Draxler - und die üblichen Verdächtigen Die Luxusprobleme des Jogi Löw

"Wir müssen innerhalb kürzester Zeit ein Team formen, das dann auch in der Lage ist, Herausragendes bei dieser EM zu leisten": Joachim Löw.

"Wir müssen innerhalb kürzester Zeit ein Team formen, das dann auch in der Lage ist, Herausragendes bei dieser EM zu leisten": Joachim Löw.

(Foto: dpa)

Ein Ass zieht er aus dem Ärmel, ansonsten verlässt sich Bundestrainer Joachim Löw bei der Berufung seines EM-Kaders auf die Fußballspieler, von denen er weiß, dass er sich auf sie verlassen kann. Widerspruch erntet er dafür nicht. Warum auch? Nominieren ist Luxus.

Der Zeitplan bis zur EM

11.-18. Mai: Regenerationstrainingslager
                      (Sardinien)
12. Mai:         DFB-Pokalfinale
18.-30. Mai: Trainingslager (Südfrankreich)
19. Mai:         Champions-League-Finale
22. Mai:         FC Bayern -Niederlande
26. Mai:         Testspiel gg. die Schweiz
29. Mai:         Meldeschluss für den EM-Kader
1. Juni:          Testspiel in Leipzig gegen Israel
9. Juni:          EM-Vorrunde gg. Portugal
13. Juni:        EM-Vorrunde gg. die Niederlande
17. Juni:        EM-Vorrunde gg. Dänemark

Stell dir vor, der Bundestrainer gibt bekannt, welche Fußballspieler er mit zur Europameisterschaft in Polen und der Ukraine mitzunehmen gedenkt - und keiner regt sich auf. Während vor der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika das geneigte Publikum darüber diskutierte, ob der in Ungnade gefallene Kevin Kuranyi nicht eine zweite Chance verdient hätte, und sich durchaus Kritiker fanden, die bemängelten, Joachim Löw halte einigen Spielern unverdientermaßen die Treue und setze damit das Leistungsprinzip in der deutschen Nationalmannschaft außer Kraft, sind sich nun alle einig: Er macht das schon. Und zwar richtig.

Das liegt daran, dass der Bundestrainer nach einem dritten Platz bei der jüngsten WM und dem zweiten Rang bei der Europameisterschaft 2008, verbunden mit einer beachtlichen spielerischen Entwicklung der Mannschaft, nun mehr denn je die Deutungshoheit für sich beanspruchen kann. Und daran, dass es keinen echten Streitfall gibt. Das Gerüst der Mannschaft steht, mit acht Spielern des FC Bayern und fünf vom Deutschen Meister Borussia Dortmund. Insgesamt dürfen 19 Akteure fest damit rechnen, am 29. Mai auch im endgültigen Kader zu stehen. Bleiben vier vakante Plätze. Und deren Besetzung ist, bei aller Wertschätzung für den Einzelnen, für das Team von eher untergeordneter Bedeutung. Oder kann sich irgendjemand daran erinnern, dass es jemals für den Erfolg bei einem Turnier relevant war, wer als dritter Torhüter dabei war? Das sind Luxusprobleme, mit denen der Bundestrainer umzugehen weiß. Er kann sich sicher sein: Gute Spieler gibt es genug.

Nur 25 Minuten gespielt? Egal, er kommt mit

Also macht Joachim Löw das, was er immer gemacht hat. Er überrascht einerseits und lädt den 18 Jahre alten Schalker Julian Draxler ein, der noch nie zum Aufgebot gehörte. Damit bestätigt sich der Bundestrainer selbst, hatte er doch jüngst gesagt, dass die Entwicklung seiner Mannschaft noch lange nicht beendet sei und weit über die EM im Sommer hinausreiche. Und er vertraut anderseits den Spielern, auf die er sich immer verlassen konnte. Angreifer Miroslav Klose war sechs lange Wochen am Oberschenkel verletzt und hat am Sonntag für Lazio Rom gerade einmal 25 Minuten gespielt? Egal, er kommt mit.

Innenverteidiger Per Mertesacker ist nach einer Operation am Knöchel seit dem 11. Februar nicht mehr für den FC Arsenal aufgelaufen? Dabei! Stürmer Cacau ist beim VfB Stuttgart nur noch Ergänzungsspieler und hat in der just beendeten Saison gerade einmal acht Tore erzielt? Herzlich Willkommen! Da kann der Wolfsburger Patrick Helmes treffen, wie er will. Mario Götze war verletzt und kam beim BVB in der Rückrunde kaum zum Einsatz? Wen stört's? Was für den Bundestrainer zählt, ist das, was er den Spielern zutraut. Und das, was sie bisher für die DFB-Elf geleistet haben. Und da ist Miroslav Klose das beste Beispiel. Schließlich war es, der vor der Weltmeisterschaft 2010 beim FC Bayern auf der Bank saß und in einer Saison ganze drei Tore erzielte. Und dann in Südafrika zu Höchstform auflief und seine WM-Tore Nummer elf bis 14 erzielte.

Löw: "Herausragendes bei dieser EM leisten"

Die Probleme liegen woanders. Der Erfolg des FC Bayern München in der Champions League hat zur Folge, dass die sorgsam für vier Wochen geplante Vorbereitung auf die EM doch arg durcheinandergerät. Die Frage ist, wie der Bundestrainer damit umgeht, dass die Münchner erst zwei Wochen vor Turnierbeginn am 9. Juni zur Mannschaft stoßen, weil sie nicht nur am 19. Mai im Finale der Königsklasse gegen den C Chelsea spielen, sondern am 22. Mai auch noch ein Freundschaftsspiel gegen die Nationalelf der Niederlande bestreiten. Im ersten Trainingslager auf Sardinien, das am Freitag beginnt, fehlen zunächst auch die Dortmunder, die am kommenden Samstag im DFB-Pokalfinale gegen die Bayern stehen sowie Mesut Özil und Sami Khedira, die mit Real Madrid am Sonntag den letzten Spieltag in der spanischen Fußballliga absolvieren.

Dabei betont Joachim Löw doch immer wieder, wie wichtig es für ihn und den Erfolg seiner Mannschaft sei, vor einem Turnier intensiv mehrere Wochen miteinander zu arbeiten. "Das wird ein bisschen eng", räumte er nun ein. "Wir müssen ein bisschen flexibler sein." Andererseits weiß auch der Bundestrainer, dass erfolgreiche Spieler ihm vermutlich mehr helfen als enttäuschte Verlierer. Den Plan formuliert er so: "Wir müssen innerhalb kürzester Zeit ein Team formen, das dann auch in der Lage ist, Herausragendes bei dieser EM zu leisten." Und irgendwie erweckt er dabei den Eindruck, als macht er das schon. Und zwar richtig.

Quelle: ntv.de

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