Die 6 wichtigsten Erkenntnisse der Formel-1-Tests Vettel bangt, Mercedes powert
03.03.2014, 15:40 Uhr
Da hilft nur kräftig anpacken: Sebastian Vettel schiebt seinen Boliden von der Strecke.
(Foto: AP)
Die Testfahrten für die Saison 2014 sind seit Sonntag Geschichte. Durch die gravierendste Technik-Zäsur in der Geschichte der Formel 1 wurden die Kräfteverhältnisse völlig neu gemischt. Die Red-Bull-Dominanz der vergangenen Jahre ist offenbar passe, stattdessen scheint Mercedes den Ton anzugeben. Doch nach den Tests ist vor Australien: Höchste Zeit also, uns die sechs wichtigsten Erkenntnisse anzuschauen.
1. Wer ist denn nun Favorit?
Angesichts der kompletten Technik-Unwälzung liefen die Testfahrten chaotisch wie erwartet. Die Fahrer verbrachten teilweise mehr Zeit in ihren Garagen als im Auto. Es gab unzählige "Rot-Phasen", die Abschleppwagen waren im Dauereinsatz und bei manch einem Team blieben die Schotten sogar schon einmal für einen Tag komplett dicht. Ein Rennstall schien aber vor jeglichen Problemen gefeit: Mercedes.
Die "Silberpfeile" können sich nach Abschluss der Tests nicht gegen die klare Favoritenstellung für den Saisonauftakt Down Under wehren. Der F1 W05 war nicht nur das mit Abstand schnellste, sondern zudem auch zuverlässigste Auto im Feld. "Ich bin so bereit, wie ich es nur sein kann", sagte Lewis Hamilton nach seiner Bestzeit am letzten Tag. Auf die Frage, ob er schon das Maximum aus dem Auto geholt habe, entgegnete er mit breitem Grinsen im Gesicht: "Nein, nein." Auch Nico Rosberg blickte auf "drei sehr gute Tests" zurück, besonders die Standfestigkeit sei besser als erwartet. Zwar hatte Mercedes am Wochenende in Bahrain auch mit einigen technischen Problemen zu kämpfen, doch das waren im Gegensatz zur Konkurrenz nur Lappalien.
Mercedes reist also mit einem Vorsprung nach Melbourne, dahinter ist mit Williams, McLaren und Force India (allesamt mit der Mercedes "Power Unit" ausgestattet) und Ferrari zu rechnen.
2. Wie steht es um Red Bull?
Das lässt sich einfach in einem Wort ausdrücken: schlecht. Man könnte aber auch zwei Wörter benutzen: sehr schlecht. Auch an den letzten Testtagen fiel das alles überragende Team der letzten Jahre höchstens durch Unzuverlässigkeit auf. Am Donnerstag fing der von Daniel Ricciardo gesteuerte Bolide Feuer. Die Kühlung des neuen Turbo-Aggregats bleibt die größte Baustelle der Bullen. Am Samstag schaffte Sebastian Vettel wegen elektronischer und mechanischer Probleme keine einzige Runde. Einen Tag später stoppte den Weltmeister eine explodierende Bremsscheibe. "Wir sind noch einen Schritt weiter zurück als manch anderer", sprach Vettel nach dem Testdesaster Klartext. Für den Saisonauftakt in Melbourne erwartet er, dass es "sicherlich in gewisser Weise chaotisch" werden wird.
Doch wo viel Schatten, da auch Licht - zumindest ein bisschen. Am Freitag spulte Ricciardo immerhin 66 Runden ab und fand sich am Ende auf Platz 3 des Zeitentableaus wieder. Prompt bekam die Konkurrenz zittrige Knie. "Die sind verdammt schnell und vorne dabei, wenn sie ihre Probleme in den Griff bekommen", fürchtet Jenson Button. Auch Vettel durfte seine Kinky-Kylie-Nachfolgerin am Schlusstag immerhin 77 Runden um den Kurs pilotieren. Er habe das Auto endlich einmal "ein bisschen besser kennenlernen" dürfen, so Vettel. "Aber es liegt noch viel Arbeit vor uns." Die ersten Rennen scheint er schon abgehakt zu haben. Doch: "Das Jahr ist lang, wir haben viel Zeit um aufzuholen", sagte der 26-Jährige.
