EM-Anreise mit Hindernissen Schotte erschüttert: "Wir spielen Fußball wie die Deutsche Bahn"

Ab aufs Gleis! Aber bitte nur im Zug!

Ab aufs Gleis! Aber bitte nur im Zug!

(Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa/Sym)

Die Fußball-EM soll die nachhaltigste der Geschichte werden. Vom Auto sollen die Fans auf die Bahnstrecke gebracht werden. Das ist ein hervorragender Ansatz, doch strapaziert das Vorhaben bisweilen extrem die Nerven der Fahrgäste. Ein Gruß aus Leverkusen.

Eines vorab, dieses Mal trifft die Deutsche Bahn wirklich keine Schuld. Am Mittag, gegen 12 Uhr, hatten sich ein paar Idioten, pardon, ein paar Unbefugte irgendwo bei Leverkusen auf die Strecke bewegt. Die Folge: Eine lange, eine sehr lange Pause. Fast eine Stunde ging nichts mehr. Links Lärmschutzwände, rechts Lärmschutzwände. Es gibt durchaus attraktivere Kulissen bei einer Fahrt mit der Bahn. Aber man kann es sich nicht aussuchen.

Der Zug, der RRX, war bestens gefüllt. Und auch die Laune an Bord war gut. Zahlreiche Schotten und Schweizer hatten sich auf den Weg nach Köln gemacht. Dort treffen die Nationalmannschaften beider Länder am Abend aufeinander (21 Uhr). Sie sind quasi der EM-Dessert des Deutschland-Spiels. Das Team von Bundestrainer Julian, besser bekannt ja mittlerweile als "Julsi", Nagelsmann trifft im ersten Duell des zweiten Spieltags in der Gruppe A auf Ungarn. Die hatten zum Auftakt eine - für ihren Trainer erschütternde - Niederlage gegen die Schweiz kassiert.

Während sich DFB-Fans und Ungarn auf den Weg nach Stuttgart machten, tummelten sich die Schotten, von den Deutschen am Freitag böse mit 5:1 vermöbelt worden, und die Schweizer eben in Köln. Aber die Anreise gestaltete sich wieder einmal interessant. Wie schon zum EM-Start in München, wie schon im mittlerweile weltbekannten "Gelsenkörken". Und auch aus Stuttgart gab es schon Klagen. Nun also Köln. Dabei soll doch alles grün und nachhaltig werden. Parkgebühren von 24 Euro (!) in Stadionnähe soll abschrecken. Eine prima Idee, ohne Ironie, aber das muss die alternative Route eben auch funktionieren.

Na dann halt Schnupftabak

Die Schweizer, bekannt für ihre Gelassenheit, ertrugen geduldig die Ansagen des Zugführers. Gut, für Personen auf der Straße kann niemand was. Für "keine Informationen" zur Weiterfahrt vielleicht auch nicht. Aber dass nach der Ansage: "geht in wenigen Minuten weiter" sehr lange nichts passierte, sorgte dann bei einer Gruppe Eidgenossen für Unruhe. Einer kompensierte seine Unzufriedenheit mit tüchtigen Nasen-Ladungen Gletscherprise (Anmerk. d. Red.: ein Schnupftabak).

Die Schotten im Wagen waren lange nicht zu hören. Einige hatten die Augen zu, offenbar war die Nacht in Dortmund zuvor kurz gewesen. Überraschend viele "Bravehearts" hatten am Dienstag die Pubs der Stadt geflutet und sich das Spektakel zwischen der Türkei und Georgien gegönnt. War ja auch ein Fest gewesen. Und Feste, das wissen auch die Schotten, muss man feiern. Was hatten sie bei dieser EM nicht schon für schöne und emotionale Momente gesorgt. Sie hatten München verzaubert, die Stadt leer getrunken, und hatten in Köln einer Oma im strömenden Regen Schirm-Geleit gewährt. Die Schotten sind das, was die Isländer einst waren: Kult-Fans.

Als einer von ihnen wach wird, auf die Uhr schaut und sich deutlich nach der Zeit noch immer nicht in Köln wähnt, sagt: "Oh dear, we play football like the german bahn". Fußball-Interessierte im Wagen lachten sich kaputt, ein sehr einsamer Verschwörungstheoretiker fabulierte über die UEFA, Russland und den 3. Weltkrieg. Beweise könne er zwar nicht liefern, sagte er vor allem zu sich selbst, aber es sei halt so. Nach einer Stunde rollte der Zug wieder. Einer aus der Schweizer Gruppe zählt die nächsten Stationen der gemeinsamen Reise auf. Sieben Städte werden es am Ende des Trips sein. Ein anderer sagt: "Das reicht dann auch für die nächsten 20 Jahre."

"The Scots are on fire"

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Als der Zug in Leverkusen-Mitte einfährt, singen die Fans der "Bravehearts" den gekaperten Klassiker: "The Scots are on fire". Eine Anlehnung an den beliebten Nordirland-Party-Song "Will Grigg is on fire". Darf man das? Na klar, nach dieser Fahrt darf man alles. Obwohl, nicht ganz. Als ein Bahn-Gast nach Einfahrt des Zugs im Schatten der BayArena einfährt und sich die Türen nur mit Verzögerung öffnen, tritt der dreimal mit voller Wucht dagegen. Die vier Sicherheitskräfte auf einem nahen Vierersitz im Inneren sind nicht amüsiert.

Nach dem ersten EM-Wochenende hatte die Bahn eine erste Bilanz gezogen. Der Bahnbetrieb lief insgesamt stabil, wie der Konzern mitteilte. Zwischen Freitag und Sonntag nutzten demnach 1,2 Millionen Fahrgäste die ICE- und IC-Züge. DB-Vorstand Personenfernverkehr Michael Peterson schwärmte und lobte: "So viel Bahn wie bei dieser EM gab es noch nie bei einem internationalen Fußball-Turnier. Wir freuen uns über 160.000 verkaufte Fantickets. In puncto Nachhaltigkeit wird die UEFA EURO 2024 neue Standards setzen. Das Team mit den meisten Bahnfahrten in der laufenden Gruppenphase ist die Schweiz. Wir sind gerne Gastgeberin für alle Teams der EM in der Gruppenphase und auf dem Weg zum Finale in Berlin."

Quelle: ntv.de, tno

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