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Kult-Trainer Wegner im Interview Warum die DDR dem Boxsport fehlt

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(Foto: imago/Ed Gar)

Boxsport in der Krise? Trainer Ulli Wegner würde das nur bedingt unterschreiben. Talente gibt's in Deutschland nämlich genug - nur fehlen eben die ganz großen Namen. Was sich ändern muss, erklärt Wegner im Interview mit n-tv.de.

Er formte Arthur Abraham, Sven Ottke und viele weitere Boxer zu Weltmeistern. Ulli Wegner gehört zu den erfolgreichsten deutschen Box-Trainern überhaupt. Die letzten Wochen war der fast 75-Jährige damit beschäftigt, Abraham auf den WM-Ausscheidungskampf gegen Robin Krasniqi (22:30 Uhr/MDR) in Erfurt vorzubereiten. Im Interview mit n-tv.de spricht Wegner über den bevorstehenden Kampf, die schwierige Situation im deutschen Boxsport und über das neue Box-Turnier um die Muhammad Ali Trophy.   

n-tv.de: Herr Wegner, könnte Robin Krasniqi für Arthur Abraham zum Stolperstein werden?

Wegner: Krasniqi ist ein guter und technisch starker Boxer, zählt aber in meinen Augen nicht zur absoluten Weltspitze. Eins ist klar: Wenn Arthur wirklich noch einmal um die Weltmeisterschaft boxen möchte, müssen wir so einen Mann besiegen. Ansonsten brauchen wir uns über die weitere Karriere von Arthur gar nicht zu unterhalten. Arthur muss wieder die großen Kämpfe machen. Alles andere wäre verlorene Zeit.

Arthur Abraham spricht seit Jahren davon, große Kämpfe in den USA machen zu wollen. Tatsache ist aber, dass er vier seiner insgesamt fünf Niederlagen im Ausland hinnehmen musste. Braucht er das Heim-Publikum?

Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Er hat einfach keine Leistung gebracht. In knappen Kämpfen mag das Publikum eine Rolle spielen. Aber seine jüngste Niederlage in den USA gegen Gilberto Ramirez war nicht knapp. Er hat einfach sein Potential nicht abgerufen.

Ihr Promoter Kalle Sauerland hat angekündigt, dass er sich einen Kampf zwischen Abraham und Jürgen Brähmer gut vorstellen könnte. In den 1990er Jahren haben Kämpfe wie Henry Maske gegen Graciano Rocchigiani das ganze Land elektrisiert. Müsste der deutsche Boxsport Duelle dieser Größenordnung mehr forcieren?

Wenn Arthur und Jürgen Brähmer das machen würden, wäre das für das Publikum sicherlich sehr attraktiv. Die Medien würden diesen Kampf sicherlich gut aufnehmen. So etwas ist aber nur reizvoll, wenn beide Kämpfer sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere befinden. Deshalb waren Kämpfe wie Maske gegen Rocky oder Tiger gegen Rocky so interessant.

Seinen Schützling Abraham sieht Wegner im "Alles-oder-nichts"-Kampf.

Seinen Schützling Abraham sieht Wegner im "Alles-oder-nichts"-Kampf.

(Foto: imago/Agentur Baganz)

In den 1990er Jahren herrschte in Deutschland eine richtige Box-Euphorie. Wäre so etwas heute noch möglich?

Nach der deutschen Wende war die Begeisterung für den Boxsport groß, weil die Boxer aus der ehemaligen DDR für ein neues Niveau gesorgt haben. Die Jahre vor der Wende hatte das deutsche Profiboxen kein Niveau. Dann kamen Leute wie Henry Maske und Sven Ottke. Maske war Olympiasieger, Ottke zweimal Europameister. Die haben unseren Sport auf ein neues Level gehoben.

Deutschland hat mit Tyron Zeuge nur noch einen Weltmeister. Fehlt es hierzulande an Talenten?

Überhaupt nicht. Boxer wie Leon Bunn, Albon Pervizaj oder Jack Culcay sind absolute Granaten. Wir haben auch bei den Amateuren so viel Potential. Aber solche Talente müssen richtig gefördert werden. Das hängt auch mit den Trainern zusammen. Ich verstehe nicht, warum der Deutsche Boxverband jemanden aus Irland (Eddie Bolger, Anm.d.Red.) als Cheftrainer einstellt.

Vielleicht weil es in Deutschland an guten Trainern mangelt ...

Wir haben in Deutschland so viele tolle Trainer, die an einer Sporthochschule studiert haben. Hinzu kommen die ganzen ehemaligen DDR-Trainer, die ihre Boxer zur Weltspitze geformt haben. Trainer wie Karsten Röwer oder Otto Ramin könnten dem deutschen Boxsport so viel geben. Und was ist? Viele unserer guten Trainer sind heute gar nicht mehr im Boxsport beschäftigt. Stattdessen wird jemand aus Irland geholt.  

Haben Sie das Gefühl, dass die deutschen Box-Talente nicht ausreichend gefördert werden?

