51 Kilometer in die Rente Voigt verschiebt Weltrekord um 1415 Meter
19.09.2014, 06:23 Uhr
Der alte Mann aus Grevensmühlen: Jens Voigt qält sich in letztes Mal und landet in den Geschichtsbüchern.
(Foto: picture alliance / dpa)
Als erster Deutscher stellt der Mecklenburger Jens Voigt einen Stundenweltrekord auf. In der Schweiz überbietet der 43-Jährige die alte Bestmarke um mehr als einen Kilometer. Mit dem Husarenritt vor begeisterten Zuschauern beendet er seine Karriere.
Nach seiner 51,115 Kilometer langen Rekordfahrt in die Rente hängte Jens Voigt unter dem Jubel der 1600 Zuschauer sein Rad an den symbolischen Nagel. "Ich bin überglücklich", sagte der erste deutsche Stundenweltrekordler: "Jetzt kann ich nach Hause fahren, meine Kinder in den Arm nehmen und sagen: Papa hat was geschafft."
Als erster Deutscher trug sich der gebürtige Mecklenburger bei seinem Stundenweltrekord einen Tag nach seinem 43. Geburtstag in Grenchen in die Liste ein, in der Legenden wie Eddy Merckx, Fausto Coppi und Jacques Anquetil stehen. "Dass ich da jetzt auch meinen kleinen Namen lesen darf, macht mich sehr, sehr stolz", sagte Voigt, der seine Karriere nach 18 Profijahren mit dem Rekord von Grenchen beendet.
Ein letztes Mal quälen
Unter dem tosenden Jubel der Zuschauer, die ihn mit Standing Ovations durch die letzten Runden trugen, erreichte der 17-fache Tour-de-France-Starter in der Schweiz sein großes, sein letztes Ziel - deutlich schneller als der Tscheche Ondrej Sosenka bei seinen 49,700 km 2005 in Moskau. Im Ziel war Voigt zunächst zu erschöpft für große Gesten, vollkommen erledigt nahm er als erstes die Gratulation seiner Eltern entgegen.
Wenig später hatte er sich aber schon wieder gefangen: "Ich wusste ja, ich quäle mich zum letzten Mal in meinem Leben. Ab jetzt gibt es keine Schmerzen mehr." Einen "Tick zu schnell" sei er die Rekordfahrt angegangen, "deshalb musste ich auch in den zweiten 20 Minuten ein bisschen den Dampf rausnehmen".
Neuer Schub für Rekordhatz
Nach zehn Kilometern war Voigt bereits 12,5 Sekunden schneller als der für den Rekord errechnete Fahrplan, nach 20 Kilometern hatte er das auf 24,3 Sekunden ausgebaut. Ganz ruhig saß der sechsfache Familienvater im Sattel seiner Maschine mit den schwarzen Scheibenrädern im Chronografen-Design. Wie ein Uhrwerk drehte er einen Tag nach seinem 43. Geburtstag seine Runden auf dem 250 Meter langen Oval. Nach einer knappen halben Stunde ging er zum ersten Mal aus dem Sattel, um den Rücken ein wenig zu entlasten. Eine Viertelstunde vor dem Ende wurde deutlich, dass der einsame Kampf, den Jens Voigt gegen die Uhr und gegen sich selbst führte, härter wurde.
Immer wieder rutschte er im Sattel hin und her, um seine Sitzposition zu verändern - dennoch blieb er mit dem unermüdlichen Stakkato seiner Beine im Plan. "Ich bin froh, dass ein Sportler wie Jens Voigt mit einem so hohen Bekanntheitsgrad diesen Rekordversuch fährt", sagte Brian Cookson, Präsident des Radsport-Weltverbandes UCI, vor dem finalen Showdown: "Ich hoffe, dass er viele andere animiert, es auch mal zu versuchen."
UCI stoppt Technik-Schlacht
Voigt könnte durchaus eine neue Welle losgetreten haben, neben dem Schweizer Fabian Cancellara haben bereits der frühere Tour-Sieger Bradley Wiggins und auch Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin bekundet, durchaus Interesse am Stundenweltrekord zu haben. "Ich habe meinen Rekord, jetzt müssen die anderen zeigen, dass sie es besser können", sagte Voigt nach seinem großen Finale. Er hat vorgemacht, wie es geht.
Die Rekordhatz hatte 1893 begonnen: Der spätere Tour-Gründer Henri Desgrange fuhr als erster Weltrekordler 35,325 Kilometer. Der Brite Chris Boardman hatte den Rekord am 7. September 1996 auf sagenhafte 56,375 km geschraubt. Aber die UCI schritt ein und verbot im Jahr 2000 futuristische Rahmengeometrien und außergewöhnliche Sitzpositionen. Von da an war nur noch Material mit dem Standard von 1972 erlaubt, die vor 2000 gefahrenen Bestmarken verloren den Status Weltrekord.
Quelle: ntv.de, jwu/sid/dpa