Sport

Höher, schneller, weiter Weltrekordjagd in Berlin

Deutsche Hoffnung: Hochspringerin Ariane Friedrich.

Deutsche Hoffnung: Hochspringerin Ariane Friedrich.

(Foto: dpa)

Den Olympiasieg hatte sie bereits sicher, doch das genügte ihr an diesem Abend in Peking nicht: Jelena Issinbajewa spricht vor ihrem letzten Versuch noch einmal mit ihrem Stab, spurtet mit dem Gerät auf die Anlage zu und hebt nach 16 Schritten in den schon dunkel gefärbten Himmel ab. Die Russin dreht sich in 5,05 Metern Höhe über die Latte - Weltrekord! Jubel brandet im Stadion auf. Die Leichtathletik hat wieder einen ihrer magischen Momente. Auch bei der Weltmeisterschaft in Berlin vom 15. bis 23. August wird das Publikum wieder auf Bestmarken hoffen - auch wenn sie oft (Doping-)Verdacht erwecken.

Ariane Friedrich wäre eine Kandidatin für so einen spektakulären Coup. Dieses Jahr überquerte die Frankfurterin bereits beim ISTAF in Berlin die deutsche Rekordhöhe von 2,06 Meter - drei Zentimeter unter der Bestmarke der Bulgarin Stefka Kostadinova von 1987. Auch Issinbajewa will die Latte noch höher legen. "Ich will meinen Titel auch mit einem neuen Weltrekord verteidigen", kündigte die Ausnahmeathletin bereits an. Vielleicht wird auch der schnellste Mann der Welt, der Jamaikaner Usain Bolt, auf der blauen Tartanbahn noch ein bisschen fixer. Beim den Speerwerferinnen reist mit der Tschechin Barbora Spotakova (72,28 Meter) ebenfalls eine aktuelle Weltrekordhalterin an.

In keiner anderen Sportart hat ein Rekord einen so hohen Stellenwert wie in der Leichtathletik, denn nirgendwo sonst ist eine Bestleistung für Zuschauer so greifbar. Javier Sotomayor aus Kuba sprang 1993 mit 2,45 Meter knapp die durchschnittliche Deckenhöhe einer modernen Mietwohnung. Der Tscheche Jan Zelezny warf den Speer 1996 auf 98,48 Meter - viel weiter als ein Torwart beim Fußball den Ball abschlägt. Und US-Athlet Mike Powell wäre 1991 bei seinem Weitsprungrekord von 8,95 Meter an dreieinhalb Smarts vorbeigesegelt.

Kaderschmiede DDR

Der ehemalige Diskuswerfer Jürgen Schult hält seit 1986 den Weltrekord mit 74,08 Metern - die älteste Bestmarke bei den Männerdisziplinen.

Der ehemalige Diskuswerfer Jürgen Schult hält seit 1986 den Weltrekord mit 74,08 Metern - die älteste Bestmarke bei den Männerdisziplinen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Auch deutsche Athleten sind unter den Besten der Geschichte zu finden. Allesamt aus der ehemaligen DDR. Diskuswerfer Jürgen Schult hält sogar den ältesten Weltrekord bei den Männern: Vor 23 Jahren trat der heute 49-Jährige in Neubrandenburg in den Ring und schleuderte die Scheibe auf 74,08 Meter hinaus. "Ich konnte damals maximal 70 Meter werfen. Und der Rest war wirklich Wind. Ich bin dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Es war nicht vorbereitet, es war nicht gewollt, es ist passiert", sagt der Olympiasieger heute über seinen großen Wurf fast ein wenig verärgert: "Es kommt immer der Weltrekord. Das andere spielt überhaupt gar keine Rolle."

Auch der heutige Bundestrainer hat die Philosophie der Anti-Doping-Kämpfer mittlerweile verinnerlicht: Es wäre ihm lieber, wenn man Duelle statt Rekord fordern würde. Für die drei weiteren deutschen Weltrekorde sorgte die Frauen-Riege aus der DDR. Ebenfalls in Neubrandenburg landete der Diskus von Gabriele Reinsch 1988 nach 76,80 Metern. In Canberra lief Marita Koch drei Jahre davor die 400 Meter in 47,60 Sekunden, die 4 x 100 Meter-Staffel drückte im gleichen Stadion die Rekordzeit auf 41,37.

Solch außergewöhnliche Leistungen häufen sich in der Leichtathletik allerdings nicht so sehr wie etwa bei den Schwimmern. Seit der Jahrtausendwende wurden bei den Männern in 24 olympischen Disziplinen gerade elf Rekorde geknackt. Allein drei davon gehen auf das Konto von Bolt. Das lässige Kraftpaket krönte bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking über 100 Meter (9,69 Sekunden), 200 Meter (19,30) und mit der 4 x 100 Meter-Staffel (37,10) seine Titel mit Bestzeiten. Bei den Frauen fällt die Bilanz in der gleichen Zeitspanne noch magerer aus: In 23 Disziplinen gab es nur neun Bestmarken.

Relikte aus der Zeit des Kalten Krieges?

Gebrselassie kam beim 35. Berlin Marathon in 2:03:59 Stunden in Ziel und schaffte als erster Läufer den Sieg-Hattrick.

Gebrselassie kam beim 35. Berlin Marathon in 2:03:59 Stunden in Ziel und schaffte als erster Läufer den Sieg-Hattrick.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Viele der Rekorde haben den Anschein, Relikte aus der Zeit des Kalten Krieges zu sein, als auch Doping Hochkonjunktur hatte. Bei den Männern gibt es im Bereich Springen und Werfen eine auffällig lange Durststrecke. Zuletzt gelang es dem Briten Jonathan Edwards 1995 im Dreisprung den Weltrekord auf 18,29 zu verbessern. Bei den Frauen scheinen über die Distanzen von 100 Meter bis 800 Meter die Rekord-Zeiten wie in Stein gemeißelt zu sein. Jarmila Kratochvilova aus der ehemaligen Tschechoslowakei hält über 800 Meter seit 1983 den ältesten Weltrekord überhaupt. Unvergessen auch die Fabelzeiten der früh verstorbenen Florence Griffith-Joyner. "Flo-Jo" aus den USA rannte 1988 die 200 Meter in 21,34 Sekunden, die 100 Meter in 10,49.

Als gutes Omen für die WM spricht der jüngste Weltrekord: Am 28. September 2008 lief der Äthiopier Haile Gebrselassie die Marathonstrecke von 42,195 Kilometern in sagenhaften 2:03,59 Stunden - in Berlin.

Quelle: ntv.de, Kay Hensel, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen