Bruno Spengler über den Adrenalinkick in der DTM "Wenn es nicht knallt, haben wir Glück"
14.06.2013, 11:22 Uhr
"Irgendwann hat mein Papa dann gesagt: Sieht so aus, als ob er komplett autoverrückt ist."
Am Wochenende wird die DTM ihre Kreise auf dem Lausitzring ziehen. 22 Fahrer kämpfen in ihren Tourenwagen dann erneut um die Plätze. Angeführt wird die Gesamtwertung derzeit vom amtierenden Meister Bruno Spengler im BMW. Über den langen Weg zum Erfolg, Niederlagen und notwendige Emotionen sprach n-tv.de mit dem Frankokanadier.
Von einer Serie möchte er nicht sprechen, aber nach drei von zehn Rennen führt Titelverteidiger Bruno Spengler erneut die Gesamtwertung in der DTM an. Am Sonntag ab 13.30 Uhr startet der 29 Jahre alte Kanadier in seinem BMW auf dem Lausitzring. Am 20. Oktober steigt das letzte Rennen der Saison in Hockenheim.
n-tv.de: Herr Spengler, Sie fahren ganz gerne Auto. Wie finden Sie den Berline r Stadtverkehr?
Bruno Spengler: Ein Horror. Ich bin in Kanada in einem kleineren Ort groß geworden, das war nicht viel mit Verkehr. Städte wie Paris oder Berlin, wo man zwei Stunden braucht für zwei Kilometer, die machen mich wahnsinnig.
Aber an der Ampel wollen Sie schon Erster sein?
Nicht unbedingt. Es ist mir eigentlich egal, wer als Erster losfährt an der Straßenampel. Aber auf der Autobahn, wenn frei ist und man unbegrenzt fahren kann, gebe ich schon ein wenig Gas. Das ist natürlich sensationell in Deutschland.
Von wie viel Gas sprechen wir da?
Kommt drauf an, was möglich ist. Um die 250 Stundenkilometer …
Sie geben gern Gas, lieben aber auch Golf, spielen gern Tennis. Warum sind Sie trotzdem Rennfahrer geworden?

Mit dem Wechsel zu BMW kam für Bruno Spengler der Erfolg. Er ist der Titelverteidiger - und vor dem vierten Rennen führt er schon wieder die Gesamtwertung an.
(Foto: picture alliance / dpa)
Als ich ganz klein war, hat meine Mama versucht, mich alle Sportarten ausprobieren zu lassen. Rugby, Fußball, Tennis, ein bisschen Golf als kleiner Junge. Aber nix hat mir gefallen. Ich habe damals nur eins im Kopf gehabt: Rennfahrten, im Go-Kart.
Go-Kart-Fahren ist schon etwas abseits des Mainstreams. Wie kommt man dazu?
Also ich bin nie morgens aufgewacht und hab gesagt: Ey, ich möchte Go-Kart fahren. Ich habe als Vier-, Fünf-, Sechsjähriger immer im Auto zu meinem Vater gesagt: Ey, du fährst zu langsam. Überhol rechts, überhol links, zieh mal den zweiten Gang bis zum Ende durch, das hört sich gut an. Ich kannte auch alle Automarken. Irgendwann hat mein Papa dann gesagt: Sieht so aus, als ob er komplett autoverrückt ist, und meinte: Komm, wir probieren mal ein Go-Kart aus. Ich bin eingestiegen und war sofort auf der richtigen Linie. Da war ich neuneinhalb.
Ihre Karriere verlief am Anfang bilderbuchmäßig: Kart, erste Erfolge in der Formel Renault, dann der Sprung in die Formel 3. 2003 hatten Sie dann einen schweren Unfall. Ist für Sie in diesem Moment ein Traum gestorben?
Ja, das war Anfang 2003 in Dijon, beim Testen. Da habe ich mir den ersten Lendenwirbel gebrochen. Das war eine schwere Zeit. Am Anfang war ich nicht sicher, ob ich überhaupt wieder fahren könnte. Es war schon kritisch. Die Ärzte haben ge sagt, dass ich frühestens in sechs Monaten wieder in ein Auto steigen kann. Alles andere sei zu gefährlich. Nach drei Monaten war ich wieder da und sofort beim zweiten Rennen zurück auf dem Podest. Durch den Unfall habe ich viel gelernt, viel auf mich genommen, viel trainiert und bin nachher noch stärker zurückgekommen.