3. Was kann eigentlich Ferrari?
Es gibt Gerüchte, dass der Motor der Italiener 75 PS weniger hat als das Mercedes-Aggregat. Eine Bestätigung dafür gibt es aber nicht. "Ich kriege die anderen Autos nur zur Gesicht, wenn ich auf der Strecke an ihnen vorbeifahre oder umgekehrt. Daraus kann ich aber nicht schließen, wie viel PS der Motor hat", sagte Kimi Räikkönen. Auch Adrian Sutil gibt auf "diese Art von Gerüchten letztendlich nichts". Er vertraue Ferrari, "die haben das immer toll hingekriegt", sagte der Sauber-Pilot zu "Motorsport-Magazin". Doch die Zahlen sind besorgniserregend, an 11 von 12 Testtagen war Ferrari langsamer als die Mercedes-Konkurrenz. Lediglich am 1. Testtag in Jerez setzte sich Räikkönen durch.
Abgeschrieben werden darf die Scuderia aber nicht. Bei den Tests war es ungewöhnlich still um das italienische Team, das weitgehend unspektakulär sein Tagwerk verrichtete und bei den Zeiten stets in Schlagdistanz war. Einen Piloten wie Räikkönen interessiert das ganze "Test-Gedöns" ohnehin herzlich wenig. "Die Rundenanzahl muss nicht das wahre Potenzial zeigen, das in einem Auto steckt", so der "Iceman": "Es wird sehr viel geredet, vor allem über die Favoritenrolle von Mercedes, aber ich weiß nicht, was wirklich davon stimmt."
4. Die große Überraschung: Williams
Felipe Massa wird sich in den vergangenen Tagen wohl manchmal verwundert die Augen gerieben haben. Der bei Ferrari unsanft vor die Tür gekehrte Brasilianer sitzt plötzlich wieder in einem siegfähigen Auto. In Bahrain ratterten Massa und Valtteri Bottas zusammen 2.370 Kilometer ab und waren auf Renndistanz konstant schnell. Lediglich einmal bockte der FW36 kurz. Nach einem Umbau der Fahrzeug-Abstimmung fuhr Massa bei einer Qualifikations-Simulation am Samstag zudem die schnellste Runde des Bahrain-Tests. Die Fabel-Runde entfachte bei Mercedes gewisse Unruhe und warf die Frage auf: "Weiß jemand, wie viel Sprit dieser Massa an Bord hatte?"
"Wir haben ein gutes Auto", fasste "dieser Massa" zusammen. Er sei "echt zufrieden", wie die Testfahrten "vom Speed und der Zuverlässigkeit her" gelaufen seien. Zwar sieht er das Mercedes-Werksteam noch leicht vor Williams, doch auf den Hinweis, dass er in Melbourne seinen 12. GP gewinnen könne, entgegnete Massa grinsend: "Ich bin bereit."
5. Rotlichtkönige Lotus

Der Lotus von Roman Grosjean macht das, was er oft macht: stehen bleiben.
(Foto: imago/Crash Media Group)
Es gibt ein Team, das noch schlechter aufgestellt ist als Red Bull: Lotus. Bei dem ebenfalls von Renault befeuerten Briten hakt es an allen Ecken und Enden. Bei den finalen Tests in Bahrain ging jeden Tag mindestens eine Rot-Phase auf das Konto von Lotus. Am Sonntag blieb Romain Grosjean gleich zweimal auf der Strecke liegen. Zusammen mit seinem Teamkollegen Pastor Maldonado absolvierte der Franzose die wenigsten Kilometer aller Fahrer.
Das Zentrum der Probleme: Die "Power Unit" von Renault. "Sie war hier meist der Grund, aber wir hatten auch eigene Probleme, etwa mit dem Auspuff", sagte Nick Chester. Der Technik-Chef setzt für Australien auf das Prinzip Hoffnung: "Wir brauchen aber ein bisschen Glück und die Dinge müssen für uns laufen", sagte der Brite: "Ich bin sicher, dass Renault in Melbourne überarbeitete Teile mitbringt und unsere Chancen besser stehen."
6. Die Reifen halten
Nach dem Pirelli-Bashing im vergangenen Jahr scheint es an dieser Front ruhiger zu werden. "Als Fazit können wir festhalten: Die neuen Reifen sind beständiger und haben einen geringeren Abrieb als ihre Vorgänger, ohne dabei Kompromisse bei der Performance machen zu müssen", sagte Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery zum Abschluss der Tests. Obwohl in Bahrain keine Blasenbildung und kaum Graining zu erkennen war, wollen sich die Italiener aber auf keine Experimente einlassen.
So gibt es im Gegensatz zu 2013 für Australien, Bahrain und China keine superweichen Reifen, stattdessen kommen die Varianten "Soft" und "Medium" zum Einsatz. In Kuala Lumpur wird auf "Hard" und "Medium" gefahren. "Die ersten fünf Rennen zählen zu den härtesten im Kalender", so Hembery.
Quelle: ntv.de, sport.de