß ich nicht, was mit dem los ist", kritisierte der erste Grand-Slam-Sieger der Vierschanzentournee im Interview mit RTL/ntv und sport.de. Dies sei "ein Schwachsinn vor dem Herrn. Es braucht wahrscheinlich einen noch klareren Schnitt, den es eh schon geben muss."
Die neuen Regeln - unter anderem dürfen die Athleten während des Wettkampfs ihre Anzüge nicht mehr wechseln - sollen für mehr Transparenz sorgen. "Wir hoffen, dass wir damit einen echten Mentalitätswechsel hinkriegen. Wir müssen von dem Image weg, dass im Skispringen im Hinterzimmer geschummelt und getrickst wird", hatte Andreas Bauer, der Chef der Materialkommission im Internationalen Skiverband, der "Augsburger Allgemeinen" erklärt. Nun hat die FIS auf der größten Bühne nachgewiesen, dass es ihnen mit dem Kampf um die Glaubwürdigkeit des Skispringens ernst ist.