Deutscher gewinnt bei Darts-WMWas Reality-TV und Donald Trump mit dem Merk-Märchen zu tun haben

Aus der Reality-Show zu den Darts-Profis, auch "dank" Donald Trump. Dann die überraschende Qualifikation für die WM. Am Donnerstagabend der Sieg in der ersten Runde. Das wahnwitzige Jahr von Dartspieler Arno Merk ist um ein Kapitel reicher.
Wenn in einem Londoner Pub in der vergangenen Nacht besonders ausgiebig gefeiert wurde, dann dürfte sich Arno Merk mit seinen Begleitern darin aufgehalten haben. "Einen Pub nehmen wir auseinander", hatte der deutsche Dartspieler nach seinem beeindruckenden 3:1-Erfolg im WM-Auftaktspiel gegen Kim Huybrechts scherzhaft angekündigt. "Ich war wirklich ganz cool. Es war aber alles schon erdrückend: Die Atmosphäre, die Lautstärke. Das habe ich scheinbar gut weggesteckt", sagte Merk bei Sport1.
Der Überraschungssieg gegen den ehemaligen WM-Viertelfinalisten ist der vorläufige Höhepunkt eines Darts-Märchens. Arno Merk war nämlich noch im Spätsommer meilenweit davon entfernt, sich überhaupt für die WM zu qualifizieren. Wenn seine Story ein Film wäre, würden Kritiker wohl sagen: gnadenlos überzeichnet. Aber der Reihe nach.
Die Ausgangslage: Merk, der beruflich als Objektleiter im Facility-Management arbeitet, liegt ein Turnierwochenende vor Ende der PDC Europe Next Gen außerhalb der Qualifikationsplätze für die Super League. Zur Erklärung: Die Next-Gen-Turnierserie ist eine Turnierserie für ambitionierte Amateurspieler, offen für Akteure aus Deutschland und deutschsprachigen Nachbarländern. Die Top 24 qualifizieren sich für die Super League. Und der Sieger der Super League reist zur Weltmeisterschaft.
"Darts Party" in der Dominikanischen Republik
Merks Ausgangslage war zu diesem Zeitpunkt auch deshalb so schlecht, weil er drei Turniere der Next Gen ausgelassen und stattdessen an einer Reality-Fernsehshow in der Dominikanischen Republik teilgenommen hatte. Die heißt zwar "Darts Party" und läuft auf Sport1, ist aber in erster Linie eher ein Hindernisrennen wie "Takeshis Castle" und alles andere als eine ernsthafte Darts-Veranstaltung. Immerhin: Merk landete in der zweiten Staffel der Sendung auf Platz zwei, sammelte 5000 Euro Preisgeld ein. "Ich würde bei solch einem Format auf jeden Fall wieder mitmachen, aber es müsste terminlich passen. Ich würde nicht nochmal wichtige Turniere dafür absagen", hat Merk im Darts-Podcast "Checkout" gesagt.
Mit ordentlich Druck auf den Schultern ging es für Merk schließlich im September in die beiden Abschlussturniere der Next Gen. Zweimal weit kommen und es irgendwie noch in die Super League schaffen. Das war das Ziel des 33-Jährigen. Merk hielt dem Druck stand, gewann in beeindruckender Manier die beiden letzten Turniere in Hildesheim und war plötzlich nicht nur für die Super League qualifiziert, sondern auch ein Außenseiter-Titelkandidat.
Tatsächlich bewies Merk in der Super League im November seine starke Form. Nach zehn Gruppenspielen stand der Mann aus Peine in Niedersachsen bei neun Siegen. In der K.-o.-Runde siegte Merk weiter und zog ins Finale gegen Ex-Profitour-Spieler Daniel Klose ein. Hier vollendete Merk seinen famosen Lauf, setzte sich mit 8:6 durch und sicherte sich das Ticket für das größte Darts-Turnier aller Zeiten.
"Ich dachte, das wäre ein Scam"
Wer dachte, WM-Debütant Merk würde als überforderter Qualifiikant nach London fliegen, wurde am Donnerstagabend gewaltig getäuscht. Der 3:1-Erfolg über den früheren Spitzenspieler Huybrechts? Zeitweise eine Machtdemonstration. Eine, die sich bei genauerem Hinsehen aber angekündigt hatte. Dass Merk auch Profispieler bezwingen kann, zeigte der Peiner nämlich bereits im Sommer.
Als Merk Ende Juli sein Training live bei Twitch streamte, ploppte plötzlich auf seiner Smartwatch eine Facebook-Nachricht auf. "Wenn du morgen Pro Tour in Hildesheim spielen willst, rufe folgende Nummer an. Ich dachte, das ist ein Scam. Da will mich jemand verkackeiern", hat Merk von der kuriosen Situation im Darts-Podcast "Checkout" berichtet. "Ich habe gesehen, das ist eine britische Vorwahl. Dann habe ich gedacht, rufst du mal per Whatsapp-Call an, hast ja nichts zu verlieren."
Die Nachricht war tatsächlich kein Scam. Am anderen Ende der Leitung meldete sich ein PDC-Offizieller, der Merk die Situation erklärte. "Er sagte, die Top 12 der Weltrangliste hätten für die beiden Turniere in Hildesheim alle abgesagt. Außerdem sind viele Flüge aus Schottland ausgefallen, weil Donald Trump zu dem Zeitpunkt in Schottland war und der Flugverkehr zeitweise zum Erliegen kam." Das Debüt auf der Profitour war schließlich ein voller Erfolg. Merk gewann als ambitionierter Amateurspieler drei Spiele an den beiden Turniertagen, besiegte unter anderem Ex-WM-Halbfinalist Scott Williams.
"Bei mir ist in diesem Jahr so viel passiert, das könnte man auf zwei oder drei Jahre aufteilen. Das ist alles noch ein bisschen erdrückend", hatte Merk im "Checkout"-Podcast zwei Wochen vor WM-Start gesagt und klang dabei so, als könnte er das Erlebte selbst noch gar nicht realisieren. Wer will es ihm verdenken, angesichts dieser wahnwitzig klingenden Jahresbilanz: Reality-Show in der Dominikanischen Republik. Als Nachrücker auf die Profitour, auch "dank" Donald Trump. Sieg in der Super League.
Seit Donnerstagabend ist das Jahr von Arno Merk um ein weiteres Kapitel reicher geworden. Vielleicht schreibt der Deutsche am 23. Dezember eine weitere denkwürdige Geschichte. Dann tritt Merk zu seinem Zweitrundenspiel bei der WM an. Möglicher Gegner ist der zweifache Weltmeister Peter Wright. Gewinnt Merk auch dieses Spiel, wird bestimmt wieder ein Pub auseinandergenommen.