Torwart-Legende Trautmann wird 80
21.10.2003, 12:33 UhrIm Fußball-Mutterland England wird Bernd Trautmann auch 47 Jahre nach seinem größten Erfolg noch immer als lebende Torwart-Legende verehrt. Am 5. Mai 1956 stand der gebürtige Bremer, der am Mittwoch seinen 80. Geburtstag feiert, mit Manchester City im Endspiel um den FA-Cup gegen Birmingham City im Londoner Wembleystadion. In der Schlußphase riskierte Trautmann bei einem Angriff von Peter Murphy Kopf und Kragen - und erlitt einen Halswirbelbruch.
Trotz starker Schmerzen hielt der Keeper durch, ließ sich nach dem 3:1-Sieg von Queen Elizabeth II. und dem damaligen Fifa-Präsidenten Sir Stanley Rous die Hand schütteln. Prinz Philipp fragte besorgt: "Warum halten sie den Kopf so schief?" Trautmanns Antwort: "Ich habe einen steifen Hals."
Diagnose: Genickbruch
Erst vier Tage später begab sich der ehemalige Fallschirmjäger, der 1948 nach drei Jahren aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden war und durch seine Leistungen in einer Lager-Elf den Amateurklub St. Helens auf sich aufmerksam gemacht hatte, ins Krankenhaus. Der Bruch eines Halswirbels wurde festgestellt.
Trautmann, einer der besten Botschafter Nachkriegsdeutschland im Land des ehemaligen Erzfeindes, musste drei Monate lang einen Gipspanzer tragen. "Es war meine schlimmste Zeit", erinnerte er sich. Lohn der Schmerzen: Der tapfere Torwart-Riese wurde 1956 als erster Ausländer zu "Englands Fußballer des Jahres" gewählt und stand damit in einer Reihe mit Sir Stanley Matthews oder Billy Wright. Im gleichen Jahr verunglückte sein fünfjähriger Sohn bei einem Verkehrsunfall tödlich.
Nach dem Fußball folgten schwere Jahre
1960 wurde Trautmann, der mit vier gehaltenen Elfmetern sieben Jahre zuvor gegen Sunderland einen englischen Rekord aufgestellt hatte, zum "Torhüter des Jahres" und zum Kapitän der englischen Liga-Auswahl gekürt. Vier Jahre später beendete er nach 15 Jahren und 528 Ligaspielen mit 41 Jahren seine Karriere. 48.000 Zuschauer nahmen bei einem Benefizspiel Abschied von ihrem Idol, das sich wegen seines untadeligen Auftretens und seiner Leistungen großer Popularität erfreute.
Es folgten schwere Jahre für Trautmann, der nie im Tor der deutschen Nationalelf stand. Seine Ehe zerbrach, mit den privaten Schwierigkeiten kamen berufliche Probleme. Er scheiterte als Fußball-Trainer und Manager auf der Insel und in der Heimat. Verbittert kehrte er 1970 nach England zurück, musste sein Haus in Manchester verkaufen.
Trautmann brach das Genick, aber nie das Rückgrat
Mit dem letzten Geld erwarb er im nordwalisischen Benllech ein altes Landhaus und baute es zu einem Gasthof um. Doch auch dieser Versuch endete glücklos. "Vom König zum Bettelmann, so wurde damals über mich geschrieben", sagte Trautmann, dem zwar das Genick brach, jedoch nie das Rückgrat.
Anfang der 70er Jahre arbeitete er als Entwicklungshelfer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), ging als Nationaltrainer nach Birma. Später war er in Tansania, Liberia, Pakistan, Jemen und Malta tätig. Heute lebt Trautmann in einem Bungalow nördlich von Valencia. In Deutschland, bedauert er, sei er in Vergessenheit geraten. Dafür ist er in "Old England" unsterblich.
Nigel Ferguson (Sport-Informationsdienst)
Quelle: ntv.de