Favoritencheck mit Max Hopp Wer gewinnt denn jetzt die Darts-WM?
01.01.2023, 11:22 Uhr
Michael van Gerwen dominiert die Darts-WM. Schnappt er sich den vierten Titel?
(Foto: PDC)
Die deutschen Hoffnungen liegen auf Gabriel Clemens, die Nummer eins der Welt ist Gerwyn Price, noch. Der Topfavorit ist aber Michael van Gerwen, auch wenn ihn ein Aspekt ablenken könnte, wie der deutsche Dartprofi Max Hopp bei ntv.de einordnet.
Drei Topfavoriten, einer ein bisschen mehr als der andere. Ein starker Deutscher, der nach seinem bis dato größten Erfolg der Karriere überhaupt nichts mehr zu verlieren hat. Und ein forscher Engländer, über den mittlerweile nicht mehr gelacht wird. Die Darts-WM 2023 biegt auf die Zielgerade ein. Im Londoner Alexandra Palace finden am heutigen Neujahrstag die Viertelfinals statt. Im Gespräch mit ntv.de hat Dartprofi Max Hopp, der mit acht WM-Teilnahmen deutscher Rekordhalter ist, die Chancen der Viertelfinalisten analysiert.
1. Michael van Gerwen
Als Topfavorit geht der Niederländer Michael van Gerwen in die entscheidende Phase der Weltmeisterschaft. Der Champion von 2014, 2017 und 2019 ist im vergangenen Jahr in den Dominator-Modus zurückgekehrt. Die Titel bei der Premier League, beim World Matchplay, dem World Grand Prix und den Players Championship Finals gingen an "MvG". Der Niederländer ist wieder das Maß der Dinge, als einziger Spieler erzielte der 33-Jährige in jeder seiner drei WM-Runden einen Punkteschnitt von über 100.
"Für Michael van Gerwen sprechen Ehrgeiz und Erfahrung", schätzt der deutsche Dartprofi Max Hopp im Interview mit ntv.de ein. "Er ist einfach so abgezockt in den entscheidenden Situationen. Und er spielt aktuell richtig gut, weil er hat dieses kurzzeitig abhanden gekommene Selbstvertrauen wieder zurückgewonnen. Mit den vier Major Titeln, die er geholt hat. Das macht ihn so brandgefährlich."
Gegen den vierten WM-Gewinn könnte allerdings sprechen, "dass er zu sehr damit beschäftigt ist, wieder die Nummer eins der Welt zu werden", analysiert Hopp. Für den Spitzenplatz muss van Gerwen zwingend die 500.000 Pfund Preisgeld für den Weltmeisterschafts-Titel einfahren. Im Viertelfinale geht's für den Niederländer gegen den englischen Außenseiter Chris Dobey, ein Duell mit Gerwyn Price oder Michael Smith ist erst im Finale möglich.
2. Michael Smith
Der WM-Titel wäre für den "Bully Boy" nach zwei Vize-Titeln in 2019 und 2022 die logische nächste Entwicklungsstufe. Michael Smith hat im November erstmals ein Major-Turnier gewonnen, seit diesem Erfolg beim Grand Slam of Darts spielt der Engländer spürbar befreiter. Der Weltranglisten-Vierte gewann im Achtelfinale überraschend klar gegen Joe Cullen, der 4:1-Sieg war eine Machtdemonstration. Eine Runde zuvor hatte Smith gegen den Deutschen Martin Schindler noch mächtig kämpfen müssen. "Er hat sehr nervös gewirkt, das hat man auch an seinen roten Backen gesehen. Ich hätte nicht gedacht, dass er das nach 1:3-Rückstand noch gewinnt. Er ist definitiv ein heißer Titelanwärter", sagt Hopp ntv.de.

Für Martin Schindler (r) war es ein bitteres Aus gegen Michael Smith.
(Foto: Steven Paston/PA Wire/dpa)
Dass spätere Weltmeister im Turnierverlauf aber durchaus häufiger ins Wanken geraten, zeigt ein Blick auf die vergangenen Ausgaben. Peter Wright überlebte bei der WM 2020 sogar einen Matchdart im Auftaktspiel gegen den philippinischen Außenseiter Noel Malicdem, Gerwyn Price gewann drei Spiele auf dem Weg zu seinem Titel 2021 erst im Entscheidungs-Satz, Wright lag bei der WM 2022 zweimal mit zwei Sätzen in Rückstand. Vielleicht ist das Spiel also ein gutes Omen für den 32-Jährigen.
3. Gerwyn Price
In der Gunst vieler Experten und Fans hat Gerwyn Price geringere Chancen auf den WM-Titel als Michael Smith. Der Weltranglisten-Erste hat anders als Smith zwar bislang alle seine Partien souverän gewonnen, richtig gefordert wurde Price dabei aber auch nicht. "Ich habe bislang noch nicht gut gespielt, es ging erst einmal nur über Siege. Mein bestes Spiel zeige ich erst ab dem Viertelfinale", sagte der Waliser nach seinem Achtelfinal-Erfolg über José de Sousa.
