700.000 Hobby-Doper Und sie werden immer jünger
27.05.2009, 18:44 UhrAuch Freitzeitsportler dopen. Das ist keine neue Erkenntnis, aber immerhin ist sie nun bis in den Bundestag gelangt. Wissenschaftler erzählten den Politikern im Sportausschuss, dass etwa 700.000 von sechs Millionen Mitgliedern in Fitness-Centern schon mal gedopt hätten. Und die Politiker? Sie waren empört.

So wie Gott ihn schuf? Experten sagen, dass Doping im Freizeitsport gang und gäbe ist.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Denn Doping im Freizeitsport ist nach Ansicht der Experten gang und gäbe. Zudem wiesen die Wissenschaftler darauf hin, dass das Einstiegsalter ständig sinke. Gleichzeitig steige die Bereitschaft, neue Mittel und Methoden auch aus der Veterinärmedizin an sich selbst auszuprobieren. Der Verband Deutscher Fitness- und Gesundheitsunternehmen erklärte in seiner Stellungnahme, dass "der Medikamentenmissbrauch erfahrungsgemäß bereits im Alter von 13 Jahren beginnt".
Etwa 700.000 von sechs Millionen Mitgliedern in Fitness-Centern hätten schon zu Dopingsubstanzen gegriffen, sagte der Sportmediziner Perikles Simon von der Gutenberg-Universität Mainz. "Und dabei geht es noch nicht um die Hobby-Fußballer oder Teilnehmer an großen Marathonläufen, wo wir auch befürchten, dass viele mit Medikamenten an den Start gehen."
Nicht nur die Spitzensportler
Das Problem der Dopingdebatte sei "ihre ignorante Einseitigkeit", sagte Mischa Kläber vom Institut für Sportwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt. "Während sich der öffentliche Dopingdiskurs seit nahezu vier Jahrzehnten auf den internationalen Hochleistungssport reduziert, hat sich die Dopingszene des Freizeit- und Breitensports ungebremst entfaltet", erklärte Kläber.
In den kommerziellen Fitnessstudios hätten sich Nutzer-Netzwerke entwickelt, wobei das Kraftsportmilieu eine zentrale Funktion besitze. Solange aber Besitz und Konsum von weit verbreiteten Dopingsubstanzen wie Anabolika nicht strafrechtlich verfolgt würden, sei nicht mit einer Besserung der Dopingsituation im Freizeitsport zu rechnen, fügte Kläber hinzu. Auch in der Prävention und Aufklärung gebe es bislang keine wirklich wirksame Gegenstrategie.
Klaus Müller, der langjähriger Leiter des Doping-Analyselabors in Kreischa und Mitautor der Studie "Doping im Breitensport", betonte, das Thema finde zwar weniger Interesse, sei aus seiner Sicht aber von höherer gesellschaftlicher Relevanz. Das Problem sei inzwischen "in Kindeshand verlagert". Medikamente würden in Sportklubs oder in der Schule gedealt. Konsum und Missbrauch gingen durch alle Schichten, Sportarten, Altersgruppen und beträfen beide Geschlechter.
"Eine gruselige Szenerie"
Die Politiker zeigten sich empört – besonders darüber, dass auch Ärzte in das System verstrickt sind. "Das ist eine gruselige Szenerie - ein echtes Problem", sagte der Sportausschuss-Vorsitzende Peter Danckert. Seine SPD-Parteikollegin Dagmar Freitag sprach sogar von einem "Flächenbrand in der Gesellschaft".
Winfried Hermann von den Grüne schreckte "die Tatsache, dass auch Ärzte eine Rolle als Dealer und Doping-Berater spielen. Detlef Parr von der FDP fand die Rolle der Ärzte und Apotheker "unglaublich".
Quelle: ntv.de, sgi/dpa/sid