NFL zittert um seine Legende Verzweifelter Brady verschwindet ins Ungewisse
17.01.2023, 21:15 Uhr
Spielt die in den Playoffs bitter gescheiterte Quarterback-Legende Tom Brady noch ein NFL-Spiel im Trikot der Tampa Bay Buccaneers? Oder in dem eines anderen Teams? Oder gar nicht mehr? Nach der Pleite in den Playoffs lässt der Superstar seine Zukunft offen.
Und wieder stellt sich die "GOAT"-Frage: Was macht Tom Brady? Die Quarterback-Legende, so viel scheint klar, geht einen anderen Weg als Cristiano Ronaldo. Dabei geht es nicht um einen geografischen, sondern um einen sportlichen. Während der Fußballer den Abgang von der großen Bühne in der sportlichen Bedeutungslosigkeit und der millionenschweren Liebe Saudi-Arabiens genießt, wird Brady den direkten Ausstieg wählen. Oder eine Fortsetzung mit größtmöglichen Ambitionen. Eine ganz schnelle Antwort wird es nicht geben, zu enttäuscht ist der 45-Jährige nach dem krachenden Knockout in der Wildcard-Runde der NFL. Er habe keinen Zeitplan, verriet er, seine ganze Aufmerksamkeit war auf das Duell gegen die Dallas Cowboys gerichtet (14:31).
Es ist schon arg verrückt: Die NFL befindet sich in der spektakulärsten Phase der Saison und doch ist der Mann, der nicht mehr mitmachen darf, das alles überlagernde Thema. Denn für Brady wird eine gerne zitierte Floskel außer Kraft gesetzt. Niemand ist größer als das Team, niemand größer als der Sport, heißt es oft. Bei Brady gilt das nicht. Der Superstar überstrahlt alles und jeden. Neunmal ist er mit seinen Mannschaften in den Super Bowl eingezogen, siebenmal hat er gewonnen. Mehr Legende geht eben nicht. Und wenn sich wieder einmal die Frage stellt, ob diese wohl prägendste Gestalt der Football-Geschichte in der Nacht zu Dienstag zum letzten Mal das Ei geworfen hat, dann ist das eben nationale Angelegenheit. Und mehr. Eine ganze Szene zittert um seine Legende.
"So wollten wir es nicht beenden. Harter Abend"
Sein Vertrag bei den Tampa Bay Buccaneers läuft aus. 2020 war er zur Franchise gestoßen und hatte direkt den Super Bowl gewonnen. Es wäre der wahrscheinlich beste Zeitpunkt für das Ende seiner Karriere gewesen. Das folgte ein Jahr später, dauerte aber nur 41 Tage. Brady spürte wieder Lust in sich - gegen alle Widerstände. Die Ehe mit Gisele Bündchen soll auch deswegen zerbrochen sein. Und auch sportlich war die dritte Saison bei den "Bucs" eher ein Scherbenhaufen, denn eine Endorphinreise. Schon die Hauptrunde war eine Enttäuschung, im 23. NFL-Jahr seiner Karriere erlebte er mit nur 8 Siegen in 17 Spielen erstmals mehr Niederlagen als Erfolge in der Hauptrunde. Und dann eben der krachende K.o. gegen die Cowboys. Zur Halbzeit lag das Team 0:18 hinten.
Während Dak Prescott auf der Gegenseite mit vier Touchdown-Pässen und einem erlaufenen Touchdown glänzte und feierte, wurde Bradys Gesichtsausdruck immer unzufriedener und ratloser. Gegen die Cowboys entwickelten die Bucs lange Zeit überhaupt keine Gefahr und waren auch nach dem ersten Touchdown zum Ende des dritten Viertels weitestgehend chancenlos. "So wollten wir es nicht beenden. Harter Abend", sagte Brady. Womöglich steckt in diesen Worten auch ein Fingerzeig für seinen eigenen Weg. Kaum vorstellbar, dass der Quarterback seine überragende Karriere mit diesem Eindruck abschließen möchte.
Brady blieb erst zum zweiten Mal in seiner Laufbahn in einem Playoff-Spiel bis zur Pause ohne Punkt, warf erstmals seit dem Wechsel nach Tampa eine Interception in der Red Zone, also innerhalb der letzten 20 Yards vor der Endzone. Brachte nur 35 von 66 Pässen an, fand nie in den Rhythmus. "Das war typisch dafür, wie wir das ganze Jahr gespielt haben. Nicht sehr effektiv im Passspiel, nicht gut im Laufspiel. Es ist schwer, ein gutes Team zu sein, wenn du so spielst", kritisierte Brady. Selbstkritik war also durchaus zu vernehmen, auch wenn Brady über die eigenen Leistungen nicht reden wollte: "Es ist ein Teamsport."
Raiders sollen "aggressiv" um Brady buhlen
Statt am kommenden Wochenende in der Divisional-Runde zum Duell mit dem Lieblingsteam aus seiner Kindheit anzutreten, den San Francisco 49ers, beginnt für Brady nun wieder die Zeit der Entscheidungsfindung. Reicht es noch für einen weiteren großen Wurf, für eine realistische Chance auf den achten Triumph im Super Bowl? Die Zweifel sind zumindest berechtigt. Auf dem Feld präsentierte sich Brady oftmals ungewohnt fehlerhaft. Zwar erzielte er die drittmeisten Passing Yards (4694) aller NFL-Quarterbacks, dafür steuerte Brady im Vergleich zur Vorsaison 17 Touchdowns weniger bei (25 statt 43).
Und dennoch scheint das Interesse an Brady groß. Medien bringen gleich mehrere Franchises in die Verlosung. Unter anderem die 49ers. Doch mit dem erstaunlichen "Mr. Irrelevant" Brock Purdy sowie Top-Talent Trey Lance hat San Francisco bereits zwei Hoffnungsträger in den eigenen Reihen. Darüber hinaus machte Routinier Jimmy Garoppolo, dessen Vertrag ausläuft, vor seiner Fußverletzung einen guten Job. Laut "CBS"-Reporter Jonathan Jones wollen die Las Vegas Raiders "aggressiv" um TB12 buhlen. Das Team aus der Zocker-Metropole will sich nach neun Jahren von Quarterback Derek Carr trennen. NFL-Insider Ian Rapoport brachte Brady zudem mit den Tennessee Titans in Verbindung. Eine Rückkehr zu den "Bucs" ist eine weitere Option. Seine Worte nach dem K.o. lassen indes reichlich Anlass zur Spekulation. "Ich liebe diese Organisation, es ist toll hier. Ich bin zutiefst dankbar, dass ihr mich hier so herzlich aufgenommen habt und für den Respekt, der mir entgegengebracht wurde." Klingt irgendwie nach Abschied. Aber tatsächlich auch für immer?
Quelle: ntv.de, tno mit dpa/sid/sport.de