Sport

Löw vor heikler England-Mission Warnung an Abweichler

Große Ansprache, Verhaltens-Kodex, Prämien-Poker - nur vom Kräftemessen mit England redet fast noch niemand. Joachim Löw steht bei der 31. Auflage des Fußball-Klassikers an diesem Mittwoch im Berliner Olympiastadion vor einer heiklen Mission. Auf der einen Seite muss der Bundestrainer die jüngsten Differenzen und Streitigkeiten in der deutschen Nationalmannschaft endgültig beseitigen, andererseits soll nach einem turbulenten 2008 das Jahr auch sportlich zu einem guten Abschluss gebracht werden. "Ich habe seit vielen Jahren kein so starkes England mehr gesehen", verwies Löw schon vor der Zusammenkunft des deutschen Kaders auf die Schwere der Aufgabe, auch wenn die Engländer mit einigen Personalsorgen und ohne ihre Stars David Beckham und Wayne Rooney anreisen werden.

"England ist die Mannschaft der Stunde", betonte Löw und verwies auf die Fortschritte der Briten unter dem neuen Teammanager Fabio Capello nach der verpassten EM-Endrunde. "Sie haben einen unglaublich starken Eindruck gemacht, kompakt, schnell nach vorne, technisch sehr gut", bemerkte der DFB-Chefcoach. Der 48-Jährige weiß um den Balance- Akt mit den drei Nationalmannschafts-Frischlingen Marcel Schäfer (Wolfsburg), Marvin Compper und Tobias Weis (beide Hoffenheim), die er am Samstag im direkten Duell ihrer Vereine noch einmal beobachtet hatte. Die Neuen fiebern einem möglichen Debüt im Prestigeduell entgegen: "Ich habe immer gleich das Wembley-Tor im Kopf", sagte Mittelfeldspieler Weis in Erinnerung an das legendäre WM-Finale von 1966.

Lukas Podolski meldet sich fit

Auf die länger verletzten Michael Ballack und Philipp Lahm verzichtet Löw. Ballack spielte zwar am Samstag wieder 22 Minuten für den FC Chelsea, das Spiel komme für den Kapitän aber nach dessen Fuß-Operationen noch "zu früh", bemerkte Löw: "Er ist noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte." Lukas Podolski, am Wochenende wegen einer Rücken-Blessur beim 2:2 des FC Bayern in Mönchengladbach nicht dabei, vermeldete dagegen Einsatz-Bereitschaft.

Löw will in Berlin erst noch einmal zurück- statt vorausblicken. Für Montag ist eine Grundsatzrede des Bundestrainers angesetzt, in der er seinen konsequenten Führungsstil erläutern und Abweichler warnen will. Dabei wird Löw keine Diskussionen zulassen: "Eine Aussprache wird es nicht geben, es gibt eine Ansprache von meiner Seite aus, um einfach nochmal einige Dinge klarzustellen und um der Mannschaft nochmals zu sagen, wie ich es mir in Zukunft vorstelle."

Ballack, Lahm und Frings im Publikum

Auch Ballack, Lahm und Torsten Frings, auf den Löw beim Klassiker verzichtet, werden dafür nach Berlin anreisen. "Keine Frage: Das Image der Nationalmannschaft hat gelitten", sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger zu den jüngsten Querelen um Ballack und Frings.

Für den Verbands-Chef soll das Thema mit Löws Ansprache beendet sein, für die WM-Mission 2010 sieht er gute Voraussetzungen. In einem Gespräch mit der "Welt am Sonntag" kündigte Zwanziger bereits an, dass sich die Prämien für eine erfolgreiche Qualifikation und später auch die Endrunde durchaus erhöhen könnten: "Die Erträge aus der WM werden steigen, deshalb sollen auch die Spieler davon profitieren." Für die erfolgreiche EM-Qualifikation hatten die Spieler je nach Anzahl der Berufungen (12 500 Euro) bis zu 150 000 Euro kassiert. Die neue Prämien-Regelung wird der Mannschaftsrat um Ballack in Berlin mit der DFB-Spitze aushandeln.

Löw ist überzeugt davon, dass sein Team trotz der angekündigten Experimente einen guten Jahres-Abschluss schaffen kann. "Vor heimischem Publikum, vor 80.000 in Berlin, werden wir schon gut dagegenhalten", sagte der Bundestrainer, der drei Trainingseinheiten zur Findung seiner Startelf hat. Möglicherweise darf Schäfer gleich die Lücke auf der linken Abwehrseite schließen. "Den Mut haben wir immer", sagte Löws Assistent Hansi Flick am Sonntag zum möglichen Einsatz eines Neulings in der Startelf. Der Schalker Heiko Westermann oder Compper seien aber weitere denkbare Kandidaten für diese Position.

Kein Abschied für Lehmann

Im Tor darf der Bremer Tim Wiese auf seinen ersten Länderspieleinsatz hoffen, beginnen aber wird wohl wie zuletzt gegen Russland (2:1) und Wales (1:0) wieder Ren Adler. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir nach zwei guten Spielen etwas ändern", erklärte Flick.

Einen Abschied für Jens Lehmann wird es in Berlin definitiv nicht geben. Löw hatte dem Neu-Stuttgarter angeboten, einen Abend zur Mannschaft zu kommen, "damit wir ihn gebührend verabschieden". Aber mit Hinweis auf das VfB-Training lehnte Lehmann ab. "Vielleicht gibt es einmal eine andere Möglichkeit", sagte Löw.

Quelle: ntv.de, Jens Mende und Klaus Bergmann, dpa

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