Kampf gegen den Zuschauerschwund Formel 1 lässt die Racer los
21.07.2014, 14:13 Uhr
Im Dreikampf zwischen Kimi Räikkönen, Fernando Alonso und Sebastian Vettel ging es hoch her.
(Foto: imago/HochZwei)
Tristesse im Mercedes-Land: Auf dem Hockenheimring bejubeln nur 50.000 Fans den Heimsieg von Nico Rosberg - ein historischer Tiefpunkt. Die Formel steuert verzweifelt dagegen, und lockert die Regeln. Nicht jeder Fahrer findet das gut.
Im schwarzen Motorhome von Chefpromoter Ecclestone klingeln die Alarmglocken. Immer weniger Menschen verfolgen die Königsklasse im TV oder an der Strecke. Auf dem Hockenheimring waren es am Sonntag nur 52.000 - ein Negativrekord. Ecclestone glaubt, warum sich die Zuschauer nicht mehr für sein Produkt interessieren: Zu viele neue Regeln hätte die Formel 1 zu kompliziert gemacht. Tatsächlich gab es seit 2005 fast 80 einschneidende Regeländerungen.
Ein Entwicklung, die auch MercedesGP-Aufsichtsratchef Niki Lauda kritisiert. "Es ist falsch, immer neue Dinge zu schaffen, nur um den Reiz zu erhöhen. Diese Überregulierung ärgert mich, das entmündigt die Fahrer", sagte der "RTL"-Experte und langjährige Weggefährte von Ecclestone den "Stuttgarter Nachrichten".
Das sieht Ecclestone ganz genauso. Der Brite will wieder echte Racer mit harten Bandagen und ausgefahrenen Ellenbogen um Positionen kämpfen sehen - kurz gesagt: Mehr Action! Vor dem Deutschland-GP gab es daher eine klare Ansage von Ecclestone an die Rennkommissare: "Lasst das Rennen laufen, so lange es geht. Wir wollen wieder echten Sport sehen und nicht bei jedem kleinen Zwischenfall eingreifen."
Massa kommt ungestraft davon
Die Rennleitung folgte der Vorgabe und die Fahrer nutzten die neue Freiheit: Schon lange gab es nicht mehr so viele "Feindberührungen" wie beim Rennen auf dem Hockenheimring, mehrmals flogen im wahrsten Sinne des Wortes die Fetzen.
Beispielsweise in einem Dreikampf zwischen den beiden Ferrari-Piloten Kimi Räikkönen und Fernando Alonso sowie Red-Bull-Pilot Sebastian Vettel. Räikkönen beschädigte sich dabei den Frontflügel, sein Team forderte eine Untersuchung. Doch die Stewarts winkten ab. Selbst nach dem spektakulären Startunfall zwischen McLaren-Mann Kevin Magnussen und Felipe Masse sprachen sie keine Strafe aus.
Zwar machten die Rennkommissare Massa als Schuldigen aus, doch weil der Williams-Pilot bei der Aktion ausschied, verfolgten sie die Sache nicht weiter. Sonst hätte Massa beim nächsten Rennen bestraft werden müssen - und das soll es nach dem Willen von Ecclestone in Zukunft ebenfalls nicht mehr geben. Grund: Zu kompliziert, zu undurchsichtig für die Zuschauer.
"Wichtiger, dass wir unseren Spaß haben"
Sebastian Vettel begrüßt die neue Politik der Freizügigkeit. "Das ist der richtige Weg. Ich denke, man muss uns Rennen fahren lassen", sagte der viermalige Weltmeister. "Wenn man mal einen halben Meter mehr oder weniger draußen ist, dann interessiert das keine Sau. Es ist wichtiger, dass wir unseren Spaß haben. Das gefällt auch den Leuten."
Einigen Piloten ging das Laissez-faire beim Deutschland-GP schon zu weit. Denn als sich Adrian Sutil in der 50. Rennrunde mit seinem Sauber drehte und mitten auf der Start-Ziel-Geraden stehen blieb, schickte die Rennleitung das Safety-Car nicht auf die Strecke. Felipe Massa zeigte sich verwundert, andere nahmen es mit einem Achselzucken hin. "Wenn ein Auto mitten auf der Strecke steht, dann kam bis jetzt immer ein Safety-Car", sagte Überregulierungsgegner Lauda, schränkte aber ein: "Dass es nicht herausgekommen ist, war okay. Jetzt müssen wir lernen, dass es nicht immer herauskommt." Opfern die Verantwortlichen am Ende die Sicherheit von Streckenposten und Fahrern für mehr Action und Zuschauerinteresse?
Das glaubt Adrian Sutil nicht: "Motorsport ist gefährlich und man muss mit dem Kopf fahren. Sonst enden wir wie in Amerika und haben ein Safety-Car nach jedem Dreher", sagte der Sauber-Pilot. "Ein Safety-Car war genug und wir haben ein spannendes Rennen gesehen." Die Fans von purem und ehrlichem Motorsport werden das ähnlich sehen.
Quelle: ntv.de, sport.de