Die Formel 3 ist per se das Sprungbrett in die Formel 1 und nach Ihrem Karriereweg wäre anzunehmen gewesen, dass Sie direkt in die Formel 1 wechseln. Ist es für Sie traurig, dass es anders gelaufen ist?
Überhaupt nicht. Wenn du in der Formel Renault oder der Formel 3 bist, träumst du von zwei Serien: der Formel 1 oder der DTM. Und wenn du die Chance hast, in eine von beiden einzusteigen, dann musst du das machen. Bei mir gab es die Möglichkeit, ab 2005 für Mercedes in der DTM zu fahren, und die habe genutzt. Für die Formel 1 hätte ich vielleicht in die GP2 gehen müssen. Aber da ist auch viel Geld im Spiel, und dieses Geld hatte ich einfach nicht. Wenn ich heute zurückgehen würde, würde ich wahrscheinlich genau das Gleiche machen.
DTM oder Formel 1 – welche Rolle hat der Unfall gespielt?
Wie gesagt, ich bin nach dem Unfall körperlich stärker gewesen als vorher. Ich habe spezifisches Training für meine Rückenmuskulatur gemacht und seit dem Unfall habe ich null Schmerzen. Ich könnte jede Sportart machen. Und die Fliehkräfte und die Hitze in der DTM sind auch ziemlich heftig. Man ist bis zu 3,5 g in Kurven ausgesetzt und das bei immerhin 60 Grad im Cockpit. Also fit sollte man da schon sein.
Sie sind in Kanada aufgewachsen, in Nordamerika ist die Nascar-Serie sehr beliebt, auch Sie schwärmen davon. Wieso hat es Sie in die DTM verschlagen?
Nascar ist schon sehr speziell. Diese Fahren im Oval unterscheidet sich schon sehr von dem, was ich so kannte. Ich war immer auf normalen Rennstrecken unterwegs und die DTM ist einfach die beste Tourenwagenserie der Welt. Es geht kein Tourenwagen so schnell über eine Rennstrecke wie bei der DTM. Auch wenn ich die Nascar-Serie toll finde und schon ein paar Kontakte geknüpft habe, gibt es eigentlich nichts, was mich im Augenblick mehr fasziniert als die DTM.
Ist das Fahren anspruchsvoller als in der Nascar?
Ich glaube, mit über 300 km/h über ein Oval zu fahren ist auch relativ anspruchsvoll. In der Nascar kann man sehr viel Spaß haben, aber ich bin in der DTM und fühle mich da sehr wohl. Hier Rennfahrer zu sein, macht mega Spaß.
Die DTM präsentiert sich auch immer wieder außerhalb Europas - Moskau, Schanghai -, aber bleibt trotz des internationalen Starterfeldes bei den Rennen sehr deutschlandlastig. Wie sehen Sie den internationalen Stellenwert der Rennserie?
Am Anfang, als ich als DTM-Fahrer nach Kanada gekommen bin, haben nur ein paar Spezialisten die Serie gekannt, nicht sehr viele. Inzwischen, auch nach dem Titel, passiert es mir immer öfter, dass ich in Montreal erkannt werde und es wird in Kanada immer mehr über die DTM geschrieben. Für mich ist das natürlich schön, zu wissen: Ich habe auch Fans zu Hause, die meinen Weg verfolgen. Ich bekomme auch immer mehr E-Mails von kanadischen Fans, die im Internet die Rennen sehen. Das macht mich schon stolz.
In den sechs Jahren vor Ihrem Titelgewinn waren Sie schon viermal dicht an der Meisterschaft dran. Das ist extrem konstant, aber letztlich brotlose Kunst. Hatten Sie zwischendurch schon Angst davor, der ewige Zweite der DTM zu werden?
Das habe ich schon öfter gehört. Aber ganz ehrlich: Mir kam die Frage nie in den Sinn. Wenn ich fünf Jahre lang immer um die Meisterschaft kämpfe, dann ist das für mich sehr positiv. Dann heißt das, ich muss einfach weitermachen und irgendwann klappt es. Diese Art zu denken hat mich einfach motiviert.
2012 hat es dann – endlich - funktioniert . Mit einem spektakulären Finish haben Sie Gary Paffett im letzten Rennen von Platz eins gestürzt und das auch noch mit DTM-Neuling BMW. Haben Sie es schonmal bereut, dass BMW erst so spät in die DTM zurückgekehrt ist?
