Weiße Haare, weise Herren Trainer-Oldies geben den Ton an
09.06.2008, 15:43 UhrWeiße Haare, weise Herren: Trainer-Oldies stehen bei der Fußball-Europameisterschaft hoch im Kurs. Spaniens Luis Aragons und Griechen-"König" Otto Rehhagel feiern noch in diesem Sommer ihren 70. Geburtstag und sind damit die "Alterspräsidenten" unter den 16 EM-Coaches. Insgesamt ein halbes Dutzend Trainer ist schon über 60 Jahre alt. Für Gerard Houllier, Mitglied der technischen Delegation der UEFA, ist das Vertrauen der EM-Teams in die Altherren-Riege keine Überraschung. "Um auf diesem Top-Level Erfolg haben zu können, ist Erfahrung ein ganz entscheidendes Kriterium", sagte der frühere Liverpool- und Lyon-Coach, der für die Europäische Fußball-Union EM-Spiele analysiert.
Gleich für zwölf Übungsleiter gilt beim Turnier in Österreich und der Schweiz die Regel "50+". Nur Joachim Löw (Deutschland/48 Jahre), Roberto Donadoni (Italien/44), Marco van Basten (Niederlande/43) und Nesthäkchen Slaven Bilic (Kroatien/39) können nicht auf mindestens ein halbes Jahrhundert Lebenserfahrung blicken. Im Durchschnitt sind die EM-Trainer 56,88 Jahre alt und toppen damit sogar noch ganz knapp die Marke von Portugal 2004 (56,81 Jahre).
Respekt vor dem Alter
Otto Rehhagel selbst hatte die Maxime ausgegeben, dass es keine alten oder jungen Spieler gäbe, sondern nur gute oder schlechte. Gleiches könnte er nun über die Trainergilde sagen. In Griechenland ist der deutsche Trainerfuchs ohnehin sakrosankt. "Jeder weiß, dass Rehhagel seit 2004 von allen Leuten geliebt wird", meinte Angelos Charisteas, der beim Turnier vor vier Jahren unter der Obhut Rehhagels zum EM-Goalgetter wurde.
Respekt vor dem Alter bringen auch die jüngeren Trainerkollegen mit. "Selbstverständlich kann auch ich noch von seiner Erfahrung und von seiner Fachkompetenz profitieren", sagte Bundestrainer Löw vor dem 2:0-Sieg gegen die Polen über deren Trainer Leo Beenhakker. Der Niederländer verteidigte sich gegen Medien-Kritik in dem Gastland auch gerne mit dem Altersargument: "Ich arbeite schon seit 40 Jahren, was wollt ihr mir da erklären."
Trainer als Vaterersatz
Für Houllier ist noch ein anderer Aspekt von Bedeutung: Immer mehr junge Spieler werden früh mit großem Druck und Starkult konfrontiert. "Den Trainern fällt auch die Funktion einer Vaterfigur zu", sagte der Franzose. Auch Luiz Felipe Scolari gilt bei den Portugiesen als Vaterersatz vieler Spieler. Er setzt innerhalb des Teams immer sehr auf Gemeinschaft und Familie, ist zudem sehr religiös. Das verschafft ihm Respekt. Seinen Spielern gab er das Buch "Die Kunst des Krieges von Sun Tzu" ein 2500 Jahre alter chinesischer Text über Militärstrategie, auf solche Ideen kommen junge Trainer eher nicht.
Der Posten eines Nationalcoaches ist aber gerade für ältere Trainer besonders attraktiv. Abseits des hektischen Liga-Alltags können sie mit deutlich weniger Spielen im Jahr meist in Ruhe konzeptionell arbeiten. Ottmar Hitzfeld (59) übernimmt im Juli auch deshalb den "Nati"-Posten in der Schweiz vom fünf Jahre älteren "Köbi" Kuhn. Die jungen Coaches zieht es hingegen in den Vereinsfußball, wo tägliche Herausforderungen und wohl auch mehr Geld winken. Kroatiens Bilic flirtete Anfang des Jahres mit dem Hamburger SV. Marco van Basten machte Nägel mit Köpfen und wechselt nach der EM auf den Trainerstuhl bei Ajax Amsterdam. Sein Nachfolger steht schon fest: Bert van Marwijk ist 13 Jahre älter.
Von Arne Richter, dpa
Quelle: ntv.de