Mercedes-Stallregie hin oder her Rosberg geht jetzt volles Risiko
17.10.2014, 12:46 Uhr
Ab jetzt hat Nico Rosberg nur noch ein Ziel vor Augen: den WM-Titel.
(Foto: imago/HochZwei)
Konstrukteurs-WM eingetütet, Sektkorken knallen gelassen - und jetzt dürfen sich Nico Rosberg und Lewis Hamilton "in die Kiste fahren". Zwar mimt Mercedes-Chef Toto Wolff den Spielverderber - aber es wird nichts nutzen.
Es ist rund eineinhalb Monate her, da sah sich Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda gezwungen, seine Streithähne ausdrücklich zu warnen. Nico Rosberg und Lewis Hamilton sollen ihre Einzelinteressen doch bitte dem Teamerfolg unterordnen, sagte Lauda, nachdem der Deutsche seinem Kollegen beim Belgien-GP bei einem gewagten Überhol-Manöver die Reifen aufgeschlitzt hatte.
Zurückziehen statt Angreifen - diese Devise gilt so lange, bis die Teaminteressen von Mercedes in trockenen Tüchern sind, stellte Lauda klar. Und wenn sie "uneinholbar für den Drittplatzierten sind, können sie sich von mir aus so oft in die Kiste und die Nase abfahren, wie sie wollen". Also quasi ab sofort.
Denn vier Rennen später hat das Werksteam sein großes Ziel erreicht: Seit dem Doppelsieg in Russland ist Mercedes der Gewinn der Team-WM nicht mehr zu nehmen. "Was für ein Moment. Wir haben eine sehr intelligente, hart arbeitende Truppe. Den ersten Konstrukteurs-Weltmeistertitel für Mercedes zu gewinnen, ist ein enorm stolzer Moment für uns alle", sagte Motorsportdirektor Toto Wolff bei der Titelsause auf dem Fabrikgelände. In Brackley und Brixworth wurde zwei Tage lange kräftig gefeiert, Wolff klopfte jedem Mitarbeiter auf die Schulter, der ihm vor die Füße lief: "Ich danke jedem Einzelnen dieser großartigen Menschen für ihren Beitrag zu unseren Erfolgen und möchte einen Toast auf sie erheben - die Besten der Besten."
Mercedes bremst die Piloten
Wer der Beste der Besten ist, das wird in den noch drei ausstehenden Rennen ermittelt. Und auch wenn Red Bulls Daniel Ricciardo noch eine theoretische Chance hat, ist klar, dass nur ein Mercedes-Mann auch den Fahrer-Titel einfahren wird. Ricciardo liegt 75 Punkte hinter Rosberg, auf Hamilton fehlen dem Red-Bull-Piloten gar 92 Zähler.
Angreifen statt Zurückziehen: Rosberg hat nach der "Schlitz"-Affäre also endlich wieder freie Fahrt und muss sich nicht an eine Teamorder halten? Von wegen! "Ich denke nicht, dass wir etwas an unserer Vorgabe ändern, denn wir wollen, dass beide respektvoll miteinander umgehen", stellte Wolff in englischen Medien klar. Als Rosberg in Sotschi den richtigen Bremspunkt verpasste, habe man gesehen, "dass Lewis kaltblütig reagiert hat. Und das war vollkommen fair. Deshalb werden wir unsere Vorgabe nicht ändern."
Drohungen nutzen nichts
Ob sich Rosberg und Hamilton daran halten, ist fraglich. Die Drohung von Wolff, denjenigen Fahrer vor die Tür zu setzen, der zu hohes Risiko geht und seinen Kollegen das Rennen verhagelt, ist nach dem historischen Gewinn eigentlich nicht aufrecht zu halten. Würde Mercedes einem Fahrer den Laufpass geben, der mit seinem Stallgefährten die Konkurrenz gedemütigt und die Team-WM mehr als souverän eingefahren hat? Wohl kaum.
Während sich die Fahrer mit Kampfansagen bedeckt halten, verliert sich Wolff in seiner Rolle als Zweckpessimist. "In dem Stress, in dem wir leben, ist das jetzt nur ein Häkchen", sagte er nach der eingefahrenen Team-WM. "Das nächste ist die Fahrer-WM, und die ist noch nicht gesichert." Bei aller Schwarzmalerei, das gilt für Hamilton im Duell mit Rosberg, nicht aber für Mercedes und Red Bull. Wolff sollte einsehen, dass seine Marschroute ab sofort nichts mehr als heiße Luft ist. Stallregie hin oder her, Rosberg wird im WM-Duell jetzt alles riskieren.
Quelle: ntv.de, sport.de