Wir hatten früher 17 Millionen Einwohner in der DDR. In der Bundesrepublik Deutschland waren es etwa 65 Millionen. Warum kamen trotzdem die ganzen tollen Boxer aus der DDR? Weil dort mit System und Struktur gearbeitet wurde. Wir brauchen im deutschen Boxsport mehr Leute, die dazu in der Lage sind.

Die Förderung deutscher Boxer ist auch eine Aufgabe der Promoter. Wilfried Sauerland hat Henry Maske und Axel Schulz zu Superstars aufgebaut. Wird das Kalle Sauerland ebenfalls hinbekommen? 

Er ist mit viel Herz bei der Sache. Aber es ist nicht einfach, neue Stars zu formen. Wir hatten auch viel Pech. Wir hatten super Boxer wie Yoan Pablo Hernandez und Denis Boizow, die sich schwer verletzt haben. Dann einen Alexander Frenkel, der psychische Probleme bekam. Und natürlich Marco Huck, der uns verlassen hat. Wir sprechen hier von vier Boxern auf Weltklasse-Niveau. Wären die ihren Weg bei uns normal weitergegangen, hätten wir eine ganz andere Situation.

Wie lassen sich neue Stars formen?

Wir haben keinen Ottke oder Markus Beyer mehr, die bei den Amateuren sehr erfolgreich gewesen sind und dann bei den Profis schnell einsteigen. Heute braucht man mehr Geduld. Das war auch bei Arthur Abraham und Marco Huck so. Arthur hat bei den Amateuren nicht viel gerissen. Und Marco Huck war Kickbox-Weltmeister, hatte 15 Kämpfe als Box-Amateur und wurde dann Profi. Ich musste die beiden auch erst einmal entwickeln.

Axel Schulz hat im Interview mit der "Bild"-Zeitung gesagt, der deutsche Boxsport steht vor dem K.o., wenn Stars wie Abraham und Klitschko abtreten. Sehen Sie diese Gefahr auch?

Axel würde staunen, wenn er meine jungen Boxer sehen würde. Richtig ist aber: Uns gehen die Namen aus. Arthur Abraham wurde durch seinen Kieferbruch bekannt. Jürgen Brähmer wurde berühmt aufgrund seiner besonderen Leistungen. Zudem haben seine Episoden in der Jugend ebenfalls zur Bekanntheit beigetragen. Und die Klitschkos haben einfach eine Aura. Es ist die Aufgabe des Managements, neue Boxer zu fördern. Das ging häufig schief. Ein Beispiel: Gennadi Golowkin war in Deutschland bei Universum Boxen, wurde aber nicht richtig gefördert und ist gegangen. Heute ist das ein Weltstar.

Kalle Sauerland ist einer der Mitbegründer des 50-Millionen-Dollar-Turniers um die Muhammad Ali Trophy. Kann das für einen Aufschwung im Boxsport sorgen?

Ich finde die Idee gut. So ein Turnier ist eine spannende Sache. Die Boxer, die daran teilnehmen, müssen ein hohes Niveau haben. Ich könnte mir darin Leute wie Jack Culcay oder auch Leon Bunn vorstellen. Bunn hat zwar erst drei Kämpfe gemacht und ist in Deutschland noch völlig unbekannt, könnte aber in so einem Turnier groß rauskommen.

Ihr ehemaliger Schützling Marco Huck hat Anfang April seinen WM-Kampf gegen Mairis Briedis klar nach Punkten verloren und wurde für seine Leistung stark kritisiert. Wie haben Sie ihn gesehen?

Er hat als Boxer große Fähigkeiten. Genauso wichtig ist es allerdings, mit dem Druck umzugehen. Für mich war das ein psychisches Problem. Ein Boxer braucht eine leitende Hand. Leistungssport und Demokratie sind wie Feuer und Wasser. Das passt nicht zusammen. Der Trainer muss den Dirigenten-Stab in der Hand halten.

Huck hatte Oktay Urkal für den Kampf als Trainer verpflichtet. Wurde er vielleicht nicht gut vorbereitet?

Ich kenne Oktay, weil er früher bei mir trainiert hat. Er war ein super Boxer, hat bei den Amateuren so ziemlich alles gewonnen. Ich bin mir sicher, dass er all seine Erfahrung und Fähigkeiten an Marco Huck weitergegeben hat. Aber zu einem guten Trainer gehört mehr. Boxer müssen geführt werden. Auf die lastet so viel Druck. Es gibt so viele Schulterklopfer und Menschen, die an einem verdienen wollen. Das ist schwer zu verarbeiten. Ein Trainer muss seinem Boxer dabei helfen. Das war bei Arthur Abraham nicht anders. Wenn man auf Wolke Sieben schwebt, kann es ganz schnell vorbei sein. Denn es gibt viele andere Boxer, die einen Platz in der Weltspitze einnehmen wollen.

Mit Ulli Wegner sprach Oliver Jensen 

Quelle: ntv.de

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