Walter Kafitz im Gespräch Vettel ist ein "Gottesgeschenk"
09.07.2009, 15:45 Uhr
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (rechts) Tennis-Star Boris Becker, Walter Kafitz und Landtagspräsident Joachim Mertes (l-r) bei der Eröffnung des 250-Millionen-Euro-Projekts "Nürburgring 2009".
(Foto: dpa)
Erstmals seit dem Rücktritt von Rekordweltmeister Michael Schumacher kann Nürburgring-Chef Walter Kafitz am Wochenende beim Großen Preis von Deutschland mit Sebastian Vettel wieder einen Lokalhelden präsentieren. "Ich habe ja gesagt, das ist ein Gottesgeschenk, so einen Siegertypen im doppelten Sinne zu haben", sagte Kafitz. In dem Interview sprach er auch über das Risiko, Formel-1-Rennen zu veranstalten, und das neue Freizeit- und Businesszentrum, das am Nürburgring eröffnet wurde.
Wie oft haben Sie dem Schicksal schon gedankt, dass es Ihnen Sebastian Vettel geschickt hat?
Kafitz: "Schon häufiger, und zwar immer dann, wenn er sich mit positiven Schlagzeilen bemerkbar gemacht hatte. Das heißt in der letzten Zeit immer häufiger."
Wie wichtig ist es für den Nürburgring, dass in Vettel erstmals seit Michael Schumacher wieder ein Deutscher im Titelkampf mitmischt?
"Ich habe ja gesagt, das ist ein Gottesgeschenk, so einen Siegertypen im doppelten Sinne zu haben. Einmal von seiner Schnelligkeit, zum anderen von seinem Charakter. Er ist halt in jeder Beziehung gewinnend. Allerdings sollte man ihn nicht zu häufig mit Michael Schumacher vergleichen. Er hat den Hype in der Formel 1 in der ersten Hälfte der 90er Jahre begründet. Und hat insofern den Weg geebnet für andere deutsche Rennfahrer. Abgesehen davon, dass der eine Vettel und der andere Schumacher heißt, ist da schon ein fundamentaler Unterschied."
Hat die Nachfrage nach Karten nach dem Vettel-Sieg in Silverstone noch einmal angezogen?
"Die ist auf gleichbleibend hohem Niveau geblieben. Es gab keinen großen Ausschlag nach oben. Es kann aber auch sein, dass dies die Vettel-Fans sind, die im letzten Moment auf den fahrenden Zug aufspringen, während die anderen längst schon ihre Tickets haben. Vielleicht wäre die Nachfrage sonst abgeflacht. Insofern ist das auch ein positiver Effekt."
Fünf deutsche Fahrer, ein Titelkandidat, zwei deutsche Hersteller, viel Tradition - und dennoch könnte die Formel 1 schon bald um Deutschland einen Bogen machen. Hat die Formel 1 in Deutschland überhaupt noch eine Zukunft?
"Auf jeden Fall. Warum ist das Problem entstanden? Das ist doch nur aufgrund der hohen Kosten entstanden. Das wird immer schwieriger zu finanzieren."
Was muss getan werden, damit Deutschland als Formel-1-Standort erhalten bleibt?
"So lange die Nachfrage nach Formel-1-Läufen noch immer größer ist als das Angebot, wird das Kostenproblem schwer zu lösen sein. Jetzt habe ich gehört, dass in Fuji 2010 nicht mehr gefahren wird. Es wird nicht mehr in Frankreich gefahren, es wird nicht mehr in den USA gefahren, vielleicht im nächsten Jahr nicht in Deutschland. Das ist also kein deutsches Phänomen, kein europäisches Phänomen - es ist ein internationales Phänomen. Wir konkurrieren mit anderen Staaten, die andere Interessen verfolgen, touristische Interessen, Image-Interessen - und die das nötige Geld haben. Ich denke zum Beispiel an Singapur, an Bahrain." Im Bericht des Rechnungshofes 2006 hieß es, die wirtschaftliche Lage der Nürburgring GmbH sei "äußerst angespannt".
Wie ist die Situation heute? Haben Sie noch genug Eigenkapital?
"Wir haben noch genügend Eigenkapital. Die wirtschaftliche Angespanntheit kommt nur durch die Formel 1. Man muss unsere Gesellschafterstruktur kennen, das Land Rheinland-Pfalz hat 90 Prozent, der Landkreis Ahrweiler 10 Prozent. Für die Region ist die Formel 1 ein Gewinn und damit auch für das Land und den Landkreis. Nur so kann man die Formel 1 begründen und rechtfertigen. Wenn wir in der gleichen Situation wären wie der Hockenheimring, dann wäre das bei uns auch nichts anderes. Da muss die Kleinstadt Hockenheim die ganze Last tragen, profitieren tut aber auch das Umfeld."
Möchten Sie weiterhin im Wechsel mit dem Hockenheimring, wo wegen der Finanzprobleme über einen Ausstieg aus der Formel 1 nachgedacht wird, den Großen Preis von Deutschland veranstalten?
"Ich würde das begrüßen."
Wird für Sie die Formel 1 auch in diesem Jahr ein Verlustgeschäft?
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine Rennstrecke gibt, die keinen Verlust mit der Formel 1 macht." Inwieweit spüren Sie die Wirtschaftskrise? Kafitz: "Die Wirtschaftskrise spürt jeder. Da wir mit dem Umfeld vernetzt sind, spüren wir sie auch. Zum Beispiel im Bereich Firmenevents. Da ist überall ein deutlicher Rückgang."
Jetzt ist das neue Freizeit- und Businesszentrum am Nürburgring eröffnet worden. Ist das die Zukunft für die deutschen Rennstrecken?
"Ich denke, das ist eine Nürburgring-Lösung. Denn der Nürburgring war immer mehr als eine Rennstrecke. Wir sind ein Freizeitunternehmen mit Schwerpunkt Motorsport, wir sind ein nationales Monument. 34 Prozent der Deutschen sehen uns so. Es gibt schon jetzt eine Vielzahl von Angeboten. Und wir haben vor allem die Nordschleife mit dem Mythos 'Grüne Hölle'."
Quelle: ntv.de, Claas Hennig, dpa