Deutsche U21 in Israel Zwischen Jad Vaschem und Dejagah
11.10.2007, 16:20 Uhrvon Ulrich W. Sahm
Ganze 40 Minuten zu spät kam die deutsche U21-Nationalmannschaft zum Trainingsplatz neben dem Stadion von Ramat Gan. Statt um 18.30 Uhr erschien der Bus der deutschen Mannschaft erst um 19.10 Uhr, berichtet ausführlich die Zeitung "Jedijot Achronot" auf ihren Sportseiten. Grund für die Verspätung war ein "stereotyper" Besuch der deutschen Fußballer in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem. Entsprechend schmückte den Artikel ein düsteres Schwarz-Weiß Bild der Sportler im dunklen Anzug, mit Krawatte und einer Kopfbedeckung neben der "ewigen Flamme" und der Inschrift "Auschwitz" im erdrückenden "Zelt des Gedenkens".
Stereotyp war nach Angaben der Zeitung auch das Training für das Spiel am Freitag gegen Betar Ramat Gan. Die Deutschen hätten mit "eiserner Disziplin" und so schweigend trainiert, "dass man das Rollen des Balles auf dem Rasen hören konnte". Eisernes Schweigen der Mannschaft, der Trainer und der Manager auch zum Fall Ashkan Dejagah (21).
Der in Iran geborene Fußballspieler ist israelischen Medien zufolge inzwischen zum Nationalhelden des Iran geworden. Eine israelische Zeitung zitiert aus iranischen Medien: "Dejagah handelte gemäß seinem Gewissen, trotz des auf ihn ausgeübten Drucks. Man darf keinen Kontakt mit der zionistischen Einheit pflegen, weil sie Verbrechen am palästinensischen Volk verübt. Dajagah ist den Prinzipien des Islam treu geblieben und wird seine Brüder nicht verraten." Der Begriff "zionistische Einheit" ist iranischer Staatsjargon für Israel.
Die Weigerung des iranisch-deutschen Doppelstaatlers, im Rahmen der U21-Nationalmannschaft nach Israel zu kommen, hat im jüdischen Staat keine hohen Wellen geschlagen. Während der israelische Fußballbund sich tunlichst in den innerdeutschen Skandal nicht einmischte und eine Stellungnahme verweigerte, äußerte der ehemalige Nationaltrainer Schlomo Scherf sogar Verständnis: "Die Weigerung von Dejagah, nach Israel zu kommen, ist aus meiner Sicht völlig legitim."
In der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle von Sportlern, die sich weigerten, im Feindesland zu spielen oder gegen eine Mannschaft aus einem Feindesland anzutreten. Ausgerechnet die Israelis haben immer wieder erlebt, wie arabische Mannschaften sich weigerten, gegen sie anzutreten. Ein Äthiopier verlor vor einigen Monaten die Staatsbürgerschaft des arabischen Emirats von Bahrain, nur weil er am See Genezareth bei einem Marathon mitgelaufen ist.
Scherf sagte weiter: "Man muss Dejagah verstehen. Er ist auch iranischer Bürger. Er wird sicher daran denken, was ihm passieren könnte, wenn er einmal den Iran besuchen würde. Man muss die delikaten Umstände verstehen und ihn in Ruhe lassen. Wäre ich sein Trainer, hätte ich seine Entscheidung sofort akzeptiert."
Der Trainer von Kirjat Schmone, Ran Ben Schimon, hingegen besteht auf einer Trennung von Sport und Politik. Das sei die Grundidee der olympischen Spiele. Ben Schimon macht zwar die Einschüchterungskampagne des Iran und dessen Feindseligkeit gegen Israel verantwortlich. Doch bei einem Mitglied der Nationalmannschaft bei der Bundesliga hätten sportliche Motive überwiegen müssen. Seinem Kommentar in der Zeitung fügte er eine persönliche Anmerkung an: "Ashkan, ich heiße Ran, bin ein stolzer Jude, und bin bereit, jederzeit gegen dich zu spielen, denn ich bin mit Menschenliebe aufgewachsen und nicht mit Hass."
Weit mehr Aufsehen und Anerkennung als der Fall Dejagah erregt bei den israelischen Sportreportern die Tatsache, dass die deutsche Nationalmannschaft früher als geplant nach Israel geflogen sei, nur um genügend Zeit für den Besuch in der Holocaust Gedenkstätte zu haben.
Quelle: ntv.de