Betrugsaffäre beim THW Kiel Vorwürfe und Beteuerungen
10.03.2009, 13:51 UhrIm Zuge der vermeintlichen Manipulationsaffäre bei Handball-Rekordmeister THW Kiel hat Jesper Nielsen, Gesellschafter bei den Rhein-Neckar Löwen, seine schweren Vorwürfe gegen THW-Manager Uwe Schwenker und den ehemaligen Kieler Trainer Noka Serdarusic konkretisiert. "Ich kann bestätigen, dass mir von Serdarusic Casino-Belege und Kontoauszüge gezeigt wurden, die den THW belasten. Als ich das gesehen habe, war ich schockiert. Ich konnte das kaum glauben", sagte der Däne dem "Mannheimer Morgen". Damit bestätigte er Informationen des "Spiegel".
Nach Meinung Nielsens habe sich der Handball offensichtlich in eine Richtung verändert, "die niemand für möglich gehalten hätte. Das macht mich traurig." Die Staatsanwaltschaft Kiel hatte am Montag ein Ermittlungsverfahren gegen Schwenker wegen Verdachts der Untreue sowie gegen Serdarusic wegen Beihilfe dazu eingeleitet.
Ermittlungen mit Hochdruck
Nielsen könnte bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Kiel in den nächsten Tagen eine Schlüsselrolle spielen. "Zum genauen Vorgehen werden wir keine Auskunft geben. Jeder kann aber sicher sein, dass hier bei der Staatsanwaltschaft Profis am Werk sind. Ich habe zwei, drei Staatsanwälte auf diesen Fall angesetzt. Wir arbeiten mit Hochdruck daran", erklärte Oberstaatsanwalt Uwe Wick. Die Behörde hatte am Tag zuvor ein Ermittlungsverfahren gegen Schwenker wegen des Verdachts der Untreue sowie gegen Serdarusic wegen Beihilfe dazu eingeleitet.
Im Zuge ihrer Ermittlungen hat die Behörde mittlerweile auch die geforderte Stellungnahme von Andreas Rudolph, Präsident des Bundesligisten HSV Hamburg, erhalten. Auf Rudolphs Anwesen auf Mallorca soll Schwenker bei einer Party im Sommer 2007 erstmals Manipulationen zugegeben haben. "Die Staatsanwaltschaft hat mich angerufen. Ich habe dann eine schriftliche Aussage getätigt und sie der Behörde per Mail zukommen lassen. Diese Aussage würde ich auch jederzeit beeiden", bestätigte der HSV-Boss in der "Hamburger Morgenpost".
Flensburg droht mit Schadenersatzklage
Geschäftsführer Fynn Holpert von Kiels Dauerrivalen SG Flensburg-Handewitt hat indes Regressforderungen gegen den THW angekündigt, falls sich die Vorwürfe gegen Schwenker und Serdarusic bewahrheiten sollten. "Dann steht uns der Titel 2007 automatisch zu. Und dann werden wir gegen Kiel Regressansprüche stellen. Denn uns sind Prämien von Sponsoren, Förderern und der EHF entgangen", sagte Holpert den Lübecker Nachrichten, räumte aber gleichzeitig ein: "Das wäre für den Handball der Super-Gau." Auch die Europäische Handball-Föderation (EHF) und THW-Hauptsponsor Provinzial Versicherungen bereiten sich auf eventuelle Schritte gegen den Club vor.
Nach Recherchen des "Flensburger Tageblatts" soll sich der THW Kiel den Champions-League-Sieg 2007 erkauft haben. Der "Spiegel" hatte den Vorwurf konkretisiert und eine Summe von 96.000 Euro genannt, mit der die beiden polnischen Schiedsrichter des Rückspiels bestochen worden sein sollen. Insgesamt soll Kiel seit 2000 mindestens zehn Spiele in der Champions League manipuliert haben. Grund für die Bestechungen sei das gegen den FC Barcelona verlorene Champions-League-Finale 2000 gewesen. Der Ablauf des Final-Rückspiels habe Schwenker und Serdarusic klar gemacht, dass der wichtigste Titel im europäischen Vereinshandball auf faire Weise nicht zu gewinnen sei.
Vereine bestreiten Vorwürfe
Der FC Barcelona verwahrte sich inzwischen gegen die Manipulationsvorwürfe des "Spiegel". "Wir haben nie Spiele manipuliert. Nicht in der Zeit, als ich Spieler war, und nicht in der Zeit, seit ich Manager bin", sagte Xavier O'Callaghan, Manager des Champions-League-Rekordsiegers.
Auch der THW Kiel weist alle Manipulationsvorwürfe weiterhin als haltlos zurück. Nach einer zweieinhalbstündigen Krisensitzung mit den Gesellschaftern, dem Beirat und Schwenker selbst am späten Montagabend teilte der Verein in einer schriftlichen Erklärung mit: "Nach eingehender Diskussion sind aber auch weiterhin keinerlei belastbare Fakten bekannt, die diese Gerüchte bestätigen. Damit stehen Gesellschafter und Beirat auch weiterhin vorbehaltlos hinter dem THW."
Kapitän Lövgren: Nie etwas gemerkt
Kiels Kapitän Stefan Lövgren erklärte derweil, er könne sich nicht vorstellen, dass sein Club Champions-League-Spiele manipuliert haben soll. Er habe in all den Jahren "nicht die kleinste Andeutung" gespürt, sagte der schwedische Handball-Profi in einem Interview der "Welt": "Deshalb will und kann ich die ganzen Gerüchten nicht glauben."
Er habe in den vergangenen zehn Jahren keine "Ungereimtheiten" gemerkt - auch seitens seines früheren Trainers Zvonimir Serdarusic nicht. Lövgren spielt seit 1999 für den Bundesliga-Spitzenreiter.
Zudem habe THW-Manager Schwenker zu den Vorwürfen "vor der ganzen Mannschaft noch mal erklärt, dass da gar nichts dran ist", sagte Lövgren. Die Affäre treffe Schwenker aber sehr hart. "Er ist angeschlagen und steht unter Druck, keine Frage", sagte der 38-Jährige. Lövgren befürchtet, dass die Affäre den THW und den Profi-Handball insgesamt "noch eine ganze Weile" verfolgen wird.
Vereine fordern unabhängige Schiedsrichter
Unterdessen haben die Vertreter von führenden europäischen Clubs als Reaktion auf die Vorwürfe gegen den THW Kiel unabhängige Schiedsrichter gefordert. Um die Kontakte der Vereine zu den Referees im Vorfeld der Spiele zu reduzieren, sollten analog zur Basketball-Euro-League die Unparteiischen nicht von den Clubs betreut werden, sondern eigenständig zu den Spielen anreisen.
Zudem wurden auf der Champions-League-Tagung am Montagabend in Wien die Einführung von Profi-Schiedsrichtern sowie eine kürzere Ansetzungsfrist diskutiert. Bislang werden die Unparteiischen in der Champions League zwei Wochen vor den Spielen von der Europäischen Handball-Föderation (EHF) nominiert.
"Ich glaube nicht, dass eine bessere Entlohnung die potenzielle Bestechlichkeit reduzieren würde. Ein Lump wäre trotzdem anfällig", sagte Frank Bohmann, Geschäftsführer des Ligaverbandes HBL, dem "Bonner Generalanzeiger". In der Champions League erhalten die Schiedsrichter ihre Reisekosten erstattet und eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 400 Euro. Für die Betreuung der Referees inklusive Unterbringung und Freizeitprogramm sind die gastgebenden Vereine zuständig.
Quelle: ntv.de