"Bislang ist das eine Farce" WM-Gesichter nur "Karteileichen"
01.07.2009, 11:32 UhrWeitspringer Sebastian Bayer fühlt sich vom Organisationskomitee der Leichtathletik-WM in Berlin vernachlässigt. Auch an den Medien und dem Deutschen Leichtathletik-Verband übte der Hallen-Europarekordler in einem Interview harsche Kritik.

Unzufrieden: Sebastian Bayer springt den eigenen Ansprüchen im Moment noch hinterher.
(Foto: REUTERS)
Bayer, der im März mit seinem wundersamen Satz auf 8,71 Meter zu EM-Gold gesprungen und anschließend als eines von 17 Gesichtern für die WM vorgestellt worden war, kritisierte in der "Sport Bild" die Werbung für die Weltmeisterschaft 2009: "Bislang ist das eine Farce. Fast alle Top-Athleten würden gerne für die WM werben, aber es kommt niemand auf einen zu. Wir werden wie Karteileichen behandelt." Seit März habe er nichts mehr von der Aktion "Gesichter der WM" gehört.
Stimmt nicht, halten die WM-Macher entgegen. Er sei unter anderem als WM-Werbefigur zu "Wetten, dass …?" und zum DFB-Pokalendspiel eingeladen worden, sagte jedoch ab. "Das ist reine Pressearbeit gewesen. Die lobe ich in höchsten Tönen. Die Kritik ist gegen die Werbeaktivitäten gerichtet", erklärt Bayers Managerin Esther Kölmel, um dann auf den Punkt zu kommen: "Das Problem ist, dass sich das WM-OK auf die Fahnen geschrieben hat, dafür kein Geld zu bezahlen."
Sarkastisch kommentierte WM-Vermarkter Michael Mronz das Gezeter: "Wenn die Vielzahl der Terminanfragen an Sebastian Bayer von seinem Management nicht weitergegeben werden, ist Kritik nachvollziehbar." Für die nächsten Wochen kündigte Mronz "viele Aktionen mit den 17 Gesichtern der WM" an. Ähnliche Ansagen gibt es allerdings schon seit fast einem Jahr.
Stagnierender Ticketverkauf

Bislang ist "Berlino" das Gesicht der WM.
(Foto: REUTERS)
Unbestritten ist, dass es weiterhin Probleme bei der Vermarktung gibt. Derzeit sind nur knapp über 220.000 der 500.000 angestrebten Tickets für die Titelkämpfe verkauft. Die Zahl stagniert seit Februar, weil von Reiseveranstaltern vorgebuchte Optionen zurückgegeben werden. Eine repräsentative Umfrage des Sport Information-Dienstes hatte jüngst ergeben, dass nur 18,1 Prozent der Deutschen überhaupt wissen, dass die WM in Berlin stattfindet.
Auch in Berlin selbst ist der Bekanntheitsgrad noch ausbaufähig. Der "Berliner Zeitung" zufolge wussten Anfang Juni nur 64 Prozent der Berliner von der Austragung der WM in der Hauptstadt. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen waren es sogar nur 48 Prozent. Zudem fehlen sieben Wochen vor dem ersten Startschuss noch zwei von fünf nationalen Partnern.
Medien- und Verbandsschelte
Im Interview holte Bayer, der nach gesundheitlichen Rückschlägen der WM-Norm von 8,15 Meter noch hinterherspringt, auch zur Medienschelte aus. "Sobald man nicht mehr vorn dabei ist, wird man durch den Fleischwolf gedreht. Das war mir klar." Nach der EM hätten sich Journalisten "die Finger wundgewählt", um Statements von ihm zu erhalten. "Das sind jetzt die Ersten, die einen zum Versager oder Arbeitsverweigerer machen, ohne nach den Gründen zu fragen."
Auch den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) nahm der 23-jährige Bremer wegen zu hoch angesetzter Normen bei seiner Generalkritik nicht aus: "Damit setzt er uns Sportler extrem unter Druck." Andere Länder würden ihre Top-Stars besser schützen. So müsse seine Freundin, die Hürdensprinterin Carolin Nytra, nach einer eitrigen Mandelentzündung Wettkämpfe machen, um die Norm zu knacken, statt sich aufs Training konzentrieren zu können.
Für die WM machte Bayer wenig Hoffnung auf Superweiten. Die neue Bahn im Olympiastadion sei "butterweich". "Die Anlage kostet zirka 20 Zentimeter. Zum Glück herrscht für alle Chancengleichheit."
Quelle: ntv.de, sid