Pechsteins Unschuld-Offensive Zweifel an den Argumenten
07.08.2009, 14:41 UhrDie große Gegenoffensive von Claudia Pechstein hat die Zweifler nicht von der Unschuld der gesperrten Eisschnelllauf-Olympiasiegerin überzeugt.
Die 37-Jährige will in der Berufung vor dem Sportschiedsgerichtshof CAS Verfahrensfehler der Internationalen Eislauf-Union geltend machen, aber auch inhaltlich gegen den Vorwurf auffälliger Blutwerte vorgehen. Gerade in diesem Teil hat der Auftritt von Pechstein und zweier Experten am Donnerstag in Berlin Fragen offen gelassen.
So kritisierte der Nürnberger Pharmakologe Fritz Sörgel, zu den "wirklich stark erhöhten" Retikulozyten-Werten habe Pechtstein nichts gesagt. Ebenso wenig habe sie erklärt, warum die Werte zwei Wochen nach der WM in Hamar wieder normal gewesen seien. "Für mich hat sich nichts Wesentliches geändert", sagte auch Gerhard Ehninger, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, der "Süddeutschen Zeitung". "Erst hieß es geheimnisvoll, es seien medizinische Gründe - das hätte man an einem Tag beim Hämatologen klären können. Jetzt sind es plötzlich die Geräte."
"Äpfel mit Birnen verglichen"
Im Doping-Labor in Kreischa waren in einer Probe vom 15. April Pechsteins Retikulozyten, eine Vorstufe der roten Blutkörperchen, mit 2,4 Prozent gemessen worden - in Lausanne mit einem anderen Analysegerät nur mit 1,3 Prozent. In Kreischa sei das traditionelle und in Lausanne ein neues Verfahren benutzt worden, erläuterte Detlef Thieme, der Direktor des Instituts für Dopinganalytik und Sportbiochemie in Kreischa. Es seien daher Äpfel mit Birnen verglichen worden.
"Im Kern gebe ich ihm recht, aber die Abweichung war schon mehr als im Normalen", sagte Sörgel. Allerdings sei seit langem bekannt, dass verschiedene Messgeräte unterschiedliche Ergebnisse erbrächten. Auch eine unkorrekte Probentemperatur während des Transports könne zu veränderten Werten führen. Bei richtiger Kühlung und Bedienung des Messgerätes gebe es in seinem Labor exzellente Ergebnisse ohne große Schwankungsbreite. Auch Änderungen von Barcodes, die Pechstein beklagt hatte, seien nicht ungewöhnlich, "weil es organisatorische und logistische Probleme gibt, die man nur so lösen kann".
"Das ist einfach falsch"
Auf Widerspruch trafen bei Sörgel auch die Argumente von Pechsteins Experten. Holger Kiesewetter von der Berliner Charité hatte herausgestellt, die Reti-Werte seien aufgrund ihrer Schwankungen absolut ungeeignet, einen Dopingnachweis zu führen. "Das ist einfach falsch. Das gehört für mich fast zu Studentenwissen höheren Semesters", betonte Sörgel. "Was im Knochenmark abläuft, geben die Retikulozyten in exzellenter Weise wider", sagte der Pharmakologe. Der DGHO-Vorsitzende Ehninger fügte hinzu, Pechstein habe immer wieder betont, die übrigen Blutwerte wie Hämatokrit und Hämoglobin seien normal. "Treten dann Schwankungen der Retikulozyten-Werte auf, spricht das aus meiner Sicht für eine Manipulation."
Die von Pechstein vorgeschlagene sechswöchige Quarantäne sei nicht durch die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) zu leisten, meinte Sörgel und pflichtete damit dem NADA-Vorstandsvorsitzenden Armin Baumert bei. "Wenn die NADA das machen würde, schafft sie einen Präzedenzfall", sagte Sörgel, regte aber an, dass die Agentur ein Konzept entwirft. Die Aufträge müssten an entsprechende Firmen vergeben werden. Der Sportausschuss-Vorsitzende Peter Danckert hatte erklärt, eine Spitzensportlerin wie Pechstein müsse mit der Unterstützung der NADA rechnen können, um die Vorwürfe so schnell wie möglich aufzuklären.
Quelle: ntv.de, Von Robert Semmler, dpa