Sport

"Kein Interesse an Aufklärung" Sportverbände am Pranger

Der Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, Peter Danckert (SPD), hat im Zusammenhang mit der Doping-Problematik schwere Vorwürfe gegen die Sportverbände erhoben. Dass die Wahrheit ans Licht komme, "daran haben die Verbände kein Interesse", sagte Danckert der Chemnitzer "Freien Presse". Dann würde offenkundig, dass auch in anderen Sportarten flächendeckend gedopt werde, erklärte der Ausschussvorsitzende.

Zudem forderte Danckert die Sportverbände auf, deutlich mehr Anstrengungen bei der Aufarbeitung der Doping-Fälle zu unternehmen. Es mache wenig Sinn, über die Aberkennung von Rekorden oder Medaillen vergangener Jahre zu debattieren. Wichtiger sei vielmehr die Gegenwart. Wer einen wirkungsvollen Beitrag im Kampf gegen Doping leisten will, "darf den geständigen Sportlern nicht mit Sanktionen drohen".

Der SPD-Sportexperte will denjenigen, die bereit sind, sich zu den Doping-Praktiken zu bekennen, "für eine bestimmte Zeit die Chance geben, nicht bestraft zu werden". Er dürfe weder die Aberkennung der Titel oder eine Rückzahlung von Prämien befürchten müssen. Danckert warf dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vor, die Sportler zu Geständnissen aufzufordern, ohne sie über die Konsequenzen zu informieren.

Verbände reagieren empört

Mehrere Verbände reagierten verärgert auf die Äußerungen. "Das ist eine unnötige Provokation", sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper. "Es ist eines Sportausschuss-Vorsitzenden unwürdig, solche Äußerungen ungeprüft in die Welt zu setzen. Wenn er als selbst erklärter Dopingexperte eine Generalamnestie fordert", betonte Vesper, "ist das doch ein General-Freibrief, der nach meinem Verständnis mit sauberem Sport nichts zu tun hat."

Christa Thiel, Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), wies die Anschuldigung, nicht ernsthaft an der Doping-Aufklärung interessiert zu sein, entschieden zurück. "Herr Danckert stellt alle Athletinnen und Athleten unter einen ungeheuerlichen Generalverdacht. Des Weiteren halte ich es für eine Unverfrorenheit, wenn der Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag die Einschätzung vorgenommen haben sollte, dass die Sportverbände gar nicht ernsthaft an der Aufklärung interessiert seien", sagte Thiel, die auch Sprecherin der Spitzenverbände im DOSB ist.

DLV sieht sich als Vorreiter

Ähnlich äußerte sich Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). "Sollten wir damit gemeint sein, dann muss der DLV solche Vorwürfe entschieden zurückweisen", sagte der Jurist. "Der DLV ist einer der entschiedensten Vorreiter im Anti-Doping-Kampf", versicherte Prokop. "Wir haben in den 90er Jahren in spektakulären Prozessen die wirtschaftliche Existenz des DLV riskiert, um Dopingverstöße zu sanktionieren."

Prokop nannte als Beispiele die Millionen-Schadenersatzklage von Katrin Krabbe in einem jahrelangen Rechtsstreit sowie die Fälle Dieter Baumann und Uta Pippig. Als einziger Verband, ergänzte, Prokop, habe der DLV Strafanzeige gegen einen Trainer - Thomas Springstein - wegen Dopings gestellt und später Akteneinsicht durch eine Dienstaufsichtsbeschwerde erzwungen.

DFB-Mediziner fürchtet "Generalverdacht"

Der internistische Mannschaftsarzt der deutschen Fußball-Nationalelf befürchtet durch den Doping-Skandal im Radsport negative Auswirkungen für seinen Berufsstand, aber auch für andere Sportarten. Tim Meyer wehrt sich deshalb nach den Geständnissen einiger Radstars und Ärzte vehement gegen einen "Generalverdacht". Allerdings sei schon jetzt "der Schaden, der angerichtet wurde, sehr groß".

"Was da im Moment in der öffentlichen Darstellung passiert, ist sehr undifferenziert. Da werden alle über einen Kamm geschoren, egal ob Sportmediziner oder Sportler. Aber ich sage ganz klar: Die im Radsport offensichtlich gewordenen Praktiken sind gewiss nicht auf den gesamten deutschen Spitzensport zu verallgemeinern", sagte Meyer vor den EM-Qualifikationsspielen der DFB-Auswahl gegen San Marino und die Slowakei.

Löw sieht keine Hinweise

Der 39-Jährige ist sich sicher, dass Doping im deutschen Fußball keine Rolle spielt. "Ich bin zwar nicht so naiv, um zu sagen, dass Doping im Fußball überhaupt keinen Sinn machen würde. Um beispielsweise die Schnelligkeit oder die Ausdauer zu steigern, wäre das schon denkbar. Aber die leistungsbestimmenden Faktoren sind im Fußball im Gegensatz zum Radsport weitaus komplexer. Es gibt aus meiner Sicht derzeit keine Verdachtsmomente für ein systematisches Doping im deutschen Fußball", erklärte Meyer.

Auch Bundestrainer Joachim Löw kann sich systematisches Doping im Fußball nur schwer vorstellen: "Wir haben sehr strenge Kontrollen. Nach meinen Erfahrungen spielt das keine Rolle." Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) würde die Problematik dennoch nicht ignorieren, vielmehr würde man verstärkt Aufklärungsarbeit betreiben. Über 800 Kontrollen führt der DFB pro Saison durch.

Quelle: ntv.de

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