(lacht) Gute Frage. Ganz ehrlich, ich habe in den Jahren vor der Meisterschaft immer gedacht: eigentlich fehlt BMW hier in der DTM. Aber BMW war in der Formel 1 und in der WTC, und es ist einfach nicht möglich, alles zu machen.
Nach erfolgreichen Jahren bei Mercedes zu einem Neuling zu gehen, ist auch ein Risiko.
Ja und nein. Ich habe es nicht als großes Risiko gesehen, sondern gedacht: Vielleicht werden wir ein bisschen Zeit brauchen, bis wir gewinnen. Aber es ist ja eine der besten Marken der Welt und ich weiß, was BMW kann und was BMW in der Vergangenheit geleistet hat. Ich war sicher: Irgendwann gewinnen wir, die Frage war nur: Wann?
In dieser Saison liegen sie schon nach drei Rennen vorn. Träumen Sie da schon von einer Titel-Serie, wie sie Bernd Schneider hingelegt hat?
Oh, das wird wohl noch ein wenig dauern. Bernd Schneider hat immerhin fünf Titel in der DTM gewonnen. Ich jage gerade dem Zweiten hinterher. Aber eigentlich mache ich diesbezüglich keine langfristigen Pläne. Jedes Rennen ist anders. Natürlich versuche ich immer ganz vorne zu sein, aber nach drei Rennen über den Sieg der Meisterschaft nachzudenken ist doch noch recht früh. Da kann noch so viel passieren und unsere Gegner sind extrem stark. Das Ziel ist natürlich, die Meisterschaft zu gewinnen, aber ich mache mich da jetzt nicht verrückt.
Das klingt alles sehr entspannt, überhaupt nicht verbissen. Bei Sebastian Vettel in der Formel 1 ist jeder zweite Platz schon eine Niederlage. Das scheint bei Ihnen nicht so zu sein.
Nein, entspannt bin ich nur hier beim Interview. Hier ist es einfach, zu sagen, ja, das ist alles nicht so schlimm. Natürlich ist die Motivation, jedes Rennen zu gewinnen. Der Unterschied zwischen der DTM und der Formel 1 ist der, dass es bei uns 22 Autos gibt, die ein Rennen gewinnen können. In der Formel 1 sind es gerade mal sechs Autos. Unser Feld ist extrem dicht zusammen. Wir haben manchmal Qualifyings in denen zehn Fahrer nur drei Zehntel trennen. Das ist verdammt eng.
War das eine Art Entzug, als Sie zwei Saisons nicht gewonnen haben? Leidet man da?
Ja natürlich sind Niederlagen bitter. Gerade wenn sie wie 2011 in Oschersleben durch einen technischen Defekt zustande kommen. Da wusste ich, dass die Meisterschaft durch war. Ich ärgere mich in solchen Momenten sehr und bin extrem enttäuscht, aber danach kann ich das relativ schnell vergessen und mich auf das nächste Rennen konzentrieren. Das ist auch wichtig, denke ich.
Fliegt dann auch mal der Helm?
Nein, der Helm fliegt nie. Ich habe zu viel Respekt vor meinem Helm. Aber laut werde ich unter dem Helm schon.
Wird dann der Funk abgeschaltet?
Nein, der wird nicht abgeschaltet. (lacht) Ich habe da schon Sachen gesagt, die Sie hier nicht schreiben dürften. Aber ein bisschen Emotion muss im Rennsport schon da sein.
In der DTM tummeln sich einige ehemalige Formel-1-Rennfahrer. Wenn man aber deren Erfolgsstatistik sieht, dann muss man annehmen, dass von denen keiner so richtig mit den Tourenwagen klarkommt. Wie ist das zu erklären? Man denkt immer Königsklasse, eigentlich müssten die doch alles gewinnen, sogar rückwärts?
Ja, vielleicht denken die das auch. Und dann kommen die, fahren das erste Mal und denken: oh nee, doch nicht.

"Du fährst in der DTM, weil du schnell fahren willst und weil du gewinnen möchtest."
(Foto: picture alliance / dpa)
Wie kommt das?
