Italien feiert Auferstehung Toni: Wir sind wieder da
18.06.2008, 12:54 UhrLuca Toni drückte seine Teamkollegen der Reihe nach an die Brust, Roberto Donadoni konnte sich vor Umarmungen kaum retten und Antonio Cassano hatte nach der Party mit den Fans nur noch seine Unterhosen am Leib.
Fußball-Weltmeister Italien feierte nach dem 2:0 (1:0) in der Neuauflage des WM-Finals gegen Frankreich am "Tag des Jüngsten Gerichts" in der "Todesgruppe" C ausgelassen seine sportliche Wiederauferstehung und hat sich vor dem EM-Viertelfinale am Sonntag in Wien (20.45 Uhr/live im ZDF) gegen Spanien den Status eines Titelkandidaten zurückerkämpft.
"Wir sind wieder da - und wir haben wieder den Geist der WM", sagte Bundesliga-Torschützenkönig Toni vom deutschen Meister Bayern München im Anschluss an den Erfolg, der Coach Donadoni vorerst den Arbeitsplatz sicherte.
Dank gilt Niederländer
Allerdings wäre der Sieg 709 Tage nach dem WM-Endspiel von Berlin ohne das gleichzeitige 2:0 (0:0) der Niederländer gegen Rumänien nichts wert gewesen. Nur so schob sich die schwach ins Turnier gestartete Squadra Azzurra auf den zweiten Platz, verhinderte das erstmalige Vorrunden-Aus eines amtierenden Weltmeisters und schickte den WM-Zweiten nach Hause.
Der Dank der heimischen Presse galt deshalb nicht nur der Mannschaft und dem Trainer, sondern auch dem B-Team von Bondscoach Marco van Basten. "Applaus für das professionelle Verhalten von van Basten und seiner Spieler. Applaus für die Energie, das Herz und den Stolz der Azzurri", schrieb der Corriere dello Sport. Tuttosport sah es ähnlich: "Donadonis Italien hat sich mit der Unterstützung der Niederlanden gerettet."
Nachdenkliche Töne
Nach den Feierlichkeiten rund um den hochverdienten Sieg, den Andrea Pirlo mit einem verwandelten Elfmeter nach einem Foul an Toni (25.) und Daniel de Rossi (62.) mit einem von Thierry Henry abgefälschten Freistoß (62.) vor 30.585 Zuschauern sicherten, war es ausgerechnet der umstrittene Donadoni, der nachdenkliche Töne anschlug und den Erfolg einem kranken Kind in der Heimat widmete.
"Wir haben einen Brief von einem Jungen bekommen, dem eine Bluttransfusion bevorsteht. Er wollte, dass wir gewinnen, damit es ihm besser geht", erklärte der Coach, dessen Vertragsverlängerung bis 2010 nur beim Einzug ins Halbfinale in Kraft tritt: "Ich habe den Jungs davon erzählt, denn sie sollten mal aus ihrem goldenen Käfig schauen. Die Spieler waren berührt, und sie haben alles getan, um den Jungen glücklich zu machen."
Der Chefcoach gab zudem preis, dass er im Falle eines EM-K.o.'s zurückgetreten wäre: "Ich hätte bei einer Niederlage ein bestimmtes Verhalten gezeigt, das ihr alle schon erahnt hättet."
Getrübte Freude
Das Glück der Italiener wurde allerdings durch die zweiten Gelben Karten für Spielmacher Pirlo und Gennaro Gattuso getrübt. Beide fehlen dem viermaligen Weltmeister, der zuletzt vor über 30 Jahren in der regulären Spielzeit gegen die Equipe Tricolore gewonnen hatte, gegen die Spanier. Vor allem der Ausfall des Dreh- und Angelpunkts Pirlo dürfte nur schwer zu kompensieren sein.
"Bei der WM habe ich alle Spiele bestritten. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ich es auf der Ersatzbank aushalten soll", meinte Pirlo. "Es ist sehr schade, dass uns Pirlo und Gattuso fehlen. Das macht die Aufgabe nicht einfacher", sagte Toni.
Domenech vor dem Aus
Nicht einfach dürften die kommenden Tage auch für Frankreichs Coach Raymond Domenech werden. Für die französischen Medien sind 54 Spiele der Equipe Tricolore unter dem Trainer genug. "Für ihn gibt es nur einen Ausgang: Die Tür", titelte France Soir. Auch die Schlagzeile von Le Parisien war eindeutig: "Domenech muss abgesetzt werden. Eile ist geboten!"
Bei aller Kritik an Domenech, dessen potenzieller Nachfolger Didier Deschamps bereits in den Startlöchern steht, war der Coach auch nicht unbedingt vom Glück verfolgt. Zunächst verletzte sich Bayern-Star Franck Ribery bereits nach acht Minuten, dann sah Eric Abidal die Rote Karte (24.). Immerhin durfte sich Domenech "über die wirklich wichtigen Dinge im Leben freuen" und kündigte seine Heirat mit der TV-Journalisten Estelle Denis an.
von Alexander Sarter und Holger Schmidt, sid
Quelle: ntv.de