Kontrolle ist besser Wack führt Videobeweis ein
28.02.2005, 12:55 UhrDer 27. Februar 2005 dürfte als historisches Datum in die deutsche Fußball-Geschichte eingehen: Schiedsrichter Dr. Franz-Xaver Wack, Zahnarzt aus dem bayerischen Biberbach, führte in der 41. Minute beim 1:1 (0:0) zwischen Bayer Leverkusen und dem VfB Stuttgart kurzerhand den "Video-Beweis" im deutschen Profi-Fußball ein, als er seine ursprüngliche Entscheidung "Abstoß" nach Studium der Bilder im Stadion-TV auf "Eckball" revidierte.
Schon zuvor hatte der Referee ein klares Festhalten von Markus Babbel an Dimitar Berbatow (14.) zunächst nicht gesehen, nach Beendigung der nächsten Spielsituation seinen Assistenten an der Linie kontaktiert und nachträglich auf Freistoß für Bayer sowie Verwarnung für Babbel entschieden. "Es geht darum, langsam und richtig zu entscheiden, anstatt schnell und falsch", resümierte Wack, der mit dem "Video-Beweis" der derzeitigen Entwicklung im Welt-Fußball allerdings weit voraus ist.
Fifa-Präsident Joseph Blatter wehrt sich vehement gegen TV-Bilder, die die Urteilsfindung der Schiris unterstützen. Bundesliga-Schiedsrichterbeobachtet Peter Gabor (Berlin) zeigte sich erzürnt, dass der Unparteiische auf Grund der Bilder im Stadion überhaupt in Verlegenheit gebracht wurde: "Es geht nicht, dass solche strittigen Szenen gezeigt werden."
Die Leistung von Wack wurde unterdessen sehr unterschiedlich bewertet, von sehr gut und couragiert bis mangelhaft und wenig souverän reichte die Palette. "Vor einem halben Jahr haben sie noch anders gepfiffen. Herr Wack hat doch nicht gewettet, er soll so pfeifen, wie er es vorher auch getan hat", meinte Bayer-Chefcoach Klaus Augenthaler, der das Babbel-Foul an Berbatow als klare Rot-Attacke wertete. Außerdem schimpfte "Auge" über den Foulelfmeter (Bernd Schneider an Kevin Kuranyi), der zum 1: 1-Ausgleich durch Cacau (89.) führte: "In England hätten sie den Schiedsrichter gelyncht, wenn er so einen Elfmeter gibt. Da müsste es in jedem Spiel acht bis zehn Elfmeter geben."
Der Bayer-Trainer hat wegen des Wett- und Manipulationsskandals um Ex-Referee Robert Hoyzer eine totale Verunsicherung der Schiedsrichter ausgemacht. Regelgerecht entschied Wack jedoch nach Berbatows 1:0 (80.). Der Bulgare zog das Trikot hoch, zeigte die aufmunternde Aufschrift für den zum vierten Mal an einem Kreuzbandriss laborierenden Kapitän Jens Nowotny ("Keep on Fighting Jenne") und sah dafür zu Recht "Gelb". Augenthalers Stuttgarter Kollege Matthias Sammer warb derweil für Verständnis: "Die Schiris haben es sauschwer."
Gleichzeitig echauffierte sich der Europameister von 1996 darüber, dass er auf Grund seiner Schiedsrichter-Schelte nach der Niederlage in Berlin, als er im Nachhinein mit moderaten Aussagen das Verhältnis zu den Referees entspannen wollte, einen Brief vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) erhalten hatte. Darin war Stuttgart aufgefordert worden, seinen Trainer zu disziplinieren. Sammer: "Dieses DFB-Schreiben war eine Unverschämtheit. Denn ich habe versucht, die Wogen wieder zu glätten. Normalerweise musst du Vollgas geben und sagen, dass alles Murks ist, dann wirst du erhört. Aber das gehört sich halt nicht."
Einmal in Fahrt kritisierte "Motzki" Sammer auch die katastrophalen Platzverhältnisse im Gottlieb-Daimler-Stadion im Uefa-Cup-Duell gegen den FC Parma (0:2 n.V.), als seine Mannschaft "120 Minuten durchs Moor gelaufen" sei. Er kündigte an, höchstpersönlich einen neuen Rasen verlegen zu wollen. Drastisch kommentierte hingegen VfB-Torwart Timo Hildebrand das glückliche Remis in der BayArena. "Wir reißen uns zu wenig den Arsch auf. Das ist nicht der VfB wie ich ihn kenne", meinte er bei Premiere.
Quelle: ntv.de