"Das Selbstvertrauen wird weniger, je länger es dauert, bis sein A-Game da ist. Es wird ja auch immer wieder thematisiert durch die Medien. Dann frisst sich das noch mehr in den Kopf. Solche Typen schlafen besser, wenn sie top gespielt haben. Die sind vom Ehrgeiz zerfressen", analysiert Max Hopp. Für den "Iceman" spreche, dass Price ein Meister darin sei, sein Niveau tatsächlich dem Gegner anzupassen. "Gerwyn wirkt in dieser Woche extrem fokussiert." Reicht das, um sich die zweite WM-Krone nach 2021 aufzusetzen?
4. Jonny Clayton
Unter anderem wird sein walisischer Landsmann Jonny Clayton etwas dagegen haben. "The Ferret", das Frettchen, ist genau wie Price ehemaliger Rugbyspieler. Den Weltranglisten-Siebten muss man nach seinem überzeugenden 4:3-Sieg gegen Darts-"Wunderkind" Josh Rock auf dem Zettel haben. "Abgesehen von Gabriel Clemens, würde ich es Jonny am meisten gönnen, die WM zu gewinnen. Ich habe ein extrem gutes, lockeres Verhältnis zu ihm", sagt Hopp im Gespräch mit ntv.de.
Für Jonny Clayton ist es die erste WM-Viertelfinal-Teilnahme in seiner Karriere. Die großen Erfolge landete der 48-Jährige bisher bei anderen Turnieren. 2021 gelang Clayton das, was Michael van Gerwen im zurückliegenden Jahr geschafft hat, und zwar vier Major-Turniere zu gewinnen. Im Viertelfinale ist Clayton ein weiterer Sieg zuzutrauen, für noch mehr dürfte es wegen der starken Konkurrenz um "MvG", Smith und Price aber nicht reichen.
5. Dimitri Van den Bergh
Claytons Viertelfinal-Gegner ist Dimitri Van den Bergh. Experten erwarten eine umkämpfte und ausgeglichene Partie. Der 28-jährige Belgier ist der jüngste Spieler unter den letzten Acht, bislang überzeugte er mit drei lockeren Siegen. Im gesamten Turnierverlauf gab Van den Bergh nur einen einzigen Satz ab, das ist der Bestwert aller Viertelfinalisten. Fraglich ist, wie der Weltranglisten-15. spielt, wenn er erstmals richtig unter Druck gesetzt wird. Wenn es einen leichten Favoriten in der Partie mit Clayton gibt, ist es eher nicht der Belgier. Dafür waren seine Leistungen in 2022 nicht konstant genug.
6. Gabriel Clemens
Der "German Giant" hat in der Runde zuvor deutsche Darts-Geschichte geschrieben. In 30 Jahren Profidart-WM hatte es noch kein Deutscher ins Viertelfinale geschafft. Clemens ist der Sprung unter die letzten Acht mit drei konstant starken Spielen gelungen. Bislang musste der 39-jährige Saarländer keinen gesetzten Spieler aus dem Turnier nehmen. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Clemens bislang sogar auf einem höheren Niveau spielt als sein kommender Gegner Price. Das musste Clemens auch machen, ansonsten wäre er gegen den bärenstarken Jim Williams in der dritten Runde ausgeschieden. Gegen den Waliser überstand Clemens sogar einen Matchdart.
Clemens' Chancen definitiv nicht schmälern, wird auch seine Lockerheit. Angesprochen auf die Frage, ob er manchmal daran denke, Weltmeister werden zu können, betonte Clemens: "Darüber denke ich nicht nach. Ich will einfach mein Spiel spielen."
Den Grundstein für seine Topleistungen hatte der trainingsfleißige Clemens im Vorfeld der WM gelegt. "Er hat sich sehr gut vorbereitet, hat auch mit einem Mentaltrainer gearbeitet, macht also auch abseits vom Dartspielen richtig viel", berichtet Max Hopp.
Auf dem Papier ist Clemens gegen Price natürlich klarer Außenseiter, aber spielerisch muss sich die deutsche Nummer eins derzeit nicht verstecken. "Vielleicht nicht vom Namen, aber von der Performance her, kann er es aktuell auch mit Gerwyn Price aufnehmen."
7. Stephen Bunting
Der Engländer wurde im Vorfeld der WM dafür belächelt, dass er den Weltmeister-Titel als sein Ziel ausgegeben hatte. Doch mittlerweile lacht keiner mehr. Zu gut waren die Leistungen von Stephen Bunting gegen die Topspieler Dave Chisnall und Luke Humphries. In beiden Partien gelang Bunting ein Punkteschnitt von knapp 100. "Er ist aber kein Titelanwärter. Ich bin nicht überzeugt, dass Bunting solche Leistungen jetzt konstant ans Board bringt", schränkt Hopp gegenüber ntv.de ein. Gegen Michael Smith ist "The Bullet" klar in der Außenseiterrolle, das war er allerdings auch in den letzten beiden Runden.
8. Chris Dobey
Zwei Ex-Weltmeister hat Chris Dobey schon besiegt. Nach den verdienten Erfolgen über Gary Anderson und Rob Cross ist "Hollywood" auch gegen Michael van Gerwen im Viertelfinale eine Topleistung zuzutrauen. Dass Dobey am Ende aber zum dritten Mal nacheinander aus der Außenseiterrolle heraus eine Runde weiter kommt, ist unrealistisch. Streckt Dobey am Abend des 3. Januar sogar die Sid-Waddell-Trophäe in die Höhe, wäre das eine Sensation. Selbst ein Halbfinal-Einzug über van Gerwen müsste man in diese Kategorie einsortieren.
Quelle: ntv.de