Es gibt viele Unterschiede. Die DTM-Autos sind schwerer. Das Cockpit ist komplett zu. Reifen und Gewicht sind entscheidend. Das andere ist eben der Umstand, dass 22 Fahrzeuge in der DTM die Performance haben, zu siegen. Wenn du in der Formel 1 nicht zu den Topteams gehörst, ist dein einziger Konkurrent dein Teamkollege. Wenn du in der DTM einen kleinen Fehler machst, bist du sofort auf Position zehn oder zwölf. Trotzdem haben auch ehemalige Formel-1-Rennfahrer wie Mika Häkkinen oder Ralf Schumacher ihre Erfolge gehabt. Und Timo Glock ist immerhin Dritter in Spielberg geworden.
Aber man kann schon sagen, dass ehemalige Formel-1-Rennfahrer in der DTM eher ein Image- als ein sportlicher Gewinn sind?
Ja, auf jeden Fall. Wenn es andersherum wäre, wenn jeder Formel-1-Rennfahrer kommen würde und alles mit zehn Sekunden Vorsprung gewinnt, wäre das auch nicht optimal. Letztlich zeigt das nur, was die DTM auch für Qualitäten hat. Von den Fahrern her als auch von Seiten der Hersteller.
In Spielberg war Ski-Weltmeister Marcel Hirscher vor Ort und schwärmte anschließend, die DTM sei faszinierender als die Formel 1, da sie "fast ein Vollkörper-Kontaktsport" sei. Würde Ihnen der Rennkontakt mit anderen Autos in der Formel 1 fehlen?
Ich würde nicht sagen, dass der Kontakt im Formel-Sport fehlt. Letztlich fährst du kein Rennen, um dem Anderen in die Karre zu fahren. Du fährst, weil du schnell fahren möchtest und weil du gewinnen willst. Wenn dann natürlich der eine oder andere Kampf kommt, macht das sehr viel Spaß. Und irgendwo gehört es auch dazu. Aber du fährst nicht, um deine Gegner in die Wiese zu schicken.

"Letztlich fährst du kein Rennen, um dem anderen in die Karre zu fahren."
(Foto: picture alliance / dpa)
Dennoch ist eines der leidigen Themen in der Formel 1 die sogenannten Rambo-Fahrer wie Sergio Pérez oder Romain Grosjean. Gibt es so etwas in der DTM auch?
Natürlich waren einige Aktionen in den letzten Formel-1-Rennen ein wenig übertrieben, aber das passiert im Rennsport. Manchmal auch in der DTM. Wenn 22 Autos bei Tempo 250 auf 50 km/h abbremsen müssen, kracht es schon mal. Wenn es überhaupt nicht knallt, dann haben wir einfach Glück gehabt.
Haben Sie auch ein Rennfahreridol, ein Vorbild?
Gilles Villeneuve.
Ein Kanadier.
Ich habe ein Buch über ihn gelesen und fand seine Art einfach toll. Es ist kein Idol, es ist vielmehr jemand, der mich fasziniert hat. Und auch Michael Schumacher hat mich schon immer begeistert. Seine Art, wie er gearbeitet hat, wie er seine Leute motiviert hat, sein Fitnesstraining. Ich habe unglaublich viel Respekt vor ihm.
Bleibt die Formel 1 noch so ein Wunschtraum von Ihnen?
Ich würde gern mal einen Test machen, um zu sehen, wie das Auto sich fährt, wie es sich verhält und was ich in so einem Auto kann. Das wäre schon interessant. Schließlich handelt es sich hier um die schnellsten Autos der Welt.
Haben Sie eine Lieblingsstrecke?
Ich habe viele, aber der Norisring ist bei mir auf Platz eins. Bei diesem Stadtrennen zwischen Leitplanke und Wand zu fahren hat schon einen besonderen Kick. Auch die vielen Zuschauer verpassen dir als Fahrer einen zusätzlichen Adrenalinstoß. Es ist einfach schön, wenn du die Begeisterung spürst. Aber auch der Lausitzring und der Nürburgring sind echte Highlights. Wir haben so viele tolle Strecken in der DTM, da ist es echt schwierig, nur eine zu wählen.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, weltweit eine Strecke zur DTM hinzuzufügen, welche würden Sie wählen?
Montreal! Weil es mein Heimrennen wäre. Außerdem ist es eine tolle Strecke. Wäre einfach schön für mich, zu Hause DTM zu fahren.
Mit Bruno Spengler sprachen Christoph Wolf und Holger Preiss
Quelle: ntv.de