Danckert "niveaulos" Zoff um Olympia-Boykott
04.04.2008, 17:09 UhrBei der Diskussion um einen Olympia-Boykott sind Thomas Bach und Peter Danckert, der Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, heftig aneinandergeraten. Der SPD-Politiker warf dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nicht nur eine "voreilige und überflüssige Festlegung" in der Boykott-Frage vor, sondern griff Bach auch wegen dessen geplanter Teilnahme am olympischen Fackellauf in China an. Das wiederum bezeichnete der höchste deutsche Sportfunktionär in einem offenen Brief als "schlicht niveaulos".
Der DOSB hatte in einer Erklärung vom 24. März einen Olympia-Boykott ausgeschlossen und bekanntgegeben, er werde "nach Abwägung aller Argumente und in Wahrnehmung seiner Verantwortung gegenüber den Athleten eine Mannschaft zu den Olympischen Spielen 2008 entsenden". Danckert findet nun, "dass der Sport solche Dinge nicht ohne Abstimmung mit der Politik machen darf und machen kann. Denn die Dinge könnten sich - was ich nicht hoffe - so zuspitzen, dass man an so etwas denken muss, jedenfalls aus Sicht der Politik", sagte er über die Situation in Tibet und das Vorgehen der chinesischen Regierung im Vorfeld der Sommerspiele in Peking.
Teilnahme am Fackellauf falsch
"Es gehört schon eine gewisse Chuzpe von Ihnen dazu, zwei Reisen des Sportausschusses des Bundestages nach China zu den Olympischen Spielen und Paralympics zu bestätigen und gleichzeitig den Beschluss des DOSB, Athleten dorthin zu entsenden als voreilig und überflüssig zu bezeichnen", sagte Bach in einem auf der DOSB-Internetseite (www.dosb.de) veröffentlichten Schreiben. Der DOSB-Chef verweist darauf, dass sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Bundesaußenminister ebenso wie der Bundesinnenminister sich mehrfach gegen einen Boykott der Athleten ausgesprochen hätten - "im Übrigen im Einklang mit dem Dalai Lama."
Kein Verständnis hat Danckert zudem für das Vorhaben Bachs, am Fackellauf teilzunehmen. "Seine Teilnahme hätte eine politische Komponente. Da muss man sich nicht ausgerechnet dort zeigen, wo es politisch am brisantesten ist", sagte der 67-Jährige. Dass Danckert dabei über "private Gründe" Bachs spekuliert, entspricht laut Bach "nicht den demokratischen Umgangsformen".
IOC soll Stellung beziehen
Der Bundestagsausschuss-Vorsitzende forderte Bach und Walther Tröger als Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) auf, deutlich Stellung zu beziehen. Er erwarte von führenden Sportfunktionären, "dass sie Dinge, die die ganze Welt beschäftigen, kommentieren. Der Sport ist Teil der Gesellschaft."
Nicht hilfreich seien Äußerungen wie jene von Tröger. Der IOC- Funktionär hatte Sportlern mit dem Ausschluss von den Wettkämpfen gedroht, sollten sie in Peking offen gegen Chinas Tibet-Politik protestieren. "Wir werden sehr genau darauf achten, ob Meinungsäußerungen von Athleten in Peking bestraft werden", kündigte Danckert an. "Die zentrale Frage ist: Akzeptieren der Sport, das IOC und der DOSB das Recht auf freie Meinungsäußerung als Menschenrecht?"
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt/Main bezeichnete die Drohung Trögers als einen "Skandal". In einer Erklärung vom Freitag erinnerte die Organisation nachdrücklich daran, "dass die freie Meinungsäußerung ein Grundrecht ist, dass auch durch die Olympische Charta nicht außer Kraft gesetzt werden könne".
Tröger wundert sich
Tröger erklärte indes, er könne sich nur noch wundern, wie jeder Versuch sachlicher Klarstellung umgedeutet werde. Der 79-Jährige hatte in mehreren Interviews darauf verwiesen, dass die IOC-Charta politische Demonstrationen in den Olympiastätten verbiete. Aber, so Tröger: "Das als Drohung an die Athleten hinzustellen, ist doch krankhaft. Ich habe nicht gedroht, sondern nur die Regeln erklärt."
Gleichzeitig habe er unterstrichen, dass niemand wegen politischer Äußerungen seine Medaille verlieren werde, betonte das dienstälteste deutsche IOC-Mitglied. Eine nachträgliche Disqualifikation komme nur bei einem sportlichen Regelverstoß wie zum Beispiel Doping in Frage. Das aber sei kaum registriert worden.
Es stehe auch jedem Athleten frei, ob er an der Eröffnungsfeier teilnehmen wolle, sagte Tröger: "Wer nicht einmarschieren will, muss es auch nicht. Das war in der Vergangenheit so und gilt auch 2008." Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) und Athletenvertreter würden alle Peking-Starter im Vorfeld der Spiele ausführlich über ihre Rechte und Pflichten beraten: "Niemand muss eine Einschränkung seiner Meinungsfreiheit befürchten."
"Eine bessere Welt"
Frankreichs Sportler werden mit der Botschaft "Eine bessere Welt" bei den Olympischen Spielen in Peking für die Menschenrechte zu demonstrieren. Die Athletenkommission des Nationalen Olympischen Komitees stellte in Paris einen entsprechenden Anstecker mit den olympischen Ringen im Hintergrund vor. "Damit wollen wir die olympischen Werte ins Herz der Spiele zurückbringen", sagte Stabhochsprung-Vizeweltmeister Robert Mesnil.
Bernard Laporte, Staatssekretär für Sport, bezeichnete die Initiative als starke, aber "ruhige Geste. Sie respektiert die Grundlagen Olympias und instrumentalisiert sie nicht."
Quelle: ntv.de