Doch keine Beichte Ullrich schweigt weiter
25.05.2007, 11:25 UhrNach den Dopingbeichten seiner einstigen Rad-Kollegen vom Team Telekom wird Jan Ullrich vorerst definitiv keine Stellung zu den aktuellen Vorkommnissen beziehen. "Es gibt für Jan keinen Grund, sich öffentlich zu äußern", wird sein Manager Wolfgang Strohband auf Ullrichs Internetseite "janullrich.de" zitiert.
Meldungen, nach denen Ullrich zu den aktuellen Ereignissen Stellung beziehen wird, seien falsch. Zuvor hatten sich widersprechende Strohband-Zitate in zwei Medien für Verwirrung gesorgt.
In der "Welt" hatte es geheißen: "Auch Jan wird Stellung beziehen. Wann und in welcher Form, ob durch eine Pressekonferenz oder durch eine Mitteilung über seiner Homepage ist noch offen." Er habe sich mit Deutschlands einzigem Tour-de-France-Sieger über die Dopingoffenbarungen seiner früheren Teamkollegen intensiv ausgetauscht.
Appell vom Ex-Trainer
Ullrich war zuvor von seinem ehemaligen Trainer Peter Becker zum Reden aufgefordert worden. "Ich erwarte ganz einfach eine Stellungnahme von Jan, so rum oder so rum", sagte Becker. Ullrich, der am 26. Februar seinen Rücktritt vom Radsport erklärt hatte, habe ihm immer seine Unschuld versichert. "Wenn er hoch und heilig verspricht, er macht das nicht; verdammt noch mal, kann man denn gar keinem trauen?" fragte Becker. "Was wirklich passiert ist? Der Jan könnte es sagen, wenn er es sagen will."
Für den Vorsitzenden des Bundestags-Sportausschusses, Peter Danckert, spielt eine Stellungnahme Ullrichs nach den Geständnissen mehrerer ehemaliger Teamkollegen keine große Rolle mehr, um Licht in die Hintergründe zu bringen. "Ich glaube nicht, dass wir das noch brauchen für das Gesamtbild", sagte der SPD-Politiker.
Gleichwohl sei Ullrich schlecht beraten, weiter zu schweigen, erklärte Danckert und verwies auf den Auftritt von Sprintstar Erik Zabel. Auch für Ullrich wäre es "eine seelische Entlastung. Wir haben bei Zabel gesehen, wie er mit Tränen gekämpft hat. Der Druck ruht heute noch auf Jan Ullrich", sagte Danckert. Wenn alle betrügen würden, sei es indes keine deutsche, sondern eine internationale Dimension, so der Sportausschuss-Chef. Dann könne man sich mit Ullrichs Formulierung anfreunden, er habe nicht betrogen. Diese Aussage erhalte eine neue Dimension.
Becker rief die Verbände auf, gemeinsam den "Sumpf trocken zu legen". Das gelte für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) ebenso wie für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und das Internationale Olympische Komitee (IOC). "Das IOC hat die Macht", betonte Danckert. Er forderte auch die völlige Unabhängigkeit der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) und eine bessere finanzielle Ausstattung, um den Kampf gegen den Einsatz unerlaubter Mittel gewinnen zu können.
Geschwätziger Anwalt
Ullrich hatte bisher konsequent geschwiegen. Allerdings trennte er sich am Donnerstag überraschend von seinem Anwalt Peter-Michael Diestel. "Wir haben Diestel das Mandat entzogen. Er darf nicht mehr für uns sprechen", übermittelte Ullrich-Manager Wolfgang Strohband via "Bild"-Zeitung. Diestel dagegen sagte: "Ich habe mein Mandat nieder gelegt."
Der Konflikt zwischen Ullrich und Diestel war offenbar nach einem Auftritt des Anwalts im ZDF eskaliert. Dort hatte er noch für Ullrich erklärt: "Er tut nur das, was in der jetzigen Verfahrenssituation zweckmäßig ist." Diestel stellte jedoch auch heraus, dass ihm die jüngsten Geständnisse der ehemaligen Ullrich-Kollegen nachdenklich gemacht und größte Befürchtungen geweckt hätten. "Was mein Mandant zu diesem Zeitpunkt dort wusste und was er eingenommen hat, ist nach meinen Dafürhalten ganz anders zu bewerten", unterstrich Diestel. Ullrich hat bisher immer bestritten, jemals illegale Mittel zur Leistungssteigerung genommen zu haben.
Diestel hatte das weitere Schweigen seines ehemaligen Mandanten insbesondere mit möglichen strafrechtlichen Konsequenzen erklärt und daher verkündet: "Ein Auspacken bei Jan Ullrich gibt es in diesem Sinne nicht." Es sei nicht dessen Absicht, etwas zu verheimlichen, sagte Diestel: "Er ist nur im Augenblick von Strafverfahren und Prozessen bedroht, deshalb ist sein Verhalten einfach anders."
Betrogene Betrüger
"Wenn alle anderen jetzt meinen, jetzt etwas zugeben zu müssen, dann ist das ein richtiger, logischer Weg, um dem Doping in Gänze Kampf anzusagen. Ich glaube schon, dass es der richtige Weg ist", sagte Diestel. Für seinen Ex-Mandanten müsse er das jedoch anders sehen: "Er hat eine andere Situation als Herr Dietz, Herr Henn und viele andere, weil er als Einziger, als Galionsfigur des deutschen Radsports bedroht ist durch Verfahren."
Die Bonner Staatsanwaltschaft überprüft nach den jüngsten Doping-Geständnissen ehemaliger Telekom-Profis ihre Ermittlungen gegen Jan Ullrich. Von einer möglichen Einstellung könne aber noch nicht die Rede sein, sagte Staatsanwältin Monika Ziegenberg dem sid. Es werde "routinemäßig" ständig überprüft, ob sich der Verdacht der "Täuschung und des Betruges zum Nachteil seines früheren Arbeitgebers" erhärtet oder vermindert habe.
Die Bielefelder Korruptionsexpertin Prof. Britta Bannenberg, die das Verfahren mit ihrer Klage gegen Ullrich eingeleitet hatte, hatte bereits im ZDF auf die Möglichkeit einer Einstellung hingewiesen: "Es ist schwierig, weiter vom Betrug eines Angestellten zu sprechen, wenn sein Arbeitgeber über die Dopingpraxis Bescheid wusste", sagte sie vor dem Hintergrund der jüngsten Geständniswelle.
Er habe niemanden betrogen, hatte der 33-jährige Ullrich noch bei seinem Karriereende am 26. Februar betont. "Jan Ullrich ist ja viel weitgehenderen Vorwürfen ausgesetzt", so Diestel am letzten Tag seines Mandats. T-Mobile hatte den Olympiasieger von Sydney nach dessen Verwicklung in den Skandal um den mutmaßlichen Dopingarzt Fuentes im Sommer 2006 fristlos gekündigt.
Quelle: ntv.de