Pechstein-Lager empört: "Sauerei" WADA kündigt konkrete Regeln an
27.11.2009, 17:36 UhrDie Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) will am Dienstag auf der Exekutivkomitee-Sitzung in Stockholm den Leitfaden für das sogenannte "Blutpass-Programm" verabschieden. Im Umfeld der gesperrten Claudia Pechstein sorgt diese Ankündigung erwartungsgemäß für heftige Empörung.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat seit dem 1. Januar im WADA-Code die Möglichkeit geschaffen, dass Verlaufskontrollen von Blutwerten auch zum Dopingnachweis verwendet werden können. Um ein solches "indirektes Nachweisverfahren" erfolgreich anwenden zu können, wird eine Harmonisierung angestrebt, zu der die WADA im September 2009 einen ersten Entwurf (Guidelines) zum sogenannten "Blutpass-Programm" mit Vorgaben für die Probenabnahme, Transport, Analyse im Labor und Datenauswertung erarbeitet hat. Dieses Programm soll nun am 1. Dezember von der WADA-Exekutive auf den Weg gebracht werden.
Das Programm sieht vor, folgende neun Blutparameter zu erfassen: Hämatokrit, Hämoglobin, Retikulozyten, Anzahl der Roten Blutkörperchen, Erythrozytenvolumen, Hämoglobingehalt der Erythrozyten, Mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration, Weiße Blutkörperchen oder Leukozyten und Blutplättchen oder Thrombozyten. Nicht bekannt ist bislang, ob der Rückgriff auf mehrere Blutwerte zum indirekten Dopingnachweis in den neuen Regeln verbindlich vorgeschrieben wird, oder nur eine Empfehlung ist.

Die WADA will am 1. Dezember ein konkretes "Blutpass-Programm" verabschieden, um die Beweisführung bei indirekten Nachweisverfahren zu vereinheitlichen.
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Seit mehr als zehn Jahren versuchen Sportverbände anhand von Blutparametern Dopingmaßnahmen zur Verbesserung des Sauerstofftransports zu bekämpfen. Im Fall Pechstein hat der Eislauf-Weltverband ISU nur einen Blutparameter (Retikulozyten) zum Nachweis einer unerlaubten Manipulation herangezogen.
Verschwörung gegen Pechstein?

Claudia Pechstein ist wieder einmal öffentlich empört.
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Im Umfeld der gesperrten Eisschnelllauf-Olympiasiegerin löste die Ankündigung, dass das neue Regelwerk kurz nach ihrer Verurteilung vor dem CAS verabschiedet werden soll, Empörung aus. "Das ist die größte Sauerei, die jemals im Umfeld des Anti-Doping-Kampfes stattgefunden hat. Das muss man sich mal vorstellen: Am 25. November wurde das Urteil gegen Claudia verkündet, nicht einmal eine Woche später entscheidet die WADA über Richtlinien, die eine Sperre unmöglich gemacht hätten", sagte Pechsteins Manager Ralf Grengel. Schon vor Bekanntgabe des Urteils hatte das Pechstein-Lager wiederholt die Integrität der CAS-Richter infrage gestellt und behauptet, die Eisschnellläuferin werde nur aus sportpolitischen Gründen gesperrt.
Die Verschwörungstheorie sieht man nun offenbar bestätigt. "Pechstein wird mit nur einem auffälligen Wert gesperrt und für alle anderen gelten künftig neue Guidelines", erklärte der Konstanzer Jurist Christian Krähe, einer von Pechsteins Anwälten. Seine Mandantin sei vom CAS nur als "Versuchskaninchen" angesehen worden, behauptete er. Der CAS hatte in seiner Urteilsbegründung angegeben, dass eine illegale Manipulation des eigenen Blutes die "einzige vernünftige Erklärung" für derart abnormale Retikulozyten-Werte wie bei Pechstein sei und dies in seinem 63-seitigen Urteil ausführlich begründet.
Während der Verhandlungen vor dem CAS war der neue WADA-Leitfaden allen beteiligten Parteien von den Richtern selbst vorgestellt worden. Zum Zeitpunkt der Anhörung in Lausanne galt der neue Leitfaden noch nicht.
Aufenthaltsorte veröffentlicht
Die Ankündigung der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA, Strafanzeige gegen unbekannt zu prüfen, wurde von der Pechstein-Seite hingegen befürwortet. "Wir würden dies begrüßen, weil wir wissen, dass solche Ermittlungen ohne Ergebnis eingestellt werden müssten. Das wäre aus meiner Sicht ein handfester Beweis für Claudias Unschuld, denn dann bliebe ja nur noch die These, sie sei über fast ein Jahrzehnt das beste Ein-Mann-Doping-Labor der Welt gewesen", sagte Grengel.
Auf ihrer Homepage listete Pechstein inzwischen alle Abmeldungen an die WADA (Whereabouts) vom Januar und Februar 2009 auf. Grund ist der durch die Urteilsbegründung des CAS bekanntgewordene Vorwurf der ISU, Pechstein habe durch ständige Standortwechsel vor der Mehrkampf-Weltmeisterschaft in Hamar unangekündigte Trainingskontrollen erheblich erschwert. Pechstein bestreitet das: "Im fraglichen Zeitraum habe ich mich lediglich an den Orten des Wettkampfkalenders (EM/Heerenveen, Weltcup/Erfurt, WM/Hamar) und bei mir zu Hause in Diensdorf aufgehalten."
Quelle: ntv.de, cwo/dpa