Doping oder nur Frischzellenkur? Wieder Wirbel um Springstein
30.09.2004, 12:21 UhrDer erneut unter Dopingverdacht geratene Leichtathletik-Trainer Thomas Springstein ist von seinem Klub SC Magdeburg suspendiert worden. Der 46-Jährige sei "auf Grund der durch die Staaatsanwaltschaft gesicherten Indizien von der Betreuung jeglicher SCM-Sportler entbunden" worden, teilte das Präsidium des Klubs am Donnerstag mit.
Der SC Magdeburg behält sich zudem "nach eindeutiger Beweislage " rechtliche Schritte gegen Springstein vor, der die 400-m-Vize-Europameisterin Grit Breuer und seit einem Jahr den noch immer verletzten Sydney-Olympiasieger Nils Schumann betreut.
Was wurde eigentlich gefunden?
Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hatte am Dienstag bei einer Hausdurchsuchung verbotene Substanzen gefunden. Nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts Rudolf Jaspers enthalten diese Arzneien "offenbar" Testostoron-Undecanoat, das im Sport als Dopingsubstanz verboten ist. Unterdessen sickerte jedoch durch, dass es sich "offenbar" nicht um Mittel handelt, die jüngeren Athletinnen verabreicht worden sind, sondern um "Anti-Aging-Produkte", die Springstein für den Eigenbedarf benutzte.
Talent Elbe führte Polizei auf die Spur
Wie der Sport-Informationsdienst (sid) berichtete, stand am Tag nach Bekanntwerden der - sollten sich die die Anschuldigungen bewahrheiten - nunmehr dritten Doping-Affäre um Springstein fest, wer den Stein ins Rollen brachte. Hürden-Hoffnung Anne-Kathrin Elbe, die auf Grund ihrer Sprintschnelligkeit als das derzeit größte deutsche Talent im Nachwuchsbereich gilt, hatte sich ihren Eltern, dem Verein Bayer Leverkusen und letztlich dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) offenbart, der am 2. August, elf Tage vor dem Olympia-Auftakt in Athen, die Anzeige gegen Springstein wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz und möglicherweise versuchter gefährlicher Körperverletzung erstattete.
Die aus Dessau stammende Sprinterin ist die Tochter des früheren Weltklasse-Dreispringers Jörg Elbe (Chemnitz), der vor 19 Jahren 17,30 m erreicht hatte. Sie trainierte unter Springstein bis zum Sommer im so genannten Anschlusskader mit Theresia Strecker (20), Anja-Maria Lehmann (19), Korinna Fink (22) und Katrin Trauth (21). Inzwischen wird sie bei Bayer Leverkusen von Manfred Fink betreut.
Grit Breuer macht sich verdächtig
Nach ihrem Lebensgefährten Springstein gerät nun auch Grit Breuer in Not: Der Kontrolleur der Natioalen Anti-Doping-Agentur (Nada) konnte die fünfmalige Europameisterin am Mittwoch nicht antreffen. Laut Geschäftsführer Roland Augustin hatte sich die Magdeburgerin nicht abgemeldet, bevor sie zusammen mit Springstein in Urlaub nach Griechenland fuhr.
"Das ist ein Verstoß gegen die Doping-Richtlinien, der Konsequenzen hat", erklärte Nada-Sprecher Matthias Blatt. Grundsätzlich müssen sich Athleten bei ihrem Fachverband, in diesem Fall dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), abmelden, wenn sie mehr als drei Tage nicht an ihrem eigentlichen Aufenthaltsort sind. Blatt: "Dies war hier nicht der Fall. Der Kontrolleur wollte am Mittwoch zu ihr und hat niemanden erreicht."
Bis zu zehn Jahre Haft drohen
Gegen Springstein, der als Drahtzieher im Fall Katrin Krabbe galt, wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft auch wegen der - möglicherweise nur versuchten - gefährlichen Körperverletzung ermittelt. Es gebe konkrete Anhaltspunkte dafür, "dass der Beschuldigte mehreren, zum Teil noch jugendlichen Mitgliedern seiner Trainingsgruppe zur Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit regelmäßig Arzneimittel mit verbotenen Dopingwirkstoffen verabreicht hat, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können ". So heißt es in einer Pressemitteilung der Behörde. Nach dem Arzneimittelgesetz drohen Springstein bis zu zehn Jahre Haft.
"Das muss mit allen Mitteln aufgeklärt werden ", sagte DLV-Präsident Clemens Prokop der dpa. "Wenn uns als Verband Mitteilungen über strafbare Verhaltensweisen erreichen, dann sind wir verpflichtet, dies der Staatsanwaltschaft weiterzugeben."
Springstein will Urlaub abbrechen
Springstein hatte von dem Fall am Mittwoch offenbar durch seinen prominentesten Schützling Nils Schumann erfahren. Laut dessen Manager Frank Thaleiser (Leverkusen) hat sich der Trainer im Griechenland-Urlaub total geschockt über die Hausdurchsuchung gezeigt. Springstein hatte dem Magdeburger Sport-Koordinator Martin Sanne zugesagt, sofort den Urlaub abzubrechen und zurückzufliegen.
Schumann sucht neuen Trainer
Thaleiser zur Position von Schumann: "Er ist mit Thomas Springstein befreundet. Aber wenn sich herausstellt, dass die Mädchen vom Trainer Dopingmittel erhielten, ist dies ein Vertrauensbruch, der sicherlich zur sofortigen Trennung führt. Derzeit ist dieser Schritt noch nicht vollzogen." Doch nur Stunden später ließ Schumann über Thaleiser erklären, dass er mit sofortiger Wirkung die Zusammenarbeit mit Springstein einstellt. Er schließe sich "bis zur endgültigen Klärung der Angelegenheit " der Entscheidung seines Vereins SCM an. Hinsichtlich seiner sportlichen Zukunft werde er in den nächsten Tagen mit dem SC Magdeburg und dem DLV Gespräche führen.
"Brunnenvergifter" und "Trainer des Jahres"
Grit Breuer und Springstein standen 1992 zweimal im Zentrum von Dopingaffären, die als "Fall Krabbe" in die Sportgeschichte eingingen. Die Sprint-Doppel-Weltmeisterin Katrin Krabbe, Breuer und Silke Möller-Gladisch (Rostock) waren im ersten Fall straffrei ausgegangen, weil die Doping-Proben manipuliert und unbrauchbar waren, ihnen die Schuld aber nicht angelastet werden konnte.
Im zweiten Fall wurden Krabbe, Breuer und Manuela Derr (alle Neubrandenburg) wegen der Einnahme des später verbotenenen Steroids Clenbuterol vom DLV für elf Monate wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz bestraft. Doch der Weltverband IAAF verlängerte die Strafe wegen "unsportlichen Verhaltens" dann um zwei Jahre bis 1995.
Die Karriere des "Brunnenvergifters" - so der spätere DSB-Präsident Manfred von Richthofen - schien beendet. Doch Breuer gelang nach der dreieinhalbjährigen Sperre unter Springstein ein großartiges Comeback. Nach ihren Super-Erfolgen bei der EM 2002 in München wurde Springstein von den Teamleitern des Leichtathletik-Verbandes zum "Trainer des Jahres" gewählt.
Quelle: ntv.de