UEFA erhebt Anklage England ist sauer auf den Laser-"Idioten"
08.07.2021, 09:57 UhrEngland bejubelt den Einzug ins Finale der Fußball-Europameisterschaft. Doch der größte Erfolg für England seit 1966 kommt auf fragwürdige Weise zustande: Rund um die entscheidende Szene gibt es eine Menge Redebedarf.
Nein, völlig ungetrübt ist die Begeisterung über Englands größten Erfolg im Fußball seit dem WM-Titel 1966 nicht: In die Freude über den 2:1-Sieg der Three Lions im EM-Halbfinale gegen Dänemark mischt sich auch Ärger. Ärger über einen "gefährlichen Idioten", der in der entscheidenden Szene Einfluss aufs Spiel nehmen wollte. Mit unfairen Mitteln.
Schiedsrichter Danny Makkelie hatte nach 102 Minuten nach einem Zweikampf zwischen Joakim Maehle und Raheem Sterling einen höchst umstrittenen Elfmeter für England gegeben. Videobilder zeigen, dass der dänische Torhüter Kasper Schmeichel vor der Ausführung des Elfmeters auf unsportliche, gefährliche Weise gestört werden sollte: Ein grüner Laser flackerte über das Gesicht Schmeichels, über die Wange, die Stirn, ins Auge. Offenbar versuchte ein Fan ihn abzulenken. Schmeichel schaute kurz offenbar irritiert an sich herab, war jedoch anscheinend nicht nachhaltig gestört - und hielt von der Attacke unbeeindruckt den Strafstoß von Harry Kane. Schmeichel wehrte den Ball aber direkt vor die Füße des englischen Angreifers ab, der Nachschuss entschied dann doch noch das Halbfinale.
"So etwas will niemand sehen"
Die Szene sorgte in England neben dem Jubel über den ersten Finaleinzug seit 1966 für eine Menge Ärger: "Eine Sache, die wir gesehen haben, gerade als Harry Kane den Elfmeter schoss und die völlig inakzeptabel und lächerlich ist ... schau, jemand hat einen Laserstift auf der Tribüne", schimpfte Mark Chapman beim übertragenden Sender ITV. "Wer auch immer das ist, er oder sie ist ein Idiot, und wir können nur hoffen, dass es Kasper Schmeichel nicht aus der Fassung gebracht hat, denn es ist dumm und das hat er nicht verdient. So etwas will niemand sehen."
Der ehemalige Nationalspieler Stan Collymore zürnte, dass jemand, der "einen Laserpointer auf Schmeichel richtet, lebenslänglich gesperrt werden" sollte. Kevin Maguire, Mitherausgeber des "Daily Mirror", hat eine klare Forderung: "Überall gibt es Überwachungskameras. Also sollte der Idiot identifiziert, strafrechtlich verfolgt, eingesperrt, beschämt und lebenslang vom Fußball verbannt werden. Gefährlicher Idiot." Auch mehrere Fans forderten eine ähnliche Strafe für den Stadion-Besucher. "Ich hoffe, die Person, die Kasper Schmeichel mit einem Laser beschossen hat, wird gefunden und bestraft. Ekelhaftes Verhalten", schrieb ein Twitter-Nutzer. Andere bewerten die Aktion als "schrecklich" und "schändlich" für England. "Die dänische Nationalhymne auszubuhen. Mit einem Laserstift auf Schmeichel zielen, als der Elfmeter ausgeführt wurde. Warum lassen (einige) England-Fans nie eine Chance aus, Schande über das Land zu bringen?" Die UEFA verkündete inzwischen, den englischen Verband wegen des "Gebrauchs eines Laserpointers durch seine Anhänger" anzuklagen.
Vor allem in den englischen Medien war die Laser-Attacke auf Schmeichel, der im Ligaalltag für Leicester City das Tor hütet und in seiner gesamten Profilaufbahn nur für englische Klubs tätig war, ein großes Thema nach dem Spiel.
Der Strafstoß, der zum letztendlich nicht unverdienten Sieg der Engländer führte, war gleich doppelt umstritten. Dazu befand sich ein zweiter Ball auf dem Spielfeld, als Sterling den Ball zu Beginn seines Weges erhielt, der ihn irgendwie in die ungefähre Richtung von Maehles Bein und anschließend auf den Boden des dänischen Strafraums führte. Normalerweise unterbrechen die Schiedsrichter das Spiel in solchen Fällen, sie können aber von ihrem Ermessensspielraum Gebrauch machen und es ignorieren, wenn der Ball das Spiel nicht behindert. "Aber in diesem Fall befand sich der verirrte Ball in der Nähe von Sterling und den dänischen Verteidigern", schreibt der "Standard", "und man könnte sagen, dass er eine Ablenkung verursachte."
Strafstoß war "nicht so gut"
Über den Elfmeter selbst, der die Aufregung ausgelöst hatte, wird noch für "lange, lange Zeit diskutiert werden", wie Dänemarks Torwart-Legende Peter Schmeichel sagte. Aus Sicht der deutschen Schiedsrichterexperten ist die Sache aber eigentlich ziemlich klar: ntv.de-Schiedsrichter-Experte Alex Feuerherdt von "Collinas Erben" etwa sagt: "Es gab zwar einen Kontakt zwischen dem Knie von Maehle und dem Oberschenkel von Sterling, doch dieser Kontakt war nicht ausschlaggebend dafür, dass Sterling fiel." Viel mehr habe der Stürmer auf den passenden Moment gewartet, um einen Pfiff zu provozieren. Er legt sich daher fest: "Dieser Strafstoß war eine deutlich zu harte Entscheidung." Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich verpackte seine harte Kritik an der Entscheidung des Kollegen Makkelie maximal zurückhaltend: "Wir beurteilen anhand der Zeitlupe und müssen feststellen, dass es nicht so gut war, den Strafstoß zu geben."
Ex-Schiedsrichter Manuel Gräfe wunderte sich im ZDF: "Man sieht den Kontakt Knie gegen Wade. Aber Sterling geht mit der Intention schon in den Zweikampf - man sieht, dass er den Körper nach vorne verlegt, den will er ziehen, den will er cheaten, wie man so schön sagt. Aufgrund des Fallmusters sieht man eigentlich schon, dass das nicht ausreichend ist." Thorsten Kinhöfer sagte der "Bild"-Zeitung, dass man "in einem EM-Halbfinale so einen Strafstoß nicht geben" dürfe, "er berührt ihn, aber in so einer Phase des Spiels muss es ein 110-prozentiges Foulspiel sein. Und das war es wahrhaftig nicht!" Makkelie hatte mit seinem Pfiff keine Sekunde gezögert, der VAR korrigierte ihn nicht.
Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand kommentierte die Szene nach dem Spiel noch zurückhaltend: "Es war ein Elfmeter, den es nicht hätte geben sollen", sagte er, so habe er es in der "internationalen Presse gelesen". Und: "Wir wissen nicht, wer das Foul begangen haben soll." So endet das große dänische EM-Märchen, das so schrecklich mit dem lebensbedrohlichen Kollaps ihres Stars Christian Eriksen im ersten Spiel begann, mit einer Enttäuschung und einer ganz, ganz bitteren Szene.
Quelle: ntv.de, ter