Absichtlich verlieren? "Tanking" im US-Sport verspricht Titel
10.04.2018, 14:46 Uhr
"Dallas Mavericks"-Besitzer Mark Cuban verkündete das "Tanking" - und bekam von der NBA eine Strafe aufgebrummt.
(Foto: imago/ZUMA Press)
US-Teams im Basketball und Baseball setzen auf "Tanking", das absichtlich schlechte Abschneiden. Nach Außen hin ist die Taktik verpönt. Dabei das sichert das Vorgehen langfristig eine bessere sportliche und wirtschaftliche Zukunft - Beispiele gibt es genug.
Es ist erst ein paar Wochen her, als Dirk Nowitzki seinem Arbeitgeber vehement widersprach. Mit "Tanking" wolle er nichts am Hut haben, absichtlich zu verlieren sei mit ihm nicht zu machen, teilte er Mark Cuban mit. Der exzentrische Besitzer der Dallas Mavericks hatte einige Spieler wissen lassen: "Verlieren ist unsere beste Option." Die NBA brummte ihm dafür eine Strafe von 600.000 Dollar auf, Nowitzki beteuerte: "Dafür stehe ich nicht. So bin ich einfach nicht."
"Tanking" hat nichts mit der Zufuhr von Kraftstoff zu tun. Es bedeutet "baden gehen", oder "Schiffbruch erleiden" - also eher: den Tank leer machen. Im nordamerikanischen Profisport steht der Begriff für: absichtliches Verlieren. Im Hinterkopf haben Teams wie die Mavericks dabei die Zukunft. Je schlechter ein Klub die Saison beendet, desto früher darf er im folgenden Draft auf die besten College-Spieler und damit einen potenziellen Superstar von morgen zugreifen. Die Mavs waren erwartungsgemäß schlecht in dieser Saison, und damit dies auch so bleibt, "schont" Coach Rick Carlisle schon mal den ein oder anderen hilfreichen Spieler. Im "tankathon" belegte das Team vor dem letzten Spieltag hinter den Phoenix Suns und Memphis Grizzlies Rang drei, gleichauf mit den Orlando Magic und Dennis Schröders Atlanta Hawks.
Der Draft, an dem auch der gebürtige Berliner Moritz Wagner teilnehmen könnte, gilt in diesem Jahr als ausgesprochen gut besetzt. Dass "Tanking" funktionieren kann, ist erwiesen. Unter anderem im Baseball. Die Chicago Cubs zerlegten ab 2012 ihr bis dahin mittelmäßiges Team, nahmen in Kauf, dass sie zunächst mal zum Prügelknaben wurden, sicherten sich dadurch aber viele gute Nachwuchsspieler. Sie bauten eine neue Mannschaft auf, ergänzten sie durch erfahrene Akteure, die frei auf dem Markt waren - und gewannen 2016 erstmals nach 108 Jahren wieder den Titel.
Verzerrter Wettbewerb
Die Houston Astros nahmen den gleichen Weg - und siegten 2017. "Ich denke nicht, dass es funktioniert", hat NBA-Chef Adam Silver bei seinem Amtsantritt vor fünf Jahren über "Tanking" gesagt, "ich habe auch noch nicht gesehen, dass irgendwer in der Liga damit Erfolg hatte." Mittlerweile muss Silver feststellen, dass es durchaus funktionieren kann. Das Musterbeispiel sind die Philadelphia 76ers. 2012 nahm der damalige Manager Sam Hinkie den ganzen Laden auseinander. Die Anhänger beruhigte er mit dem Satz: "Trust the process." Vertraut unserem Weg. Nicht alles klappte so, wie Hinkie das geplant hatte, aber immer noch gut genug.
2014 und 2015 wählten die 76ers im Draft jeweils an dritter Stelle, 2016 und 2017 an erster. Ein paar gute Tauschgeschäfte kamen hinzu, nachdem 2015 Hinkie durch Bryan Colangelo abgelöst worden war. Nach einer beeindruckenden Saison stehen die 76ers erstmals seit 2012 in den Play-offs - die Top-Nachwuchsleute Joel Embiid (ausgewählt 2014) und Ben Simmons (2016) wachsen zu Stars heran. Weil "Tanking" klappt, ist der sportliche Wettbewerb verzerrt.
In der NBA waren vor dieser Saison viele Teams von Beginn an chancenlos beim Kampf um die Play-offs. In der 30 Mannschaften umfassenden Baseball-Liga MLB nahmen derart viele Klubs ihre Teams auseinander, auch aus Kostengründen, dass wohl nur ein Dutzend um die sechs Play-off- und vier Qualifikationsplätze spielt. Der Erfolg der Cubs und Astros ist verlockend.
Das offensichtliche "Tanking" in der MLB ging so weit, dass die Spielergewerkschaft gegen die Oakland A's, Miami Marlins, Tampa Bay Rays und Pittsburgh Pirates Beschwerde bei der MLB einlegte: Die vier genannten Teams würden zu wenig Geld investieren.
Quelle: ntv.de, Von Thomas Häberlein, sid