Glaube und Genialität Tebow, "Gottes Quarterback"
14.01.2012, 17:32 Uhr
Tim Tebow beim "Tebowing". Die Pose hat einen globalen Kult ausgelöst.
(Foto: REUTERS)
Tim Tebow ist mehr als ein NFL-Quarterback, er ist ein Phänomen. Mit seiner unorthodoxen Spielweise hat der 24-Jährige die Denver Broncos in die Playoffs geführt. Gleichzeitig nutzt Tebow den beliebtesten US-Sport als Bühne für öffentliche Glaubensbekenntnisse. Seine Gebets-Pose hat einen globalen Spaß-Hype ausgelöst. Die religiöse Rechte in den USA feiert ihn als "Football-Messias".
Millionen sahen am 23. Oktober 2011, wie Tim Tebow im Footballstadion der Miami Dolphins niederkniete. Der Quarterback der Denver Broncos hatte sein Team soeben zu einem der bemerkenswerteren Comebacks in der NFL-Geschichte inspiriert, in seinem ersten Spiel von Beginn an. Trotz 0:15-Rückstands, trotz zuvor schwacher Leistung, trotz nur noch 2:44 Minuten auf der Uhr führte Tebow die Broncos noch zu einem 18:15-Erfolg nach Verlängerung. Nun dankte er seinem Inspirator. Auf dem Rasen, einen Ellbogen auf dem Knie, den Kopf andächtig gesenkt, betete er zu Gott, während seine Mitspieler feierten. Tebows Kniefall war der Beginn eines globalen Hypes.
Seine Gebets-Pose ist inzwischen Kult, nicht nur in den USA. Sie hat sogar einen eigenen Namen, "Tebowing". Auf der gleichnamigen Website veröffentlichen Menschen aus aller Welt Bilder, die sie beim nicht immer ernst gemeinten "Tebowing" zeigen. Auch Popstar Lady Gaga und US-Präsident Barack Obama zählen zu den Fans des 24-jährigen Quarterbacks, der seinen Glauben so offen zelebriert wie kein anderer der rund 1700 Profis in der National Football-League (NFL).
"Mein Fokus besteht darin, den Herrn zu ehren - egal, ob ich gewinne oder verliere", sagt Tebow, der auf den Philippinen als Sohn evangelikaler Missionare geboren wurde. In einem Collegespiel schrieb sich Tebow 2009 "John 3:16" auf die schwarzen Streifen unter seinen Augen, die eigentlich nur Sonnen- oder Flutlicht absorbieren sollen. Anschließend googelten 94 Millionen Amerikaner die Bedeutung dieses biblischen Verses, meldete die Zeitung "Orlando Sentinel". Die Zeitschrift "Sports Illustrated" feierte Tebow auf ihrem Cover als "The Chosen one", den "Auserwählten".
Sportlich erfolgreich und umstritten
NFL-Profi ist Tebow seit 2010. Aber erst seit seinem außergewöhnlichen Debüt in der Startformation am sechsten Spieltag ist der 24-Jährige auch der etatmäßige Spielmacher der Broncos. Trotz des Fehlstarts in die Saison mit vier Niederlagen in fünf Spielen hat Tebow die Broncos in die Vor-Playoffs geführt. Dort beendete Denver die Titelträume von NFL-Rekordchampion Pittsburgh Steelers. Im Viertelfinale warten nun die New England Patriots mit dem Deutschen Sebastian Vollmer.
Sportlich unumstritten ist Tebow selbst bei den Denver-Fans nicht, obwohl er 2007 als erster Universitäts-Footballer schon im zweiten Jahr die Heisman-Trophy als bester College-Spieler gewann. Die Spielweise des 24-jährigen, mit dem die Broncos sieben von elf Spielen gewannen, ist zu unorthodox, seine Form zu schwankend. Der 1,91-Meter-Mann läuft lieber, als dass er wirft. Zu Fuß erzielt er für einen Quarterback außergewöhnlich viel Raumgewinn. Dafür landen seine Pässe ungewöhnlich selten dort, wo sie landen sollen, bei seinen Mitspielern. Seine Passquote von 46,5 Prozent ist die schlechteste aller NFL-Quarterbacks.
Dennoch: Ohne Tebow hätten die Broncos die Vor-Playoffs nicht erreicht. Ohne ihn wären sie dort nicht durch einen dramatischen 29:23-Sieg gegen Pittsburgh erstmals seit 2005 wieder in die K.o.-Runde einzogen. Gegen den Rekordchampion warf Tebow endlich viele gute Pässe für insgesamt 316 Yards Raumgewinn, darunter zwei Touchdown-Pässe. Er zeigte endlich, "dass er ein NFL-Quarterback ist", wie Teamkollege Demarius anerkennend meinte. Demarius hatte nach wenigen Sekunden der Verlängerung das Vergnügen, einen 80-Yard-Pass des Quarterbacks zum entscheidenden Touchdown verwandeln zu dürfen.
Mann für die entscheidende Phase
Wie gegen Miami oder auch die Chicago Bears, als Denver 2:26 Minuten vor Schluss mit 0:10 zurückgelegen und trotzdem noch gewonnen hatte, wies Tebow nach, dass er in der entscheidenden Spielphase zu Hochform aufläuft. In den USA sprechen sie längst von der "Tebow Time", die nun auch im Playoff-Viertelfinale bei den New England Patriots wieder anbrechen soll.
"Ich bin einfach gesegnet mit großartigen Mitspielern und Trainern, die mich besser machen als ich eigentlich bin", entgegnet er auf Lobpreisungen. Seine Bescheidenheit ist ein weiteres Markenzeichen des Mannes, der seine Jünger vor Spielen bisweilen via Twitter mit Bibelversen beseelt. Nach den Spielen sieht sein Protokoll vor, sich zuerst bei "meinem Herrn und Erlöser Jesus Christus sowie meinen Mitspielern" zu bedanken, um mit einem "Gott segne Euch" zu enden. Gleichzeitig lädt Tebow dem US-Sender ESPN zufolge zu Denver-Spielen stets gesundheitlich oder sozial benachteiligte Menschen ein, um ihnen ein paar schöne Stunden zu schenken.
Die Rechte feiert den "Football-Messias"
Die religiöse Rechte jubelt in den Zeiten des Vorwahlkampfes der Republikaner über "den Football-Messias" und "Gottes Quarterback". Der in Umfragen abgeschlagene Gouverneur von Texas, Rick Perry, erklärte in Anlehnung an die Comeback-Qualitäten des Football-Stars, "der Tebow der Vorwahlen" sein zu wollen.
Der Rest der USA nimmt teils erschrocken, teils verwundert zur Kenntnis, dass "Tebowing" zum globalen Hype geworden ist. Sollte der 24-Jährige sein Team nun auch ins Halbfinale der NFL-Playoffs führen, dürfte der Trubel um "Gottes Quarterback" noch zunehmen.
Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid